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Die Felder der Elisabeth-Aue in Berlin-Blankenfelde sollen mit mit 5000 Wohnungen bebaut werden.
© Kitty Kleist-Heinrich

Bürgerbeteiligung mit Städtebaulichem Entwicklungskonzept: Vorbereitungen für die Bebauung der Elisabeth-Aue in Pankow beginnen

Zwei städtische Wohnungsbaugesellschaften sollen die Hälfte der Wohnungen errichten. Straßenbahnen, die Tangentiale Verbindung Nord und ein Radschnellweg sollen das Gebiet anbinden.

Es ist eins der größten Berliner Wohnungsbauprojekte seit der Wende: Bis zu 5000 Wohnungen sollen in der Elisabeth-Aue im Norden Pankows entstehen. Der 73 Hektar große Acker zwischen Französisch-Buchholz und Blankenfelde gehört dem Land Berlin. Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (SPD) verspricht, dass dort bezahlbarer Wohnraum entstehen wird. Die ersten Planungsschritten dafür beginnen jetzt.

Die Hälfte der Wohnungen sollen die beiden städtischen Wohnungsbaugesellschaften Howoge und Gesobau errichten. Sie werden für die Erschließung eine gemeinsame Tochtergesellschaft gründen, die auch die Straßen und die geplanten Kitas und die Schule bauen soll, informiert der Abteilungsleiter für Wohnungsneubau beim Senat, Jochen Lang. Die andere Hälfte des Baugrundes, der netto für Wohnungen zur Verfügung steht, soll von Genossenschaften und privaten Bauherren bebaut werden.

Bis es so weit ist, gehen noch einige Jahre ins Land. Bisher ist das Gebiet im Flächennutzungsplan lediglich als Baugebiet mit geringer Dichte ausgewiesen. „Der Flächennutzungsplan muss geändert werden, um eine höhere Dichte zu ermöglichen“, sagt Lang. Am Ende des Prozesses werde ein Bebauungsplan stehen, den das Berliner Abgeordnetenhaus beschließen muss. Denn Geisel hatte das Verfahren wegen der städtebaulichen Bedeutung an sich gezogen. Die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Pankow hatte sich schon im Mai 2015 für die Erhaltung der Elisabeth-Aue ausgesprochen hat.

Das neue Quartier soll nicht wie ein Ufo vom Himmel fallen

Damals benannte die BVV mehrere kleinere alternative Baugebiete. Standpunkt des Senats ist dagegen, dass alle möglichen Flächen für neue Wohnungen gebraucht werden.

Für die Elisabeth-Aue hat die Planergemeinschaft Kohlbrenner vor zwei Wochen die Bürgerbeteiligung im Rahmen eines Integrierten Städtebaulichen Entwicklungskonzepts (ISEK) gestartet. „Das Verfahren ist Voraussetzung, wenn man ein Städtebaufördergebiet festlegen will“, erklärt Ursula Flecken von der Planergemeinschaft, die vom Senat mit dem ISEK beauftragt wurde. Es ermittelt, ob das Projekt Elisabeth-Aue aus dem Programm Stadtumbau des Bundes gefördert werden kann.

Das neue Quartier solle „nicht wie ein Ufo vom Himmel fallen“, hatte Flecken kürzlich bei der Vorstellung des ISEK im Carl-von-Ossietzky Gymnasium erklärt. Deshalb wird nun ermittelt, wie das neue Quartier mit den umliegenden Gemeinden vernetzt werden kann und zur Wohnqualität dort beitragen kann. Dazu gehört auch die sogenannte soziale Infrastruktur.

Bald soll das Leitbild für die Bebauung stehen

Im Werkstattgespräch hatten die Bürger in Arbeitsgruppen beschrieben, was sie sich darunter vorstellen: Ein Nachbarschaftszentrum, Senioren- und Jugendfreizeiteinrichtungen, berichtet Flecken. Im Mai oder Juni will die Planergemeinschaft Kohlbrenner aus diesen und anderen Anregungen ein Leitbild und Ziele formulieren und dann Maßnahmen erarbeiten, die in einer zweiten Bürgerwerkstatt im September besprochen werden.

Ursula Flecken nennt dafür schon Beispiele: die Sanierung von Schulen in den umliegenden Gemeinden, das Anlegen von Radwegen, das Pflanzen von Bäumen und die schönere Gestaltung des Straßenraums in Blankenfelde, Französisch Buchholz und Rosenthal. „Die historischen Ortskerne dort sind große Identifikationspunkte“, sagt die Planerin. Der komplette ISEK-Berichtsentwurf soll dann im November noch einmal mit den Bürgern besprochen werden.

Danach soll ein Wettbewerb für die Gestaltung des Quartiers folgen, an den sich dann das reguläre Bebauungsplanverfahren anschließen wird.

