Leistungsschutz und Uploadfilter: EU einigt sich auf Reform des Urheberrechts
Mit einem neuen Leistungsschutzrecht und der Einführung von Uploadfiltern will die EU Verlage stärken. Die Reform ist umstritten. Kippt sie noch?
Presseverlage in der EU sollen künftig gegenüber Nachrichten-Suchmaschinen wie Google News deutlich gestärkt werden. Unterhändler der EU-Staaten und des Europaparlaments einigten sich am Mittwoch in Straßburg vorläufig auf eine Reform des EU-Urheberrechts inklusive Leistungsschutzrecht, wie der Verhandlungsführer des Parlaments, Axel Voss (CDU), der Deutschen Presse-Agentur sagte. Die Portale sollen für das Anzeigen von Artikel-Ausschnitten in ihren Suchergebnissen künftig Geld an die Verlage zahlen.
Die Einigung vom Mittwoch muss in den kommenden Wochen allerdings noch vom Parlament und den Staaten der Europäischen Union bestätigt werden. Weil die Debatte so aufgeladen ist, könnte die Reform hier noch scheitern. Stimmen beide Seiten zu, haben die EU-Länder zwei Jahre Zeit, die neuen Regeln in nationales Recht umzuwandeln.
Die Copyright-Reform war 2016 vom damaligen EU-Digital-Kommissar Günther Oettinger vorgeschlagen worden und soll das Urheberrecht ans digitale Zeitalter anpassen. Monatelang gab es heftige Diskussionen.
Neben der Einführung des Leistungsschutzrechts nimmt die Einigung vom Mittwoch in Artikel 13 auch Plattformen wie YouTube stärker in die Pflicht. Sie müssen künftig alles ihnen Mögliche tun, um Urheberrechtsverletzungen auf ihren Seiten zu verhindern. Geschützte Werke müssten demnach lizenziert werden, bevor sie auf den Plattformen landen - oder dürften nicht hochgeladen werden. Kritiker warnen, dass die Plattformen dadurch gezwungen seien, Uploadfilter einzuführen.
Dabei handelt es sich um eine Software, mit der Internet-Plattformen schon beim Hochladen überprüfen können, ob Bilder, Videos oder Musik urheberrechtlich geschützt sind. Gegner bemängeln, Upload-Filter seien fehleranfällig und könnten - als Beifang - auch Inhalte wie Parodien oder Zitate blocken, die eigentlich legal sind. Dies sei letztlich Zensur. Unternehmen, die jünger als drei Jahre sind, einen Jahresumsatz von weniger als zehn Millionen Euro haben und unter fünf Millionen Nutzer im Monat, sollen von Artikel 13 ausgenommen werden.
Kleine Verlage und Websites fürchten um ihre Reichweite
Umstritten war auch das Leistungsschutzrecht. Befürworter argumentierten, dass Plattformen wie Google News derzeit gar kein Geld an die Verlage zahlen, obwohl sie große Mengen ihrer Nachrichten nutzten. Vor allem kleine Verlage und Nachrichtenseiten äußerten jedoch Bedenken, weil sie auf die Reichweite angewiesen sind.
Die Einigung sieht nun vor, dass die Nachrichten-Suchmaschinen weiterhin Hyperlinks, einzelne Worte und kurze Textausschnitte anzeigen dürfen. Das Veröffentlichen von Überschriften oder ganzen Sätzen ist verboten.
Der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger und der Verband Deutscher Zeitschriftenverleger sehen in der Einigung zum EU-Urheberrecht eine „große Chance für unabhängigen Journalismus in der digitalen Ära“. Die neue Regelung biete Verlagen erstmals die Chance, mit den großen Tech-Plattformen über die Nutzung ihrer Inhalte zu einem fairen Preis zu verhandeln, heißt es in einer Mitteilung. „Dieses Recht wird digitale Innovationen fördern und die Vielfalt professioneller digitaler Medienangebote deutlich erhöhen.“
"Guter Tag" oder "Hemmnis für Digitalisierung"?
Die beiden Verbände fuhren fort, die Urheberrechtsreform setze einen wichtigen globalen Standard für journalistische Vielfalt und unabhängige Berichterstattung: „Dies ist ein guter Tag für die Meinungs- und Pressevielfalt in Europa und der Welt.“
Der Verhandlungsführer des Parlaments, Axel Voss (CDU), zeigte sich erleichtert. „Digitaler Urheberrechtsschutz beendet endlich das Wildwest im Internet, bei dem die Rechteinhaber bisher oft untergebuttert werden“, sagte Voss. „Den neuen Realitäten und Geschäftsmodellen des digitalen Zeitalters können wir jetzt gerecht werden.“
Auch die Rechteverwertungsgesellschaft Gema lobte die Einigung. „Dank der Richtlinie müssen Online-Plattformen Urheber für die Nutzung ihrer Werke endlich fair bezahlen“, erklärte der Gema-Vorstandsvorsitzende Harald Heker. „Das ist seit Jahren überfällig.“
Scharfe Kritik kommt von den Grünen
Harsche Kritik an dem Vorhaben kam von den Grünen. Selbst kleine Internetanbieter sollten verpflichtet werden, sogenannte Uploadfilter zu verwenden, um urheberrechtlich geschützte Inhalte herauszufiltern, betonte die Vize-Chefin der Grünen-Fraktion im EU-Parlament, Julia Reda. Die Reform sei eine "Gefahr für kleine Verlage, Autoren und Internetnutzer". Insgesamt sei sie ein "Angriff auf das kostenlose Internet".
Kritisch äußerte sich auch der SPD-Abgeordnete Tiemo Wölken. Algorithmen seien nicht in der Lage, eine Urheberrechtsverletzung von einer legalen Verwendung von geschützten Werten zu unterscheiden. Der Vorsitzende des Ausschusses Digitale Agenda im Deutschen Bundestag, Jimmy Schulz (FDP), warnte, der Kompromiss zu den Uploadfiltern "gefährdet das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung".
Auch die Piraten-Europapolitikerin Julia Reda warnte: „Dieser Deal ist eine Gefahr für kleine Verlage, Autoren und Internetnutzer gleichermaßen.“ Und der Verband der Digitalwirtschaft, Eco, warnte, die Reform werde zum „Hemmnis für die Digitalisierung in Europa“.
Für die Reform, die das Urheberrecht dem digitalen Zeitalter anpassen soll, hatten zahlreiche Medien in ganz Europa, aber auch Kulturschaffende geworben, unter ihnen bekannte Künstler wie Paul McCartney. Die Internet-Riesen und Lobby-Verbände der Digitalwirtschaft hatten dagegen mobil gemacht. Unterstützt wurden sie von Internet-Aktivisten. Die Gegner der Reform sehen darin eine Gefahr für das "freie Internet" und warnen vor einer Zensur von Inhalten durch Plattformen.
Die Debatte zum neuen Urheberrecht
Warum Google und Co. für Inhalte zahlen sollten – ein Pro.
Warum ein Leistungsschutzrecht für Verleger keine Probleme löst – ein Contra. (dpa, AFP)