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Finanzminister Schäuble bei Lektüre der Steuerschätzung 2014
© dpa

Finanzen: Höhere Steuern für klamme Kommunen?

Städte und Gemeinden klagen über leere Kassen. Dabei können sie selbst Steuern erheben. Aber lässt sich an der Schraube noch drehen?

Im Bundesfinanzministerium (auch BMF genannt) hat man die Zahlen möglicherweise mit eher geringer Begeisterung registriert. Im Hause Schäuble agieren die Beamten ja in permanenter Abwehrhaltung gegen die Zumutungen einer feindlichen Außenwelt, wozu neben den Steuerzahlern auch die Länder zählen und nicht zuletzt die Kommunen. Denen reicht bekanntlich allen das Geld nicht. Den Bürgern nicht, weil die Steuern zu hoch sind, den Ländern nicht, weil Schulden, Pensionszahlungen und andere unvermeidliche Lasten die Etats sprengen, und den Städten und Gemeinden, weil Soziallasten wachsen und die Schlaglöcher auch. Und weil immer häufiger in Schulen die Decke runterfällt.
Aber während die Steuerzahler sich bis auf die Wochen vor Wahlterminen ignorieren lassen, hat das BMF mit Ländern und Kommunen ständig Ärger. Letzteren hat der Bund zwar erheblich unter die schwachen Arme gegriffen, indem er die Unterstützung für Langzeitarbeitslose und arme Alte übernahm. Doch sie quengeln weiter. Weshalb nicht ganz unmaßgebliche Beamte im BMF der Ansicht sind, bevor man weiter nach Bundeshilfen schreit, könnte man ja mal selber aktiv werden im kommunalen Bereich und die Grundsteuer und die Gewerbesteuer heraufsetzen. Das dürfen die Kommunen nämlich, ohne im BMF um Erlaubnis fragen zu müssen.
Doch was sagen die Zahlen nun? In den letzten vier Jahren haben 60 Prozent der Gemeinden die Grundsteuer erhöht (genauer: die Grundsteuer B, die für alle gilt außer der Forst- und Landwirtschaft). Bei der Gewerbesteuer waren es 43 Prozent. Das hat die Beraterfirma Ernst & Young gerade in einer breit angelegten Studie herausgefunden. Lagen 2005 nur 15 Prozent der Kommunen beim Grundsteuerhebesatz über dem Wert von 350 Prozent (was einst als ziemlich hoch galt), so sind es 2013 schon 39 Prozent gewesen. Der Durchschnittshebesatz liegt mittlerweile bei 351. In Nordrhein-Westfalen, wo es besonders viele quengelnde, weil finanziell gebeutelte Kommunen gibt, liegt er im Schnitt sogar bei 453. Dort haben sogar 90 Prozent der Kommunen die Steuer erhöht. In Schleswig-Holstein, wo sie bis hinauf zum Ministerpräsidenten auch gern klagen, sind es (noch) nur 299. Da ginge vielleicht noch was. Eher nicht dagegen in der Hauptstadt, wo das BMF auch Grundsteuer zahlen muss – hier liegt der Hebesatz bei knackigen 810 Prozent. Bei der Gewerbesteuer sieht die Lage ganz ähnlich aus. Es ist also, aufs Ganze gesehen, nicht mehr viel Luft nach oben. Das muss man im BMF wohl schlucken. Oder?

Ein wenig irritierend ist freilich eines: Warum mäkelt in der großen Gemeinde der deutschen Einheitlichkeitsfreunde keiner daran herum, dass zwischen den Kommunen bei den Grund- und Gewerbesteuern so riesige Unterschiede bestehen? Schließlich reichen die Hebesätze bei der Grundsteuer von 0 (etwa in Südermarsch in Schleswig-Holstein) bis 900 (Dierfeld in der Eifel). Oder bei der Gewerbesteuer: zwischen 200 (dem gesetzlichen Mindestsatz) bis wiederum 900 (auch in Dierfeld mit seinen zehn Einwohnern, alle aus einer Familie). Ist ein solcher Flickenteppich akzeptabel? Muss da nicht dringend vereinheitlicht werden? Am besten nach oben? Es sage keiner, das gehe nicht. In der DDR lag der Hebesatz der Gewerbesteuer einheitlich bei 400 Prozent. Aktuell sind es im Schnitt 350. Na, da werden sie jetzt aufatmen im BMF – ein bisschen geht noch.

Albert Funk

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