Hohe Zinsaufschläge: In Italien droht das große Bankensterben
Zahlreiche Institute stecken in Schwierigkeiten, einige könnten bald vom Markt verschwinden. Grund sind hohe Zinsaufschläge für italienische Staatsanleihen.
Der italienische Bankensektor befindet sich in einer Negativ-Spirale. Ein Grund: Der Zinsaufschlag (Spread) für italienische Staatsanleihen gegenüber deutschen. Er pendelt seit dem Amtsantritt der italienischen Regierung im Juni um die 300 Basispunkte und verteuert die Finanzierungskosten für Staat, Banken und Unternehmen erheblich. Sie müssen etwa dreimal so viel zahlen wie deutsche Kreditnehmer. Selbst eine sehr solide Bank wie Unicredit konnte in den vergangenen Monaten eine fünfjährige Anleihe (Senior Bond) nur mit einem massiven Aufschlag losschlagen, der sechsmal so hoch war wie im Januar.
Dabei sitzen Italiens Banken auf Staatsanleihen im Umfang von weit über 350 Milliarden. Euro. Der hohe Spread zwingt sie zu Abschreibungen. Nach Angaben der Banca d’Italia haben die Banken durch diese Entwicklung im ersten Halbjahr durchschnittliche Wertverluste von neun Prozent erlitten. Das schwächt ihr Eigenkapital und schränkt ihre Kreditvergabemöglichkeiten ein. Höhere Kosten müssen die Banken in Form höherer Zinsen weitergeben. Das drückt die ohnehin geringe Investitionsbereitschaft und die schwache Konjunktur im Land.
Michael Hünseler, Geschäftsführer und Bankenexperte des Münchner Vermögensverwalters Assenagon Asset Management, erwartet in den Bankenbilanzen „merkliche Bremsspuren bei der Rentabilität“ und Probleme vor allem für Banken aus der zweiten Reihe. Die Deutsche Bank schätzt, dass der hohe Spread Italiens Banken 2019 mit einer Milliarde Euro belastet. Es kommt hinzu, dass viele Banken auf hohen Beständen ausfallgefährdeter Kredite sitzen. Gerade stark auf Italien ausgerichteten Banken ist der Zugang zum Kapitalmarkt quasi versperrt.
Viele Institute mussten bereits gerettet werden
Diese Rahmenbedingungen zeigen bereits Folgen. Ausländische Investoren ziehen Mittel ab. Auch viele Italiener transferieren Vermögen etwa in die Schweiz. Nachdem in den vergangenen Jahren schon viele Institute vom Markt verschwunden sind, könnten weitere folgen. Die nationale Einlagensicherung und mit ihr die wichtigsten Banken des Landes verhinderten jüngst den Konkurs der Genueser Sparkasse Carige. Sie beteiligten sich mit 320 Millionen Euro an einer Wandelanleihe über 400 Millionen.
Damit erfüllte die Sparkasse die Eigenkapitalvorschriften der europäischen Bankenaufsicht. Bei der ebenfalls kriselnden Bank Monte dei Paschi di Siena (MPS), die 2017 durch eine staatliche Kapitalspritze von 6,9 Milliarden Euro vor dem Konkurs gerettet wurde, ist womöglich eine erneute staatliche Rettungsaktion notwendig. Schon bei der damaligen Rettungsaktion verlor der Steuerzahler nach derzeitigem Stand mehr als fünf Milliarden Euro, weil der Wert des dabei erworbenen Staatsanteils von 68 Prozent an der Börse seither massiv gesunken ist.
Auch für einige Volksbanken gibt es neue Pläne, weil sie massiv gefährdet sind, etwa die Popolari di Bari. Die noch etwa 280 Raiffeisen- und Genossenschaftsbanken (Geno) sollten zunächst zu drei größeren Einheiten zusammengefasst werden: Eine für die 39 Raiffeisenbanken Südtirols, eine für den Norden und Osten des Landes und eine für die Mitte und den Süden.
Nur vier bis fünf größere Banken könnten überleben
Die Reform ist jedoch in letzter Minute geändert worden. Die Institute werden nun nicht mehr gezwungen, unter ein Dach zu schlüpfen und ihre Autonomie aufzugeben. Alternativ könnten sie in einen losen Haftungsverbund eintreten. Und Gerhard Brandstätter, Präsident der Südtiroler Sparkasse und Vizepräsident der mächtigen Bankenstiftungen (Fondazioni) Acri, plädiert dafür, für die nur noch zehn Sparkassen im Land Synergien durch Partnerschaften und Kooperationen zu realisieren.
„Wenn die Erträge erodieren, müssen die Kosten weiter reduziert werden“, meint Hünseler. Die Institute haben zuletzt massiv Personal abgebaut und Filialen geschlossen. Der frühere Wirtschaftsminister Corrado Passera glaubt, dass von den derzeit vielen hundert Banken nur vier bis fünf größere und etwa 70 regionale Bankengruppen übrig bleiben.
Allein die Rettung der beiden venezianischen Institute Veneto Banca und Popolari di Vicenza kostete den Staat 20 Milliarden Euro: die faulen Kredite wurden in eine Bad Bank ausgegliedert und die Großbank Intesa Sanpaolo erhielt für die Übernahme der beiden Institute eine „Mitgift“ von fünf Milliarden Euro. Zwei weitere Banken gingen an Ubi Banca, drei den französischen Crédit Agricole.
Gerhard Bläske