Währungskrise: In Syrien schießen die Preise für Grundnahrungsmittel in die Höhe
Ein Kursverfall des syrischen Pfundes macht den Alltag für viele Syrer noch härter, als zuvor. Sie protestieren, doch Assad droht mit Zwangsarbeit.
Fast neun Jahre nach dem Ausbruch des Syrien-Konfliktes im Frühjahr 2011 gibt es im Machtbereich von Präsident Baschar al Assad wieder Proteste gegen die Regierung. In der Provinz Suweida im Süden Syriens an der Grenze zu Jordanien demonstrierten vor einigen Tagen mehrere Hundert Menschen gegen die schlechten Lebensbedingungen. Zum Teil hingen die Proteste mit einem Streit zwischen den Drusen in Suweida und der Regierung in Damaskus zusammen, zum Teil richteten sie sich gegen die eskalierende Wirtschaftskrise im Land.
„Wir wollen leben“, riefen die Demonstranten nach einem Bericht der staatlichen Nachrichtenagentur Sana. Ein dramatischer Kursverfall des syrischen Pfundes macht den Alltag derzeit für viele Syrer noch härter, als er vorher schon war. Assad will den Währungsverfall mit drakonischen Strafen stoppen, doch das dürfte kaum gelingen.
Im Krieg in Syrien sind nicht nur rund eine halbe Million Menschen getötet worden und zwölf Millionen weitere mussten fliehen, die Kampfhandlungen haben auch die Wirtschaft des Landes zerrüttet. Schon vor vier Jahren schätzte die Weltbank die wirtschaftlichen Verluste auf mehr als 220 Milliarden Dollar.
Seitdem hat Assad mit russischer und iranischer Hilfe zwar die damals drohende Niederlage gegen die Rebellen abgewendet, doch der Krieg und die Zerstörung des Landes sind weitergegangen. Tausende Wohnhäuser, Fabriken, Schulen und Krankenhäuser sind zerbombt, die frühere Wirtschaftsmetropole Aleppo liegt in Trümmern. Der Kollaps des syrischen Pfundes macht den Syrern das Leben nun zusätzlich schwer. Preise für Grundnahrungsmittel wie Zucker und Reis schießen in die Höhe, in vielen Wohnhäusern gibt es keine Heizung und keinen Strom.
Ausländische Währungen sind verboten
Lange Zeit war die Landeswährung trotz des Krieges relativ stabil geblieben, doch nun geht es steil nach unten. Im September mussten Syrer noch 600 Pfund für einen US-Dollar bezahlen – in den vergangenen Wochen waren es zeitweise 1200 Pfund; derzeit liegt der Kurs bei etwa 1000 Pfund für einen Dollar.
Assad reagierte am vergangenen Samstag mit Dekreten, die das Pfund bei geschäftlichen Transaktionen als Währung zwingend vorschreiben. Wer bei Geschäften mit ausländischen Währungen erwischt wird, muss mit bis zu sieben Jahren Zwangsarbeit rechnen. Bisher lag die Höchststrafe bei drei Jahren. Die syrische Zentralbank ließ am Dienstag 14 Wechselstuben schließen.
Dass die Währung so drastisch absackt, liegt am Zusammentreffen mehrerer Faktoren. Mit internationalen Sanktionen gegen das Assad-Regime kommt die syrische Wirtschaft seit Jahren zurecht, doch im Dezember unterzeichnete US-Präsident Donald Trump ein neues Gesetz, mit dem die amerikanische Regierung erstmals die Hilfe aus Russland und dem Iran für Syrien mit Sanktionen belegen kann.
Auch die Eskalation des Konflikts zwischen den USA und dem Iran nach der Ermordung des iranischen Generals Soleimani durch die USA zu Jahresbeginn verschärfte die Währungskrise in Syrien. Der Iran unterstützte Syrien in den vergangenen Jahren mit hunderten Millionen Dollar, könnte sich aber wegen eigener Schwierigkeiten gezwungen sehen, die Überweisungen nach Damaskus zu kürzen.
Für Abhebungen ein Wochenlimit von 300 Dollar
Am schwersten aber wird Syrien von der Krise beim Nachbarn Libanon getroffen. Auf libanesischen Banken liegen laut Schätzung von Experten mehrere Milliarden Dollar von Syrern, die ihr Geld sicher im Ausland parken wollen. Nach Ausbruch der Wirtschaftskrise und der Protestwelle im Libanon im Herbst begrenzten die Banken dort das Wochenlimit für Dollar-Abhebungen jedoch auf rund 300 Dollar. Die Beschränkungen drosselten den früher stetigen Zufluss von harter Währung nach Syrien, was den Kurs des Pfundes gegenüber dem Dollar auf eine noch steilere Talfahrt schickte.
Die Assad-Regierung allein sei für den Währungsverfall verantwortlich, erklärte der syrische Oppositionspolitiker Riyad al Hassan in Istanbul. Assad habe die Staatskasse zur Finanzierung seines Krieges gegen das eigene Volk missbraucht und eine regime-nahe „Mafia“ das Land plündern lassen. Der Staatschef will von solchen Argumenten nichts wissen. Assads jüngste Dekrete sehen die Bestrafung von Kritikern vor, die mit ihren Stellungnahmen „das Vertrauen in die Stärke der Landeswährung untergraben“.