Wohneigentum bilden: Preiswert Bauen? Daniel Libeskind will es Berlin zeigen
Makler Nikolaus Ziegert stellt dem Architekten ein Grundstück in Reinickendorf zur Verfügung. Menschen mit ganz normalem Einkommen sollen dort Wohneigentum kaufen können.
Wer einen runden Geburtstag feiert, der freut sich in der Regel über Lobgesänge, Glückwünsche und vor allem über schöne Geschenke. So oder so ähnlich muss auch der Berliner Immobilienmakler Nikolaus Ziegert anlässlich des 70. Geburtstages Daniel Libeskinds vor zwei Wochen gedacht haben. Und so hat er seiner Geburtstagskarte, die er dem Architekten des Jüdischen Museums und des High Society Wohnhauses „Sapphire“ nach New York geschickt hat, noch ein Foto beigelegt: Es zeigt ein Grundstück in Reinickendorf, das Ziegert gerne zusammen mit Daniel Libeskind und einem Projektentwickler bebauen möchte.
Es sollen hier keine Luxuswohnungen entstehen, sondern Eigentumswohnungen oder Reihenhäuser, die idealerweise nicht mehr als 6,50 Euro pro Quadratmeter für Zins, Tilgung und Wohngeld kosten. Ein ehrgeiziges Vorhaben, das noch in den Kinderschuhen steckt. Welcher Projektentwickler zum Zuge kommt, möchte Ziegert noch nicht mitteilen.
Alexander Harnisch vom Berliner Projektentwickler Diamona & Harnisch wirft seinen Hut im Gespräch mit dem Tagesspiegel schon einmal in den Ring: „Die Angst ist bei so renommierten Architekten ja immer, dass ein solcher Mann für uns schlicht unbezahlbar ist. Aber wir haben auch einige Grundstücke akquiriert, und ich kann mir gut vorstellen, dass es auch mit Herrn Libeskind passen würde. Ich werde die Spur aufnehmen“, sagte Harnisch und verabschiedete sich in den Urlaub. Wer weiß? Vielleicht gibt es ja mehrere neue Projekte mit dem US-amerikanischen Architekten und Stadtplaner polnischer Herkunft.
"Es ist ein wahres Geschenk"
Daniel Libeskind freut sich in einer ersten Stellungnahme über die Chance, endlich erschwingliches Wohneigentum zu schaffen. „Es ist ein wahres Geschenk, dieses wichtige und dringende Problem in Berlin anzugehen – einer Stadt, die mir sehr am Herzen liegt, sowohl persönlich als auch beruflich“, sagt er dem Tagesspiegel. Libeskind weiß, dass die Triebfeder einer nachhaltigen Stadtentwicklung in ihrer gesunden Sozialstruktur liegt. So engagiert er sich nicht nur in der Stiftung New Cities Foundation für bezahlbares Wohnen, sondern realisiert bereits ein entsprechendes Projekt in China.
„Wir müssen Nachhaltigkeit als erschwinglichen Wohnraum denken“, sagt er. Dies sei ein wichtiges Thema für sein Studio und für Städte wie Berlin. „Eine Stadt muss viele verschiedene Angebote im Zentrum haben, wo Menschen leben können, und nicht nur eine Klientel bedienen. Es gibt viele Märkte.“ Dabei meint er nicht nur Miet-, sondern auch Eigentumswohnungen.
Insofern scheint er in Nikolaus Ziegert einen Gleichgesinnten gefunden zu haben. Denn der Berliner Makler hat im vergangenen Sommer eine „Stiftung für erschwingliches Wohneigentum“ gegründet. Sie soll dazu beitragen, Berlins soziale Mischung zu fördern und gleichzeitig die Eigentumsquote zu erhöhen. „Wir wollen günstiges Wohnen mit ästhetischem Anspruch, modern und mit großem Verständnis für die Anforderungen der Bewohner und des Standortes“, sagt Ziegert dieser Zeitung auf Anfrage. Berlin habe ein schönes Erbe vorzuweisen. Aber in den vergangenen Jahrzehnten sei nur in Ausnahmefällen schön und günstig gebaut worden.
Chance der Eigentumsbildung
So wie im Fall der Treskow-Höfe, die belegen, dass ästhetische, funktionale und qualitative Ansprüche nicht nur im Luxussegment, sondern auch im zukunftsorientierten sozialen Wohnungsbau gelten können. Das generationenübergreifende Quartier der städtischen Wohnungsbaugesellschaft Howoge wurde mit dem Bauherrenpreis 2016 ausgezeichnet, weil „aus Sicht der Jury ein qualitätsvolles Zeichen für den Beginn einer neuen Etappe des Wohnungsbaus in Berlin gesetzt“ wurde.
