zum Hauptinhalt
Klimasünde? Der Preis im Laden spiegelt nicht die wahren Kosten wider.
© imago/Aurora Photos

Rockström korrigiert sich erneut: In einem Steak stecken nicht 70 Liter Erdöl

Der Potsdamer Klimaforscher hat sich verrechnet. Es sind sechs bis 30 Liter, sagt er jetzt. Wie schädlich ist Fleisch denn nun wirklich für das Klima?

70 Liter Erdöl, um ein Steak zu produzieren? Johan Rockström, Co-Chef des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) hatte diese Zahl kürzlich im Tagesspiegel-Interview aufgeworfen.

„Wenn Sie auf das Stück Rind auf Ihrem Teller schauen, stellen Sie sich daneben noch ein Fass mit 70 Litern Öl vor, die verbraucht wurden, weil für die Rinderhaltung Regenwälder abgeholzt werden, um Tierfutter wie Soja anzubauen“, hatte der Schwede gesagt. Hinzu kämen Dünger, der Einsatz von Treckern, Pflügen, Lastern oder Fliegern für den Transport und Plastik für die Verpackung.

Falsch gerechnet: Fürs Klima ist Fleisch nicht gut, sagt Johan Rockström, aber ganz so schlimm wie es der Wissenschaftler im Tagesspiegel-Interview gesagt hatte, sind die Klimaschäden dann doch nicht.
Falsch gerechnet: Fürs Klima ist Fleisch nicht gut, sagt Johan Rockström, aber ganz so schlimm wie es der Wissenschaftler im Tagesspiegel-Interview gesagt hatte, sind die Klimaschäden dann doch nicht.
© picture alliance / dpa

Müsste ein Steak nicht mindestens 30 Euro kosten?

Rockströms Rechnung hatte eine heftige Debatte ausgelöst. Leser hatten sich gewundert und nachgerechnet: Wenn ein Barrel Öl (159 Liter) derzeit knapp 70 Dollar kostet, müsste das Steak dann nicht mindestens 30 Euro teuer sein? Die Zweifel waren berechtigt. Nun hat sich Rockström korrigiert. Er habe nicht das gesamte Steak gemeint, sondern nur die darin enthaltenen Proteine, ließ er wissen. 100 Gramm Rindfleisch enthalten 26 Gramm Eiweiß.

Die Klimafolgen, die etwa mit dem Abholzen der Wälder für den Sojaanbau verbunden sind, entsprächen bei der Gewinnung von 300 Gramm Rindfleischprotein 70 Litern Öl. Für ein 300-Gramm-Steak, das neben Protein aber auch zahlreiche weitere Bestandteile enthält, wären es umgerechnet sechs bis 30 Liter Öl, räumte das Institut am Montag auf Tagesspiegel-Anfrage ein.

Die Spanne hängt von der Herkunft und der Haltung des Tiers ab, sagt Rockström. Doch auch wenn sich das Institut für den Rechenfehler entschuldigt, hält man in Potsdam an der Kernaussage fest: Die Umweltauswirkungen des Rindfleischkonsums bergen „ernste Risiken für die Menschheit“.

WWF: Regenwälder werden abgeholzt

Das sehen auch Umweltschützer so. Um Soja als Tierfutter anzubauen, würden Regenwälder abgeholzt, warnt der WWF. Von 2000 bis zum Jahr 2010 seien in Südamerika 24 Millionen Hektar Land zu Ackerflächen umgewandelt worden. Einzigartige Lebensräume gingen verloren, fruchtbarer Boden werde zerstört.

Soja statt Regenwald: Umweltschützer schlagen Alarm.
Soja statt Regenwald: Umweltschützer schlagen Alarm.
© Roberto Perra/dpa

Ist tatsächlich der Burger auf dem Grill in Berlin oder Bremen Schuld daran, dass Wälder in Brasilien gerodet werden?

Die deutschen Bauern weisen das zurück. 80 Millionen Tonnen Futter bekommen ihre Nutztiere im Jahr, davon wachsen 70 Millionen auf den Feldern und Weiden in Deutschland, sagt der Deutsche Bauernverband. Statt Soja würden die Tiere heute verstärkt heimischen Raps als Eiweißfuttermittel bekommen. So seien die Soja-Importe für das Viehfutter von 2007 bis 2017 um eine Million Tonnen auf 3,8 Millionen Tonnen gesunken. Und: Das Soja sei weniger für die Rinder, sondern vor allem für Geflügel und Schweine gedacht.

Wie sehr die Produktion von Fleisch dem Klima und den Ökosystemen schadet, komme auf die Ernährung und die Haltung der Tiere an. "Werden Rinder im Stall gehalten und mit importiertem Kraftfutter gefüttert, trägt das deutlich zum Klimawandel bei", sagt Katrin Wenz, Agrarexpertin beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND).

Völlig anders ist es aber, wenn das Rind auf der Weide steht. Denn dann hält es das Grünland intakt, berichtet Wenz. „Dauergrünland speichert im Boden große Mengen Kohlenstoff. Durch die nachhaltige Beweidung wird die Humusbildung gefördert. Das entlastet die Atmosphäre“, so Wenz. Das Rind als Klimaschützer? „Fleisch ist nicht per se klimaschädlich, sondern es ist davon abhängig, wie es erzeugt wird“, betont Bernhard Krüsken, Generalsekretär des Bauernverbands.

Generell essen die Bundesbürger aber heute ohnedies weniger Fleisch als früher. 1970 verzehrte statistisch gesehen jeder noch 80 Kilogramm, im vergangenen Jahr waren es 60,2 Kilogramm. In dieser Größenordnung bewegt sich der Fleischkonsum seit langem. Allerdings gibt es Veränderungen bei den Vorlieben. Die Nachfrage nach Rind und Geflügel steigt, die nach Schwein sinkt.

Umweltbundesamt: Veganer und Vegetarier helfen dem Klima

Beim Umweltbundesamt würde man sich wünschen, dass mehr Menschen ganz auf Fleisch verzichten. Verglichen mit einem durchschnittlichen Bundesbürger würde ein Vegetarier seine Treibhausgasemissionen um 40 Prozent reduzieren, ein Veganer sogar um 60 Prozent, hat die Behörde ausgerechnet.

Um ein Kilo Rindfleisch zu erzeugen, fallen sieben bis 28 Kilogramm Kohlendioxidäquivalente an, bei einem Kilo Butter sind es rund 24 Kilogramm. Ein Veggie-Day in der Woche in Deutschland würde rund 687.000 Tonnen Fleisch und 3,5 Millionen Tonnen Kohlendioxid sparen. „Das entspricht der Jahresleistung von 1,5 Millionen Pkw“, schreibt das Umweltbundesamt auf Tagesspiegel-Anfrage.

Zur Startseite