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In der Krisen ist pragmatisches Handeln gefragt. Laut Hübner hat das bisher auch gut geklappt.
© Oliver Berg/dpa

Baubranche in den Hochwassergebieten: "In einem halben Jahr sollten die Menschen wieder einigermaßen normal leben können"

Baumaterialien sind knapp wie nie. Wie der Wiederaufbau gelingen soll, erklärt der Präsident der Bauindustrie und Strabag-Vorstand Peter Hübner im Interview.

Herr Hübner, die Baubranche boomt seit mehr als zehn Jahren, der Auftragsbestand ist hoch wie nie, bestimmte Materialien sind knapp. Kann der Wiederaufbau in den Hochwassergebieten trotzdem zügig erfolgen?
Im Augenblick wird noch der Müll weggeräumt, das sind riesige Mengen, die thermisch verwertet werden müssen. Aber es geht unglaublich schnell voran, und ich bin optimistisch, dass wir den Wiederaufbau rasch anpacken.

Wie lange wird es dauern, bis die Infrastruktur repariert ist?
Zwei oder drei Jahre dürfte sich das hinziehen, das zeigen die Erfahrungen in anderen Hochwassergebieten. In einem halben Jahr sollten die Menschen aber wieder einigermaßen normal im Ahrtal leben können, auch die wichtigsten Straßen dürften bis Ende des Jahres hergerichtet sein. Bei manchen Brücken und auch Bahntrassen braucht es natürlich mehr Zeit. Grundsätzlich ist in den nächsten Monaten auch die öffentliche Verwaltung gefragt, Planung und Genehmigung müssen schneller als normal erfolgen. Aufträge sollten freihändig und ohne langwierige Ausschreibungsverfahren vergeben werden.

Hat die Bauindustrie überhaupt die Kapazitäten, um in den nächsten Wochen im Katastrophengebiet Straßen zu bauen?
Wir schaffen das, indem wir größere Baustellen nach Absprache und im Einvernehmen mit den Auftraggebern für eine gewisse Zeit einstellen und dadurch Ressourcen frei bekommen für Arbeiten im Katastrophengebiet.

Und die Zusammenarbeit mit den Behörden vor Ort funktioniert?
Ja, sogar extrem gut. Das ist schon erstaunlich, was im Krisenmodus an pragmatischem Handeln möglich ist. Diese Erfahrungen haben wir auch in der Pandemie gemacht. Als Präsident der Bauindustrie hatte ich so viel Kontakt zur Politik wie noch nie, und die Zusammenarbeit war ausgezeichnet.

Dann können wir also Krise?
Im Katastrophenfall sind wir gut. Aber es hätte natürlich, das Hochwasser betreffend, gar nicht dazu kommen dürfen. Was im Ahrtal passiert ist, darf in Deutschland nicht passieren. Mitten in Deutschland sterben mehr als 180 Menschen, das ist unerträglich.

Wie problematisch wird die Materialknappheit für den Wiederaufbau sein?
Es gibt Material, aber das ist deutlich teurer geworden, der Holzpreis zum Beispiel ist um mehr als 100 Prozent gestiegen. Wir merken aber, dass es sich allmählich wieder normalisiert.

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Wie erklären Sie die Preisexplosion?
In der Corona-Pandemie sind Lieferketten zum Teil unterbrochen worden und es braucht Zeit, bis es wieder reibungslos läuft. Dazu kommen unsere Qualitätsansprüche. Wenn eine Dachlatte einen Flecken hat, wird sie gleich als Schadholz zur Seite gelegt. Das muss nicht sein. Und es gibt natürlich große Holzkontore, die das Holz aufkaufen und Preispolitik betreiben.

In der ersten Jahreshälfte sind die Baufirmen noch ganz gut zurechtgekommen mit den steigenden Preisen der Vorprodukte, doch für das zweite Halbjahr sind viele skeptisch. Gibt es doch noch einen Rückschlag für die Konjunktur?
Im Augenblick merken wir das noch nicht. Die Sorge eines Rückschlags besteht, doch die realen Zahlen spiegeln das nicht wider. Die Preissteigerungen müssen am Ende die Kunden tragen, das Häuslebauen wird teurer.

