Börse greift Start-ups unter die Arme: Initiative soll Gründer fit für die Märkte machen
Die Initiative „Venture Networks“ will junge Unternehmen unterstützen, die bereits erste unternehmerische Erfolge vorweisen können.
Gerald Schönbucher wird künftig häufiger als bisher von Köln nach Frankfurt fahren müssen. Der Gründer des Online-Shoppingportals Hitmeister wird sich nächste Woche erstmals und danach regelmäßig in der Deutschen Börse zu Workshops mit deutschen und ausländischen Investoren treffen. Hitmeister und mehr als ein Dutzend weitere junge, schnell wachsende Unternehmen wurden von der Deutschen Börse ausgewählt, an einem neuen Programm teilzunehmen, das helfen soll, die Finanzierungssituation von erfolgreichen Start-ups zu verbessern.
Die Initiative heißt „Venture Networks“ und ist für junge Unternehmen gedacht, die bereits die Entwicklungsstufe der Spätfinanzierung, der sogenannten Growth-, Late oder Pre-IPO-Phase erreicht haben und erste unternehmerische Erfolge vorweisen können. „Wir wollen den frühzeitigen Austausch zwischen Unternehmen und Investoren fördern. Dafür stellen wir unser Kapitalmarktwissen zur Verfügung. Ziel ist es, strukturelle Zugangs- und Informationsdefizite aufzulösen“, erklärt Martin Reck, Leiter des Kassamarktes bei der Deutschen Börse.
Hoffnung auf erhöhte Sichtbarkeit bei den Kapitalgebern
Gerald Schönbucher hält die neue Plattform für „eine gute Idee“. Der Hitmeister-Chef lobt die Möglichkeit, sich mit Unternehmen auszutauschen, die sich in einer ähnlichen Wachstumsphase wie das Internet-Kaufhaus befinden, und erhofft sich eine erhöhte Sichtbarkeit bei den Kapitalgebern. Hitmeister selbst hat seit 2007 den US-Investor Tiger Global an Bord. Das 2007 gegründete Unternehmen hat nach eigenen Angaben rund 1,9 Millionen Kunden und arbeitet mit 4700 Händlern zusammen. 2015 soll ein Umsatz von 40 Millionen Euro erreicht werden.
„Unsere Ebit-Zahlen werden von Jahr zu Jahr besser“, sagt Schönbucher und stellt für Hitmeister für das Jahr 2016 erstmals schwarze Zahlen in Aussicht. Schönbucher legt die Messlatte für die Initiative der Deutschen Börse hoch: „Entscheidend für den Erfolg des Venture Networks wird sein, ob die teilnehmenden Unternehmen tatsächlich an neue Kapitalgeber kommen.“ Er könne sich vorstellen, „perspektivisch unsere Gesellschafterstruktur zu erweitern“. Wichtig ist ihm, dass die Teilnahme an „Venture Network“ keinen Zwang zu einem Börsengang impliziert: „Ein IPO ist für uns nur eine von vielen Optionen.“
Ein Bonbon für Gabriel
Neben Hitmeister sind Gründungsmitglieder der Plattform etwa die E-Commerce-Firmen „brillen.de“, „Brille24“ oder Home24. Der letztgenannte Möbel-Shop hat erst vor wenigen Tagen von einer schottischen Investmentgesellschaft und anderen Geldgebern frisches Kapital in Höhe von 120 Millionen Euro erhalten. Das Auktionshaus Auctionata, die FinTech-Company Kreditech, die Cloud-Telefonanlagen-Firma NFON, das Biotechnologieunternehmen Proteros und die Softwarefirma Swyx werden nun auch von der Börse besonders betreut. Weitere Namen von Unternehmen, die mitmachen, möchte die Börse noch nicht nennen – das will man Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel als „Bonbon“ für seine geplante Pressekonferenz am kommenden Donnerstag in Berlin überlassen.
"Neuer Markt 2.0"
Kritik an der nichtöffentlichen Onlineplattform kommt indes vom Bundesverband Deutsche Startups (BDS). Er hatte monatelang vehement ein neues Börsensegment gefordert – einen „Neuen Markt 2.0“. Durch ein solches spezialisiertes Segment sollten nach Vorstellung des Verbandes Börsengänge junger, technologieorientierter Unternehmen erleichtert werden. Doch weil in Deutschland die Aktienkultur schwach und der Begriff „Neuer Markt“ negativ vorbelastet ist, entschieden sich die Manager der Deutschen Börse gegen diesen Schritt.
Ganz aufgegeben hat Florian Nöll, Vorstand des Start-up-Verbandes, die Hoffnung auf ein eigenes Börsensegment indes noch nicht. „Venture Networks“ könne nur ein „Zwischenschritt“ dorthin sein, mahnt er und fordert zugleich, mit der Schaffung eines eigenen Börsenindexes nicht länger zu warten: „Sonst werden sich unsere wachstumsstärksten Technologiegründungen für andere internationale Börsenplätze entscheiden oder zum Unternehmensverkauf gezwungen sein.“