Wohnungsnot in Berlin: So könnte der Wohnungsbau beschleunigt werden
Engpässe in Behörden und volle Auftragsbücher: Der Neubau in Berlin kommt nicht in Fahrt. An welchen Stellschrauben könnte gedreht werden? Wir haben uns in verschiedenen Branchen umgehört.
Für den Wohnungsmangel in vielen deutschen Städten ist vorerst keine Linderung in Sicht. Der Bau von Häusern und Wohnungen kommt trotz Fortschritten nur schleppend in Fahrt. Zwar wurden im vergangenen Jahr fast 285 000 Wohnungen errichtet, wie das Statistische Bundesamt am Donnerstag in Wiesbaden berichtete. Das sind 2,6 Prozent mehr als 2016 und so viele wie zu Beginn des Jahrtausends (2002) nicht. „Die im Jahr 2011 begonnene positive Entwicklung setzte sich somit fort“, erklärte die Behörde.
Doch um die starke Nachfrage nach Immobilien zu decken, sind nach Ansicht von Politik und Bauwirtschaft weit mehr nötig: Sie veranschlagen dafür jährlich 350 000 bis 400 000 neue Wohnungen. Jedoch können viele schon bewilligte Projekte gar nicht so schnell gebaut werden, wie die Zahlen der Statistiker zeigen.
Auch und gerade in Berlin werden zu wenige Wohnungen gebaut. Es gibt viele, die daran Schuld sein sollen: zu langsam arbeitende Behördenmitarbeiter, investorenfeindliche Politiker, Bundespolitiker, die unsinnige energetische Vorgaben in Gesetze schreiben, EU-Bürokraten, die sich ständig neue Normen ausdenken. Wie aber könnten – ins Positive gewendet – zum Beispiel einige Rahmenbedingungen für einen Neubauboom aussehen? Wir haben uns in verschiedenen Branchen umgehört.
Eigentum fördern
Immerhin: Auf dem Papier sind 1,5 Millionen neue Wohnungen bis 2021 geplant, unter anderem durch Steueranreize und zusätzliche Ausgaben von zwei Milliarden Euro für den sozialen Wohnungsbau. Doch Michael Neumann, Vorstand der Dr. Klein Privatkunden AG, bleibt skeptisch: „Im Jahr 2016 beispielsweise wurden insgesamt rund 164 Milliarden Euro in den deutschen Wohnungsbau investiert. Zusätzliche zwei Milliarden Euro in vier Jahren sind leider nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Die bisherigen Pläne der Wohnungsbau-Offensive werden dem enormen Bedarf an Wohnraum daher nicht gerecht.“
Baugewerbe verstärken
Die Bauindustrie kommt angesichts der starken Nachfrage kaum hinterher. „Stagnierende Produktivität und begrenzte Kapazität im Baugewerbe“ dürften die Preise weiter steigen lassen, sagte die Unternehmensberatung McKinsey in einer Analyse Anfang Mai voraus. Die Auslastung der betrieblichen Kapazitäten im Handwerk sei im ersten Quartal 2018 mit 80 Prozent auf einen „neuen Höchststand“ gestiegen, teilte der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) mit. Wegen des Fachkräftemangels müssen Kapazitäten aber komplett neu aufgebaut werden. So können in manchen Bauprojekten begrüßenswerte Fortschritte der Regeln der Technik, wie z.B. Building Information Modelling (BIM) nicht umgesetzt werden, weil entweder den Planern oder den ausführenden Unternehmen die besondere Fachexpertise fehlt. „Hier sind gerade die (Weiter-)Bildungsstätten gefordert“, sagt Johannes Callet, der bei der Wirtschaftskanzlei Taylor Wessing in- und ausländische Unternehmen, vornehmlich Finanzinvestoren betreut. Heiko Stiepelmann, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Hauptverbandes, ergänzt: „Es muss vom Bund auch ein Signal über 2020 hinaus gesetzt werden.“ Es geht um Förderungen von Bau- und öffentlichen Infrastrukturmaßnahmen. In der Übergangsphase könne man mit ausländischen Subunternehmern arbeiten.
Brachen für Neubau definieren
Es fehlt an Grund und Boden, um zu bauen, so wird immer wieder kritisiert. „Fehlendes Bauland ist das Nadelöhr“, sagt etwa Michael Voigtländer, Immobilienexperte am Institut der deutschen Wirtschaft (IW). Dabei gibt es in der Stadt Berlin nicht nur große Entwicklungsgebiete – wie zum Beispiel den „Blankenburger Süden“ – , die neu entwickelt werden sollen. Es finden sich auch in den gesuchten Bezirken wie Mitte und Prenzlauer Berg immer noch viele Freiflächen, die für den Wohnungsneubau genutzt werden könnten. Es sind darunter auch Flächen, die baurechtlich nicht für den Wohnungsbau genutzt werden können, weil sie etwa planungsrechtlich noch als Verkehrsflächen ausgewiesen sind. „Hier könnte ein Kataster weiterhelfen“, sagt Rechtsanwalt Sven Donner von der Berliner Wirtschaftskanzlei Graf von Westphalen. Deren Wirtschaftsmediator Alexander Freiherr von Aretin ergänzt: „Man könnte das à la Flüchtlingsunterbringung machen. Die Senatsentwicklung für Stadtentwicklung könnte die Bezirke unter den Vorzeichen gesamtstädtischer Relevanz dazu aufrufen: Bitte meldet uns Flächen, die zur Verfügung stehen.“
Der Bund als Bauherr
Neuen Schub könnte die Bautätigkeit auch in Berlin bekommen, wenn die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) als Bauherrin auftritt – nicht nur (aber auch) für die Bundesbediensteten.
Flächen im Umland bebauen
Zwei Prozent der Berliner arbeiten in Brandenburg, zehn Prozent der Brandenburger arbeiten in Berlin. Die Hauptstadt besitzt nicht nur auf den Flächen der alten Stadtgüter eigenes Land, das nach Abstimmungen mit den Kommunen bebaut werden könnte
Bauwilligkeit unterstützen
Nicht nur nach Einschätzung der Rechtsanwälte Donner und von Aretin fehlt es in vielen Bauverwaltungen am Willen, Dinge zu beschleunigen: Einfacher ist es meist, sich auf Pläne zu berufen, die neuen Vorhaben entgegenstehen. „Eigentlich ist kein politischer Bruch erforderlich“, sagt Donner, „auch in der Werkzeugkiste ist alles da, aber es wird eben nicht benutzt.“ Vielleicht seit das Ziel des Wohnungsbaus für die Verwaltung nicht so deutlich definiert. „Es fehlt der gemeinsame Spirit.“