"Ziel ist, dass man in der Elisabeth-Aue wohnen kann, ohne ein Auto zu besitzen"

Noch ist die Elisabeth-Aue ein weißer Fleck auf dem Stadtplan.
Noch ist die Elisabeth-Aue ein weißer Fleck auf dem Stadtplan.
© Tsp/Gitta Pieper-Meyer

Im Rahmen des ISEK sind jetzt erst einmal ein landschaftsökologisches Gutachten vom Büro BGMR Landschaftsarchitekten in Berlin und ein Verkehrsgutachten vom IVAS Ingenieurbüro aus Dresden in Arbeit. Ein weiteres Gutachten zur klimaökologischen Bedeutung der Elisabeth-Aue werde bald vergeben, kündigt Ursula Flecken an.

Gerade dieses Gutachten könnte eine große Bedeutung für die Gestaltung des Quartiers spielen. Schließlich hat der Senat im Stadtentwicklungsplan Klima selbst festgeschrieben, dass Kaltluftentstehungsgebiete gesichert werden sollen. Sie werden im Klimawandel wichtig sein, um den Hitzestress in der Stadt zu mildern. Tatsächlich ist die Elisabeth-Aue eines dieser Kaltluftentstehungsgebiete. Nach Ansicht von Experten kann ihre Funktion aber erhalten bleiben, wenn man die richtigen Baumaßnahmen trifft: helle Gebäude mit vielen Dachgärten und viel verdunstendes Wasser beispielsweise.

Die Bürgerinitiative verlangt eine ergebnisoffene Abwägung

Trotzdem spricht sich die Bürgerinitiative Elisabeth-Aue dafür aus, das Gebiet so zu erhalten, wie es ist. „Es ist für das Tegeler Fließtal von entscheidender Bedeutung. Wenn es bebaut wird, bleibt davon nicht mehr allzu viel übrig“, sagt Oskar Tschörner von der Bürgerinitiative. Seine grundsätzliche Kritik ist, dass der Senat kein Konzept habe, wie sich der Wohnungsbau in der Stadt entwickeln soll. So werde einfach die größte vorhandene Fläche hergenommen. „Die politisch Verantwortlichen müssen sich die Frage stellen, ob hier wirklich ergebnisoffen abgewogen wird oder ob da nur etwas durchgezogen werden soll“, meint Tschörner.

„Der Prozess an sich ist nicht ergebnisoffen“, sagt demgegenüber Jochen Lang von der Senatsbauverwaltung. „Der Senat hat entschieden, dass dort ein neues Quartier entstehen soll.“

Es geht also um das Wie. Hier wirbt Lang mit der städtebaulichen Qualität des Quartiers. Eine „Gartenstadt des 21. Jahrhunderts“ soll auf der Elisabeth-Aue entstehen, hatte Staatssekretär Engelbert Lütke Daldrup versprochen.

Was genau das sein könnte, ließ die Senatsverwaltung Ende letzten Jahres in einer Fachtagung untersuchen. Die Dokumentation der Tagung enthält zahlreiche Beispiele für moderne Gartenstädte, etwa ein Freiburger Projekt auf ehemaligen Rieselfeldern, wo einst die Abwässer versickerten. Auch die Elisabeth-Aue wurde früher dafür genutzt.

Lange geplant ist die Tangentiale Verbindung Nord von Reinickendorf nach Pankow

Im 21. Jahrhundert gehöre zu einer Gartenstadt weiterhin ein hoher Grünanteil und urbanes Gärtnern, erklärt Ursula Flecken. So wie in der Gartenstadt Falkenberg in Bohnsdorf von Bruno Taut, heute Weltkulturerbe und unter dem Namen Tuschkastensiedlung bekannt. Unterscheiden solle sich das Quartier auf der Elisabeth-Aue aber von früheren Anlagen dadurch, dass es kein reines Wohngebiet wird, sondern dass Wohnen und Arbeiten am selben Ort möglich sein sollen.

Auch die Mobilität wird mitgedacht. „Ziel ist, dass man in der Elisabeth-Aue wohnen kann, ohne ein Auto zu besitzen“, sagt Jochen Lang. Ein Radschnellweg in die City gehört zu den ersten Überlegungen dazu. Außerdem sollen die Tram 50 und die Tram M1 verlängert werden, sich eventuell im Quartier treffen und ein Schlaufe bilden.

Aber auch neue Straßen müssten gebaut werden, berichtet Ursula Flecken. Lange geplant ist die Tangentiale Verbindung Nord von Reinickendorf nach Pankow. Auch eine zusätzliche Verbindung zwischen der Bundesstraße 96a und der Autobahn ist im Gespräch. „Die beiden Straßen hätten natürlich auch negative Auswirkungen, Lärm und Schadstoffemissionen“, sagt Ursula Flecken. „Das ist nicht unbedingt gut für ein Gebiet und muss genau abgewogen werden.“

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