Bauindustrie-Chef warnt vor Rezession: „Berlins Politik arbeitet gegen die Bauwirtschaft“
Dem Baugewerbe droht ein Einbruch, sagt Verbandschef Momberg. Er wirft dem Senat vor, U-Bahn-Bau aus Ideologie abzulehnen und Projekte zu verschleppen.
Herr Momberg, wie ist die Stimmung in der Bauindustrie im ersten Quartal der Coronakrise?
Relativ gut. Wir können arbeiten. Die Leute sind draußen. Fast alles wird weitergebaut. Die Unternehmen sind nicht in der Krise. Aber der Corona-Einschlag kommt in ein paar Monaten.
Ein Zusammenbruch mit Ansage. Warum?
Weil der Fiskus 100 Milliarden Euro weniger Steuereinnahmen erwartet. Und der Bau ist zum großen Teil abhängig von öffentlichen Aufträgen. Ohne Einnahmen muss die Öffentliche Hand Investitionen streichen, weil Sozialleistungen und andere konsumptive Ausgaben nicht gestoppt werden können. Das zweite Indiz für den Einbruch ist, dass viele Menschen in Kurzarbeit sind und weniger Einkommen haben oder erwarten. Da baut keiner ein Eigenheim oder kauft eine Wohnung. Und im dritten Umsatzbereich, dem Wirtschaftsbau, werden die die Firmen Investitionen zurückstellen, weil die Wirtschaftsweisen die größte Rezession der Nachkriegszeit voraussagen. Wer baut schon eine Fabrik oder ein Lager, wenn er nicht weiß, ob er noch seine Produkte loswird.
Und in Berlin beklagen Sie außerdem noch eine „ideologische Bauverhinderungspolitik“. Was meinen Sie damit?
Dass die Politik nicht für, sondern gegen die Bauwirtschaft arbeitet. Nehmen wir den Verkehrsbau zum Beispiel. Da gibt es die Vision einer autofreien Stadt, und deshalb wird der Ausbau der Tram ideologisch gesetzt. Die Verlängerung von U-Bahn-Linien wird nicht einmal offen diskutiert. Die U-Bahn ist ein perfekter Verkehrsträger, es gibt keine Kreuzungen, keine Emissionen, und sie verbraucht keine Flächen in der Stadt, um die Fußgänger, Radfahrer und Autos ohnehin schon kämpfen.
Dennoch setzt der Senat ausschließlich auf den Ausbau der Straßenbahn. Dabei haben wir in Berlin geballte Kompetenz im U-Bahn-Bau durch den Ausbau der Kanzlerbahn U5. Auf dieselbe Weise könnte die U7 bis zum BER weitergebaut werden oder die U9 nach Pankow raus, um die überfüllten Busse und Straßen dort zu entlasten. Warum gibt es kein politisches Bekenntnis dazu, wenigstens Planungsmittel in den Haushalt einzustellen, um diese Möglichkeiten zu prüfen?
Dafür meldeten die Statistiker mehr fertiggestellte Objekte. Erfolg oder nicht?
Mehr Genehmigungen heißt noch lange nicht, dass die Wohnungen auch gebaut werden. Wenn sich Paare scheiden lassen oder Arbeitslosigkeit kommt, wird das geplante Eigenheim nicht errichtet. Und Unternehmen holen oft pauschal mal Genehmigungen für den Bau von Miethäusern auf Vorrat ein, warten dann aber den besten Zeitpunkt für die Errichtung ab. Wegen des Mietendeckels werden jetzt viele nicht bauen, weil die Einnahmen sinken und dem Senat nicht mehr vertraut wird. Viele fürchten, dass der Deckel länger bleibt als fünf Jahre und noch mal nachgeschärft wird, weil sich die Wohnungsnot vergrößern wird.
Das Berlin-Bashing ist auch dabei?
Nein, die vielen spontanen, oft nicht berechenbaren Vorstöße der Berliner Politik verunsichern die Bau- und Wohnungswirtschaft. Seit nicht mal einem Monat gibt es eine weitere Verschärfung des Vergabegesetzes. Schon davor war die Vergabe öffentlicher Aufträge in Berlin durch die baufeindlichsten Regulierungen stark gegängelt. Das sagen Unternehmen unseres Verbandes aus den vier neuen Bundesländern mehrheitlich. Das neue Gesetz hat ein paar Kleinigkeiten verbessert, aber dafür ganz viele Regulierungen draufgepackt.
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Dabei hat die vergebliche Ausschreibung für den Bau von Kitas gezeigt, dass unter diesen Umständen viele Unternehmen überhaupt keine öffentlichen Aufträge mehr haben wollen. Und jetzt kommen Vorschriften noch dazu wie die, dass man die Verwendung von Ökostrom nachweisen muss. Das macht Bauen noch komplexer und vor allem teurer.
