Urheberrechtsreform: In falschen Händen ein gefährliches Werkzeug
Wenn Staat und Firmen gemeinsam Web-Inhalte steuern, ist die Demokratie in Gefahr. Das ermöglicht die Reform. Sie darf nicht beschlossen werden. Ein Kommentar.
Die Urheberrechtsreform ist kein Fortschritt, sondern eine Gefahr. Die Neuerungen, auf die sich die EU-Mitgliedstaaten am Mittwoch geeinigt haben, sind noch nicht beschlossen, und es könnte gut sein, dass sie es auch nicht werden, denn die Kritik daran wird lauter.
Worum geht es? Das Urheberrecht ist seit langem auf die Bedürfnisse der Verlage zugeschnitten. In den vergangenen Jahren ist aber im Internet viel passiert: Datengiganten wie Google liefern Zeitungsausschnitte als Treffer und zahlen nicht dafür an die Rechteinhaber. Zugleich werden täglich Videos hochgeladen, die ebenfalls Urheberrechte berühren. Die Reform will nun zweierlei: Die Profite der Vermarkter kreativer Leistungen sichern und unerlaubte Uploads verhindern.
Staat und Wirtschaft steuern gemeinsam den Content
Täglich werden im Augenblick 576.000 Stunden Videomaterial auf Youtube hochgeladen. Das Durchforsten dieser Contentmenge per Hand ist ausgeschlossen. Daher haben Dienste wie Youtube bereits erheblich investiert, um Systeme zum Schutz der finanziellen Ansprüche der Kreativitätsvermarkter zu schaffen.
Die EU beabsichtigt aber offenbar etwas anderes, denn die Mitgliedsstaaten sollen durch das neue Gesetz verpflichtet werden, die betroffenen Unternehmen in einen „stakeholder dialogue“ einzubinden, in dem die staatlichen Autoritäten die Umsetzung der Vorschriften mitbestimmen können.
Böswillig könnte man sagen: Hier rufen die dieses Gesetz unterstützenden Parteien die jetzigen Viktor Orbans, die katholisch-reaktionäre Regierung in Polen und alle zukünftigen weniger gutmeinenden Regierungen auf, das System der Content-Kontrolle in schöner Eintracht mit den wirtschaftlich Mächtigen zu perfektionieren und zu nutzen.
Demokratie in Gefahr
Die historische Blindheit der Propagandisten dieser Art von betreuter Freiheit lässt verzweifeln: Entweder hat die Reflektion der beiden deutschen Diktaturen – die vor Glück in Ohnmacht gefallen wären, hätten sie eine solche Infrastruktur der Herrschaft bei Machtübernahme geliefert bekommen – in den Köpfen der Beteiligten nie stattgefunden, oder man muss ihnen unterstellen, das sie ein aktives Interesse daran haben, die Werkzeuge der Repression jetzt bereitzustellen, weil sie „fürchten“, sie zu einem späteren Zeitpunkt nutzen zu müssen.
Dabei wird geschickt über Bande gespielt; die angeblichen Interessen einer Gruppe (Künstler und Autoren) werden zum Anlass genommen, die eigene Sache zu befördern. Es handelt sich also nur auf der Oberfläche um den Krieg herkömmlicher Verwerter menschlicher Kreativität (Verlage) gegen neue Profiteure derselben (Internet-Plattformen), in dem die Kräfte der Beharrung, maßgeblich die Zeitungsverlage, derzeit die Nase vorn haben. In der Hand der falschen Leute handelt es sich auch um ein Instrument, das aufmüpfige Volk in die Schranken zu weisen – und damit um eine Gefahr für die Demokratie.
Fatina Keilani