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Verbündete: Foto von Syriens Diktator Assad und dem russischen Präsidenten an einem Posten in Syrien
© AFP/George Ourfallan

Assad kurz vor dem Ziel: 2020 könnte für Syriens Diktator zum Jahr des Triumphes werden

Nach fast neun Jahren Krieg dürfte Machthaber Assad bald wieder große Teile Syriens kontrollieren – auch dank der Unterstützung durch Russland.

Baschar al Assad gab sich bescheiden. Es sei noch zu früh, um von einem Sieg im fast neunjährigen Krieg in seinem Land zu sprechen, sagte der syrische Präsident kürzlich dem französischen Magazin „Paris Match“. Seine Regierung habe allerdings große Fortschritte gemacht. Soll heißen: Er steht kurz davor, Syrien wieder fast vollständig zu kontrollieren.

In den vergangenen Jahren stand der Diktator zwar zwischenzeitlich kurz vor der Niederlage. Doch Russlands Militärintervention im Herbst 2015 hat ihn und sein Regime gerettet. Mehr noch. Seitdem sind seine Soldaten und verbündete Milizen auf dem Vormarsch. Und nun steht die Provinz Idlib vor dem Fall – die letzte Bastion der Opposition. Assad will sie offenbar sturmreif schießen. Luftangriff folgt auf Luftangriff. Fassbomben werden abgeworfen, Kliniken gezielt attackiert. Hunderte Zivilisten sind allein in den vergangenen Wochen getötet worden. Zehntausende haben ihr Zuhause verloren und versuchen, eine halbwegs geschützte Bleibe zu finden. Es scheint: Das Jahr 2020 könnte für Syriens Machthaber zum Triumph werden.

Russlands Einfluss
Das liegt vor allem an Wladimir Putin. Der Kremlchef hält weiter seine schützende Hand über Assad. Die russische Luftwaffe fliegt Angriffe auf die Rebellen, die immer weiter in die Defensive geraten. Auf dem internationalen Parkett kooperiert Putin mit dem türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan und drängt Ankara zur direkten Kontaktaufnahme mit der Assad-Regierung. Auch im UN-Sicherheitsrat arbeitet Moskau für seinen Verbündeten in Damaskus, dem schwere Kriegsverbrechen und die Hauptverantwortung für den Tod von einigen Hunderttausend Menschen und für die Vertreibung von Millionen Syrern vorgeworfen werden.

Für Putin ist Syrien nicht nur ein Land, in dem sich Russland nach jahrzehntelanger Abwesenheit infolge des Zusammenbruchs der Sowjetunion als Macht im Nahen Osten zurückmeldet. Syrien ist auch ein Sprungbrett für eine geplante russische Einflusszone im ganzen östlichen Mittelmeer. Der syrische Hafen Tartus, der einzige russische Marinestützpunkt im Mittelmeer, soll für militärische und zivile Zwecke ausgebaut werden. Erst vor Kurzem gab die russische Regierung bekannt, sie werde dafür 500 Millionen Dollar in Tartus investieren.

Die Botschaft ist klar: Russland ist gekommen, um zu bleiben und die Vereinigten Staaten als Ordnungsmacht im Nahen Osten abzulösen.

Die Niederlage des IS

Indirekt profitiert Baschar al Assad auch vom militärischen Sieg der US-geführten internationalen Allianz gegen den „Islamischen Staat“ (IS). Denn das Bündnis hat gewissermaßen die „Drecksarbeit“ für Syriens Führung gemacht und mit den Dschihadisten eine Bedrohung aus dem Weg geräumt – zumindest vorläufig. Das Regime hat dafür wenig getan. Im Gegenteil. Vor allem zu Beginn des Aufstands wurden viele in syrischen Gefängnissen festgehaltene „Gotteskrieger“ freigelassen. Assad nutzte sie als effektive Waffe gegen gemäßigtere Oppositionskräfte.

Doch im Laufe des Konflikts entwickelte sich der „Islamische Staat“ zu einer großen Gefahr für seine eigene Herrschaft: Die Islamisten unter ihrem inzwischen getöteten Führer Abu Bakr al Baghdadi erklärten Assad den Krieg und machten ihm lange Zeit die Macht in weiten Teilen des Landes erfolgreich streitig. Heute ist das „Kalifat“ der Bärtigen Geschichte, der IS in den Untergrund gedrängt.

Nur bedeutet das keineswegs, dass der IS der Vergangenheit angehört. Gerade die brutale Unterdrückung der Sunniten und staatliche Willkür treibt viele Syrer nach wie vor in die Arme der Extremisten. Und deren Ideologie ist mit militärischen Mitteln ohnehin nicht zu bekämpfen. Das Regime dürfte das zu spüren bekommen.

Erdogans Abenteuer
Assads gefährlichster internationaler Gegenspieler musste 2019 seine Ambitionen in Syrien zurückschrauben. Präsident Erdogan, der die Entmachtung des Herrschers in Damaskus anstrebt, mischt zwar in der Provinz Idlib mit. Doch der neue türkische Vorstoß in den Nordosten Syriens im Oktober ist weit hinter den Erwartungen Ankaras zurückgeblieben. Mit der Invasion soll zum einen die syrische Kurdenmiliz YPG, ein Ableger der Terrorgruppe PKK, aus dem Grenzgebiet verdrängt werden. Zum anderen ist die Einrichtung einer „Schutzzone“ zur Wiederansiedlung von Flüchtlingen auf einer Länge von 400 Kilometern vom Euphrat im Westen bis zur irakischen Grenze im Osten geplant.