Das ist ein Detail und kommt der Umwelt zugute.
Ja, und dazu leisten wir auch unseren Beitrag. Ein weiteres Beispiel: Die aktuelle Novellierung der Bauordnung kommt zu einem Zeitpunkt, wo sich alle Corona entgegenstellen mit Milliarden-Programmen und Lockerungen, um dem Zusammenbruch vorzubeugen. Nur Berlin kümmert das nicht und gewährt stattdessen längere Fristen für die Erteilung von Baugenehmigungen. Dabei dauert es in Berlin ohnehin schon am längsten im Vergleich der vier neuen Länder unserer Mitgliedsunternehmen.
In einer Umfrage beklagen die auch die schleppende Verwaltung. Weshalb konkret?
Der ärgerlichste Vorgang ist schon lange die Verkehrsrechtliche Anordnung in Berlin. Die braucht jeder Betrieb, um Anordnungen zur Sperrung von Baustellen zu bekommen. Die Erteilung durch die Abteilung für Verkehrsmanagement dauert inzwischen bis zu zwei Jahre. Das ist nur ein Beispiel. Die Bürokratiebelastung ist in Berlin durchweg größer als in allen anderen Bundesländern. Alle sind bereit zu bauen, müssen aber deshalb jahrelang warten. Und weil es so lange dauert, ist das Bauen in Berlin teurer als anderswo.
Bauen ist teurer wegen der Verwaltung?
Wegen der Verwaltung und der politischen Ideologie. Das Vergabegesetz macht Bauen teurer. Und der Mietendeckel macht Bauen teurer. Jeder dieser Eingriffe führt zu höheren Kosten. Und dieses Geld steht nicht zur Verfügung für den günstigen Wohnungsbau beispielsweise.
Reicht es denn nicht, wenn die sechs landeseigenen Unternehmen bauen? Die liefern schließlich Wohnungen zu niedrigen Mieten ab und bauen so viel wie seit Jahrzehnten nicht?
Wenn die Kosten höher sind als die Mieten für deren Finanzierung, stellt sich die Frage, wo kommt das Geld her. Entweder aus der Substanz, die von den Unternehmen zuvor erwirtschaftet wurde. Oder aus Steuermitteln. Aber dann geht es Richtung Planwirtschaft reloaded.
Eine Verstaatlichung des Wohnungsmarktes?
Ja. Der Mietendeckel ist ein Schritt in diese Richtung. Modernisiert wird fast gar nicht mehr, seitdem die Umlage der Kosten dramatisch beschnitten wurde. Und den Mangel an Wohnraum behebt der auch nicht. Politisch lässt sich aber auch das ausschlachten und als Versagen der privaten Marktwirtschaft geißeln.
Aber bisher waren die Mieten immer gestiegen und es gab nur ein großes Angebot teurer Eigentumswohnungen. Ist das wirklich eine Alternative?
Nein, stattdessen müsste der Senat die Bedingungen für den Bau günstiger Wohnungen schaffen. Dafür braucht es gute Rahmenbedingungen: Vergabegesetz, Verkehrslenkung, Mietendeckel, Bauordnung; alles müsste ohne Ideologie entrümpelt werden, damit mehr gebaut werden kann. Ein größeres Angebot führt zu sinkenden Preisen, das wäre das beste Mietpreissenkungsprogramm. Dazu muss man den Markt nicht dem freien Spiel der Kräfte überlassen.
Werden in Berlin genügend Straßen gebaut und andere öffentliche Bauaufträge erteilt?
Nein, in Berlin beträgt die Bauinvestitionsquote drei Prozent. In anderen Ländern ist sie doppelt so hoch. Berlin gibt mehr Geld in die Sozialausgaben und die Ausstattung der Verwaltungen als in Investitionen, die langfristig Rendite abwerfen. Im Verkehr gibt es einen Investitionsstau in Höhe von 1,4 Milliarden Euro. So viel Geld wäre notwendig, um die Infrastruktur instand zu halten. Berlin stellt nur ein Drittel davon zur Verfügung – beispielsweise in Erhaltung, Sanierung und bedarfsgerechten Ausbau von Straßen. Dem Senat ist es wichtiger, mehr in den Sozialhaushalt als in Investitionen zu geben. Kostenfreie Kitas sind schön und wichtig, aber dafür steht man ewig auf kaputten Straßen im Stau.
Robert Momberg ist Hauptgeschäftsführer des Bauindustrieverbandes Ost. Er vertritt 260 Unternehmen mit rund 20.000 Beschäftigten in Berlin, Brandenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt.
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