Nun möchte Ziegert einen Impuls für entsprechendes Wohneigentum setzen. „Das Festhalten an der Mieterstadt bedeutet, die Chancen der Eigentumsbildung verstreichen zu lassen“, sagt er. „In puncto Vermögensungleichheit steht Deutschland auch deshalb so schlecht da, weil wir hier so viele Mieter haben. Und gerade in Berlin droht eine gewaltige Altersarmut.“
Darüber hinaus glaubt er fest daran, „dass die Berliner über steigende Immobilienwerte an der Entwicklung ihrer Stadt auch wirtschaftlich partizipieren sollten.“ Und so sollen die neuen, erschwinglichen Eigentumswohnungen möglichst mit großen Gemeinschaftsflächen und einer teilweise öffentlichen Nutzung errichtet werden. Merkmale, die man sonst eher mit Projekten im höheren Preissegment assoziiert.
Intelligente Sozialwohnungen aus der Bronx
Aber muss man denn für „billige“ Eigentumswohnungen tatsächlich einen „Star-Architekten“ engagieren? Ja, lautet die Antwort mit Blick auf diese Persönlichkeit. Denn Daniel Libeskind fand sich als Pubertist – nach der Kindheit in Lódz (Polen) und Israel – in einer Sozialwohnung in der New Yorker Bronx wieder. „Es waren Häuser ohne Klimaanlage, mit kleinen Wohnungen und ohne Aufzug, aber der öffentliche Raum und die Hinterhöfe waren sehr intelligent gestaltet. Die Menschen haben sich gerne dort aufgehalten und sich ausgetauscht.“
Die Häuser von damals gibt es längst nicht mehr. Heute stehen an ihrer Stelle moderne Wohnblöcke; die Menschen begegnen sich hier nicht mehr. „Diese Architektur hat hinsichtlich der Integration versagt“, sagt Libeskind. „Großartige Städte schaffen es dagegen, den öffentlichen Raum zu verlängern und zu vernetzen. In schlechten Städten endet der öffentliche Raum an der Haustür, weil es dahinter so sehr privat ist.“ Integration sei eine kulturelle Leistung. Dazu gehöre auch erschwinglicher Wohnraum, der genauso viel Aufmerksamkeit hinsichtlich seiner baulichen und architektonischen Qualität verdiene wie höherpreisige Wohnungen.
„Es ist mein Ziel – und es sollte das Ziel eines jeden guten Architekten sein – Gebäude zu entwickeln und zu bauen, die vor allem erschwinglich sind. Nicht eine Art Tempel des Luxus, sondern Gebäude, die gut funktionieren, gut gebaut sind und die Ressourcen schonen“, erklärt Libeskind. Er betont und ist stolz darauf, dass seine Häuser nach 200 Millionen Euro aussehen, aber nur 20 Millionen Euro Baukosten verursachen. So wie das Kongresszentrum, das er für die belgische Stadt Mons entworfen hat.
Etwas für Liebhaber
Wer sich mit Daniel Libeskinds Entwürfen auseinandersetzt, stellt rasch fest, dass seine Wohnhäuser – wie auch die repräsentativen Bauten – etwas für Liebhaber sind. Sie sind herausfordernd und verlangen vom Nutzer Mut und Flexibilität. Wer also wird sich eine solche Wohnung oder ein solches Reihenhaus kaufen? Geht man von den Käufern von Wohnraum im Haus „Sapphire“ in Berlin-Mitte aus, dann sind es Libeskind- Liebhaber, Galeristen und Innenarchitekten – Besserverdiener mit einem Hang zur Kunst.
Aber die erschwinglichen Wohnungen, die sich Ziegert und Libeskind vorstellen, sind in erster Linie für „ganz normale“ Familien gedacht. In Berlin sind das oft selbstständige Kreative – Fotografen, Künstler, Designer, Journalisten. Haben sie viel Geld auf der hohen Kante oder bekommen sie leicht einen Kredit von der Bank? Eher nicht.
Familiendarlehen von der IBB
Zum einen soll jetzt das im Juli 2015 aufgelegte Pilotprogramm „IBB Familienbaudarlehen“ Abhilfe schaffen, um Familien mit geringerem Einkommen beim Erwerb von selbstgenutzem Wohneigentum zu unterstützen. „Bisher wurde ein Darlehen in Höhe von 200.000 Euro zugesagt“, so IBB-Sprecher Christian Hartwich. „Erfahrungsgemäß benötigen derartige Programme aber auch eine gewisse Anlaufzeit.“ Außerdem erwägen Landespolitiker, die Regeln der IBB so umzustricken, dass beim Immobilienkauf weniger Eigenkapital nötig ist.
Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, ein Ergänzungsdarlehen bei der IBB zu beantragen, wie André Schlüter, Sprecher der Ziegert Bank- und Immobilienconsulting, verrät. „Anders als die Familienbaudarlehen wird dieses unabhängig von Einkommen und Familienstatus vergeben. Voraussetzung ist lediglich eine Selbstnutzung und ein KfW-Anteil in der Finanzierung.“
Entscheidend für die Nutzung der Ergänzungsdarlehen der IBB als Eigentumsförderung sei eine Hausbank, die dieses Geld als Eigenkapitalersatz akzeptiert. Mit ein bißchen Glück können also bald auch weniger betuchte Libeskind-Fans eines seiner Häuser ihr Eigen nennen.