Dabei sind die Wohnungsbaupreise bereits im letzten Jahr um mehr als sechs Prozent gestiegen.
Das hat natürlich auch mit dem steigenden Komfort zu tun und den Vorschriften. Und nicht nur Holz ist teurer geworden, auch Stahl, Bitumen und Kunststoffrohre. Bei langfristigen Verträgen müssen die Baufirmen die Preissteigerungen verkraften. Das geht dann auf die Margen, die ohnehin nicht sehr groß sind in unserer Branche. Alles in allem machen die steigenden Preise das Bauen sicher schwieriger, doch unsere Leistung wird das nicht wesentlich beinträchtigen.

Im Gegensatz zu anderen Branchen hat die Bauwirtschaft kaum Probleme, Nachwuchs zu bekommen. Liegt das an der relativ hohen Ausbildungsvergütung?
Nicht nur. Wir bilden auch gut aus. Und man muss sich bemühen um die jungen Leute. Viele Unternehmen haben eigene Ausbildungszentren neben den überbetrieblichen Ausbildungsstätten. Lehrlingsausbildung kostet Geld und Mühe - aber es lohnt sich. Corona macht es allen schwer, weil es keine Ausbildungsmessen und überhaupt Zusammenkünfte gibt. Man muss dann eben einfach die Schilder hochhalten und in die Schulen gehen und auf sich und seinen Betrieb aufmerksam machen.

Die Strabag bekommt jeden Ausbildungsplatz besetzt?
Ja, wir haben gut 15.000 Beschäftigte in Deutschland und eine Ausbildungsquote von rund acht Prozent. Viel mehr ist nicht möglich. .

In ein paar Wochen wird gewählt. Welche Erwartungen hat die Bauindustrie an die neue Bundesregierung?
Wir befürchten, dass den Kommunen das Geld ausgeht. Rund zwei Drittel der öffentlichen Investitionen werden von Städten und Gemeinden veranlasst. Wenn die Kommunen nicht mehr investieren können, schlägt das sofort durch auf die Bauwirtschaft. Ohne Unterstützung vom Bund und von den Ländern wird es nicht gehen.

Bis die Infrastruktur wieder aufgebaut ist, werden wohl Jahre vergehen.
Bis die Infrastruktur wieder aufgebaut ist, werden wohl Jahre vergehen.
© imago images/Future Image/C. Hardt

SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz schlägt eine Entschuldung der Kommunen vor.
Davon halte ich nichts. Die Kommunen sollten vielmehr zweckgebunden unterstützt werden. Nach der Pandemie werden wir behutsamer mit dem Geld umgehen müssen als in den vergangenen anderthalb Jahren.

Aber fast alle Parteien wollen die öffentlichen Investitionen in Infrastruktur und Klimaschutz deutlich erhöhen.
Investitionen in die Zukunft sind ja richtig. Ich warne aber vor Allmachtsfantasien der Politiker, die ja auch oft an den Bedürfnissen der Bevölkerung vorbeigehen. Der Staat kann sich auch selbst überfordern.

Sollte der Staat Wohnungen bauen?
Eher die Infrastruktur. Die Wohnungssituation in den großen Städten ist ja inzwischen unsozial, weil viele Menschen die Miete nicht zahlen können. Wir sagen immer, „Bauen, bauen, bauen“, doch in den Städten kann man fast nicht mehr bauen. Also müssen die Wohnungen auf dem Land entstehen, wo dann wiederum Straßen und Schienen hinführen müssen.

In der Industrie ist viel die Rede von Transformation und Digitalisierung. Wie innovativ ist eigentlich die Bauwirtschaft?
Die großen Maschinen werden heutzutage mit Sticks bedient wie ein Flugzeug. Lieferketten sind komplett vernetzt. Jeder Lkw, der von der Asphaltmischanlagen kommt, ist getrackt. Auf einem Display kann der Fahrer sehen, wie schnell er fahren sollte, um punktgenau und ohne Stopps am Ziel anzukommen. Es gibt inzwischen Einkaufsportale, wo man per Mausklick die Rohstoffe auf den Lkw holt. Was immer noch ziemlich analog läuft, ist die Kommunikation mit den Auftraggebern, häufig in der öffentlichen Verwaltung. Aber die Pandemie hat auch hier Fortschritte gebracht.

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