Noah-Konferenz im Tempodrom: Investoren und Start-ups auf Tuchfühlung
Zwei Tage lang werben Start-ups in Berlin um neue Geldgeber wie Rocket-Chef Samwer. Um Europa zu stärken, sieht EU-Kommissar Oettinger aber vor allem die Old Economy in der Pflicht.
Frank Geßner kennt beide Seiten. Kamen die Start-ups mit ihren Ideen im vergangenen Jahr noch zum Investor Geßner, ist der Gründer Geßner nun selbst auf der Suche nach Investoren. Zwischen weißen Partyzelten und Zimmerpalmen lehnt er an einem Stehtisch auf der Terrasse des Berliner Tempodroms. Zwei Tage lang treffen sich dort Investoren und Start-ups auf der Noah-Konferenz, loten aus, ob Idee und Kapital zusammenpassen.
Der Branchentreff findet erstmals in Berlin statt
Erstmals findet der Branchentreff in Berlin statt. Ursprünglich kommt das 2009 eingeführte Format aus London – die Finanzmetropole steht im Fokus vieler Risikokapitalgeber. Nach einem Ausflug nach San Francisco vor drei Jahren ist Berlin nun der dritte Standort. „Die Konferenz auch hier zu veranstalten, ist ein richtiger Schritt“, sagt Geßner, der für sein IT-Jobportal 4Scotty wirbt. Bei seiner letzten Teilnahme in London habe er ohnehin mehr Deutsch als Englisch gehört. Geßner, Mitgründer des einst legendären Internetdienstleisters Intershop und Ex-Manager bei der Berliner Lieferplattform Delivery Hero, ist zwar gut vernetzt. „Aber zwölf Gespräche mit Investoren in zwei Tagen – dafür ist so eine Veranstaltung schon gut.“ Auf beiden Seiten – Start-ups wie Investoren – sei das Who-is-who vertreten.
Wenn es um Wachstumskapital geht, haben es Start-ups schwer
Besonders stolz sind die Veranstalter, die ehemaligen Lehman-Investmentbanker Marco Rodzynek und Jan Brandes, auf die europäische Ausrichtung. 95 Prozent der Redner kämen vom alten Kontinent, betont Rodzynek. Was allerdings nichts daran ändert, dass europäische Start-ups noch immer schwerer an Geld kommen, wenn sie Wachstumskapital benötigen. So haben die zehn bestfinanzierten europäischen Gründungen mit gut fünf Milliarden Dollar gemeinsam weniger Kapital eingesammelt als der US-Fahrdienstleister Uber mit knapp sechs.
Rocket Internet will die Lücke schließen
Einer von denen, die diese Lücke schließen wollen, ist Oliver Samwer. „Wir sind sehr loyal gegenüber Berlin“, sagt der Chef von Rocket Internet. Damit meint er nicht nur, dass die Start-up-Schmiede ihren Firmensitz in Berlin behalten und deshalb platzbedingt 2016 aus Mitte in das GSW-Hochhaus in Kreuzberg ziehen will. Er meint die Investitionen in die hiesige Start-up-Szene, wie den Einstieg bei Delivery Hero zu Beginn des Jahres für rund 600 Millionen Euro.
EU-Kommissar Oettinger sieht auch die Konzerne in der Pflicht
EU-Digitalkommissar Günther Oettinger sieht seinerseits auch die etablierten Konzerne in der Pflicht. „Europäische Unternehmen müssen sich mehr als Investoren verstehen“, fordert Oettinger in seiner Rede. Die Hälfte der europäischen Start-ups werde derzeit von außereuropäischen Firmen gekauft. Das müsse sich ändern, wenn Europas Wirtschaft global weiter eine Rolle spielen wolle. Das habe sich bereits geändert, kontern die Konzerne. Siemens investiere in Start-ups, sagt Manager Rudolf Freytag – und zwar im dreistelligen Millionenbereich. Zudem gebe der Konzern Zugang zu Kunden und Infrastruktur. Millionen Euro braucht Geßner für sein Start-up noch nicht. Aber wenn es nach ihm geht, könnte er die laufende Investorenrunde schon noch bis Mittwochabend erfolgreich abschließen.