Doch als die Gefechte zwei Wochen nach dem Einmarsch endeten, hatte die Türkei lediglich ein Gebiet von etwa 100 Kilometern Länge unter ihre Kontrolle gebracht. Weiter vorrücken können Erdogans Soldaten nicht. Die USA und Russland handelten mit der Türkei zwei Waffenstillstandsabkommen aus, die den Vormarsch stoppten. Die Türkei musste hinnehmen, dass russische Soldaten und syrische Einheiten im Nordosten des Landes stationiert wurden. Assad und Putin streben die Eingliederung der YPG in die regulären syrischen Streitkräfte an – viele Möglichkeiten, sich Assad zu entziehen, haben die Kurden nicht.

Amerikas Rückzug
Donald Trumps Entscheidung, die US- Soldaten aus Syrien abzuziehen, hat die Kräfteverteilung im Nordosten des Landes verändert – und die Kurden geschwächt. Als wichtigste Partnerin der Amerikaner im Kampf gegen den „Islamischen Staat“ baute die YPG im Nordosten des Landes ein eigenes Autonomiegebiet auf; während Russland im Westen Syriens die Lufthoheit besitzt, hat im Osten des Landes die US-Luftwaffe das Sagen.

Mit dem Rückzug der Amerikaner verlieren die syrischen Kurden nun ihren Beschützer – ein weiterer Vorteil für Assad. Und eine bittere Enttäuschung für Amerikas bis dahin treue Verbündete.

Zwar sollen mehrere Hundert US-Soldaten in Syrien bleiben, um die Ölquellen im Nordosten zu bewachen und Assads Zugriff zu entziehen. Doch der syrische Präsident ist entschlossen, die Amerikaner zum endgültigen Abzug zu bewegen.

Im chinesischen Sender Phoenix Television drohte Assad, die USA könnten in Syrien Ähnliches erleben wie im benachbarten Irak, wo amerikanische Einheiten nach der Invasion von 2003 gegen Saddam Hussein zum Ziel vieler Anschläge wurden. „Am Ende werden die Amerikaner das Land verlassen“, tönte Assad.

Aus größter Not gerettet. Dieses Mädchen wurde durch einen Bombenangriff im Haus ihrer Eltern verschüttet.
Aus größter Not gerettet. Dieses Mädchen wurde durch einen Bombenangriff im Haus ihrer Eltern verschüttet.
© O. Haj Kadour/AFP

Assads Vormarsch
Seit mehr als acht Jahren herrscht Krieg in Syrien – und nie war Assad seinem Ziel näher, den Großteil seines Landes sich wieder untertan zu machen. Kontinuierlich gelang es ihm, zentrale Gebiete zurückzuerobern. Jetzt fehlt nur noch Idlib, jene Provinz im Norden, die noch von Aufständischen gehalten wird. Und offenbar ist Assad fest entschlossen, die Bastion der Opposition zu schleifen – rücksichtslos und unterstützt von russischen Kampfjets.

Begründet wird das brutale Vorgehen mit dem Kampf gegen den Terrorismus. Aber für Damaskus sind nicht nur die Dschihadisten der früheren Nusra-Front – die in Idlib das Sagen haben und die Einwohner gängeln – Feinde, sondern auch die dort lebenden Zivilisten. Denn nach Lesart des Regimes sind all jene, die Assad nicht die Treue schwören wollen, verachtenswerte Verräter.

Das bekommen die drei Millionen Menschen in Idlib zu spüren. Die Frauen, Kinder und Männer sind oft aus anderen Regionen Syriens dorthin geflohen, weil ein Leben unter Assad für sie nicht infrage kommt. Der Preis dafür ist hoch. Hunderte Menschen sind bereits durch die jüngste Offensive getötet worden, Hunderttausende sind auf der Flucht, suchen in überfüllten Lagern oder unter Bäumen Schutz und hungern.

Syriens Verfassung
Um seinen Präsidentenposten braucht Assad auch im neuen Jahr wohl nicht zu fürchten. Zwar musste seine Regierung auf Druck von Russland nach langem Zögern dem Beginn von Verhandlungen mit der Opposition und der Zivilgesellschaft über eine neue Verfassung für Syrien zustimmen. Erstmals sitzt eine Delegation des Regimes seit Ende Oktober in Genf mit Regierungskritikern an einem Tisch, die Assads Entmachtung fordern.

Aber die Genfer Verhandlungen unter Führung der Vereinten Nationen kommen kaum voran. In den ersten zwei Verhandlungsrunden im November konnten sich die Teilnehmer nicht einmal auf eine Tagesordnung für einen geplanten 45-köpfigen Ausschuss einigen, der eine neue Verfassung ausarbeiten soll. Das Datum für eine dritte Runde steht noch nicht fest.

Baschar al Assad spielt offenkundig auf Zeit – und wird sich angesichts seiner Erfolge auf dem Schlachtfeld kaum zu wichtigen Zugeständnissen bewegen lassen. Syriens Despot hat es geschafft  – er dürfte auf absehbare Zeit an der Macht bleiben. Für das geschundene Land und seine notleidenden Menschen ist das mit Blick auf das kommende Jahr alles andere als eine verheißungsvolle Nachricht.

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