Bewertung von Immobilien: Zeit zum Umsteuern
Viele Kommunen erhöhen 2016 ihre Grundsteuern um bis zu 25 Prozent. Berlin ist eine große Ausnahme. Eine Neuordnung der Bewertungsgrundlagen steht aber bundesweit an.
Die Grundsteuer ist die wichtigste Einkommensquelle einer Stadt, Kommune oder Gemeinde. Diese Steuer, auch Bodenzins genannt, ist eine Steuer auf das Eigentum an Grundstücken und somit vom Eigentümer zu bezahlen.
Aufgrund ihrer Finanznöte drehen einige Städte und Gemeinden erneut an dieser Schraube: Zahlreiche Bürger müssen sich im kommenden Jahr auf eine höhere Grundsteuer B einstellen, die auf nicht-landwirtschaftliche Grundstücke erhoben wird. Landwirtschaftliche Grundstücke fallen unter die Grundsteuer A.
„Die vergangenen Jahre geben Anlass zur Sorge, dass sich die Hebesatz-Spirale bei der Grundsteuer weiter dreht.“, sagt der Präsident des Bundes der Steuerzahler, Reiner Holznagel. Das Grundsteueraufkommen liegt in Deutschland derzeit bei rund 13 Milliarden Euro.
Unter den Großstädten findet sich zum Beispiel Wilhelmshaven im kommenden Jahr mit einer Steigerung um 25 Prozent an der Spitze, gefolgt von Bochum (24 Prozent) und Mönchengladbach (23 Prozent). Bremen – in den vergangenen Jahren ohne Steigerungen bei der Grundsteuer – plant Presseberichten zufolge eine Erhöhung um 20 Prozent, Bremerhaven um 22 Prozent. Leverkusen wolle den Steuersatz um 10 Prozent heraufsetzen, Wiesbaden und Paderborn jeweils um 4 Prozent .
Bochum wird mit einem Hebesatz von 800 Prozent künftig neben Duisburg und Berlin zu den Städten mit der höchsten Grundsteuer gehören, so die Berichte. Vor allem in Nordrhein-Westfalen wollten auch viele kleine Gemeinden ihre Grundsteuern anheben. Wird Berlin die Grundsteuer auch noch einmal erhöhen?
Berlin liegt nominal bei der Grundsteuer an der Spitze
„Bei den Gemeindesteuern scheint es nur eine Richtung zu geben und zwar nach oben, trotz der insgesamt guten wirtschaftlichen Entwicklung mit sprudelnden Steuereinnahmen auf allen staatlichen Ebenen. Das darf so nicht weitergehen", kritisierte DIHK-Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben.
DIHK-Sprecherin Petra Blum sagt auf Anfrage, sie habe aus Berlin „noch nichts läuten hören“. Der Sprecher der Berliner Finanzverwaltung, Jens Metzger, beruhigt: „Wir möchten mit dem auskommen, was wir haben.“ Ein Erhöhung sei im aktuellen Haushalt „nicht geplant“, auch nicht mit Blick auf die überschaubaren kommenden Planungszeiträume.
Im übrigen, so der Sprecher auf Anfrage weiter, stimme es zwar, dass Berlin nominal bundesweit bei der Grundsteuer B an der Spitze liege. „Doch bei der Pro-Kopf-Belastung liegen viele westdeutsche Städte vor uns“, sagt Metzger.
Eine Reform der Grundsteuer ist – nicht nur in Berlin – seit Langem überfällig. Alle Bemühungen, dafür eine zeitgemäße und vor allem einfachere Bemessungsgrundlage zu finden, haben in der Vergangenheit zu keinem Erfolg geführt. Ausgangsgröße für die Grundsteuer für circa 35 Millionen Grundstücke in Deutschland sind nach wie vor die auf Grundlage der Wertverhältnisse von 1964 ermittelten „Einheitswerte“. In Teilen von Berlin – in den Ostbezirken nämlich – und in den neuen Bundesländern wird die Bemessungsgrundlage sogar noch nach den Einheitswerten aus dem Jahr 1935 ermittelt.
Die Einheitswerte haben sich aufgrund der zeitlich weit zurückliegenden Bezugspunkte extrem von den realen Werten der Grundstücke entfernt. Die Finanzbehörden versuchten dies durch „Hebesätze“ auszugleichen: Berlin nimmt mit seinem Grundsteuerhebesatz von 810 Prozent bundesweit die Spitzenreiterposition ein, währenddessen sich die Brandenburger Kommunen mit 300 bis 493 Prozent im Mittelfeld etabliert haben.
Der Boden soll künftig die Grundlage sein, nicht die Bebauung
Ob sich durch „Hebesätze“ Gerechtigkeit schaffen lässt? Der Bundesfinanzhof äußerte am 30. Juni 2010 Bedenken, ob die aktuelle Erhebung der Grundsteuer noch dem verfassungsrechtlich verankerten Gleichheitsgebot entspricht. Mehrere Verfahren sind dazu anhängig. Jetzt muss das Bundesverfassungsgericht entscheiden. Weil das System so alt ist, wird eine Reform auf jeden Fall zu erheblichen Umverteilungen bei den rund 11.300 Kommunen, Städten und Gemeinden führen.
„Besteuert werden darf künftig nur noch der Boden“, fordern mit Blick auf die überfällige Reform der Präsident des Deutschen Mieterbundes, Franz-Georg Rips und des Naturschutzbundes Deutschland (NABU), Olaf Tschimpke. Der Größe und der Wert des Grundstücks müsse Maßstab für die Höhe der Grundsteuer sein, nicht mehr die vorhandene Bebauung. Rips und Tschimpke wollen so Anreize schaffen, um teil- und unbebaute Grundstücke zu bebauen, anstelle mit ihnen zu spekulieren. Einig sind sich beide auch darin, dass Investitionen wie Sanierungen, Um-, An- und Ausbauten nicht mit höheren Grundsteuern bestraft werden dürfen.
Die Eigentümervertretung „Haus & Grund“ plädierte in dieser Woche dafür, den Ländern über die Gesetzgebung Mittel in die Hand zu geben, die möglichen Steigerungen der Grundsteuer zu begrenzen. Haus & Grund-Präsident Rolf Kornemann ließ mitteilen: „Die Länder sollten ihren Kommunen Höchsthebesätze vorgeben, damit die Steuerbelastung von Mietern und Eigentümern nicht grenzenlos nach oben getrieben werden kann.“
Reinhart Bünger
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