Kostengünstiger Neubau: Nägel mit Köpfen: Wer richtig plant, baut preiswerter
Die Zukunft des Wohnungsbaus beginnt im Schwarzwald. Ohne Zuschüsse und Quersubventionierung schafft eine Genossenschaft eine kostendeckende Miete von 6,43 Euro pro Quadratmeter
Teure Grundstücke und steigende Baukosten – der Bau von Wohnungen in Großstädten stellt all diejenigen Akteure, die eigentlich günstige Mietwohnungen errichten möchten, vor große Herausforderungen.
Mit den Chefs der städtischen Wohnungsbaugesellschaften ist Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen überzeugt: „Wir wollen und müssen in Berlin schnell bezahlbaren, aber trotzdem qualitativ hochwertigen Wohnraum schaffen.“ Dafür wird erstmals nicht der gesamte Überschuss des Haushalts 2014 in Höhe von 866 Millionen Euro in die Schuldentilgung gesteckt, sondern zu 50 Prozent dem neuen Sondervermögen „Infrastruktur der wachsenden Stadt“ (SIWA) zugeführt.
Doch während die Berliner noch planen und Konferenzen abhalten, hat man ausgerechnet im beschaulichen Schwarzwald schon Nägel mit Köpfen gemacht. In Villingen-Schwenningen steht der erste Neubau mit sogenannten Mikrolofts, den eine kleine Wohnungsbaugenossenschaft mit nur gut 4000 Mitgliedern – die Familienheim Schwarzwald-Baar-Heuberg – realisiert hat. Das Projekt ist vor kurzem mit dem „Zukunftspreis der Immobilienwirtschaft 2015“ ausgezeichnet worden und sorgt derzeit in der Fachöffentlichkeit für Aufsehen.
Schöne Ausstattung trotz niedrigem Preis
Der Grund dafür: Der Genossenschaft Familienheim ist es gelungen, bei Neubauwohnungen mit einer Miete von 6,43 Euro pro Quadratmeter auszukommen und dabei sogar eine gehobene Ausstattungsqualität zu bieten. Zum Vergleich: In Berlin verlangen selbst Genossenschaften und kommunale Wohnungsbaugesellschaften, die keine hohen Renditeerwartungen haben, in der Regel eine Neubaumiete von um die zehn Euro pro Quadratmeter – es sei denn, sie setzen öffentliche Fördermittel ein.
Die Genossenschaft Familienheim arbeitet jedoch ohne Förderung. Auch eine Quersubventionierung durch höhere Mieten bei anderen Wohnungen erfolgt nicht, wie Sebastian Merkle versichert, geschäftsführender Vorstand der Genossenschaft. Nach seinen Worten beträgt die übliche Neubaumiete in Villingen-Schwenningen zwischen acht und neun Euro pro Quadratmeter; die Mikrolofts sind also um etwa ein Viertel günstiger.
Erreicht wird diese Einsparung jedoch nicht durch eine niedrigere Bauqualität, sondern durch einen grundsätzlich anderen Ansatz: „Der Grundstein wird in der Planung gelegt“, sagt Merkle. Als Betriebswirt habe er sich zum Beispiel immer gefragt, warum zuerst die Wände gebaut und dann gleich wieder aufgeschlitzt würden, um Kabel zu verlegen.
Kluge Grundsätze, geringe Kosten
Um einen solchen unnötigen Mehraufwand zu vermeiden, brachte die Genossenschaft in Villingen-Schwenningen von Anfang an alle Beteiligten an einen Tisch. Neun Monate dauerte diese intensive Planungsphase; erst dann schrieb die Genossenschaft die Bauarbeiten aus, wobei sie Wert auf eine enge Verzahnung aller Gewerke legte.
Das so entstandene Konzept lässt sich in unterschiedlicher Geschosszahl und in unterschiedlichen Lagen umsetzen. Merkle spricht von einer Modulbauweise, wobei allerdings nicht mit vorgefertigten Bauelementen gearbeitet wird. Dafür sorgen kluge Planungsgrundsätze für geringe Kosten. So verzichtet das Konzept in der Grundvariante auf einen Keller; die Hausbewohner nutzen dafür Abstellräume im Erdgeschoss. Auch die Erschließungsflächen – etwa die Treppen – werden minimiert, um so den Anteil der vermietbaren Flächen zu vergrößern.
Die Wohnungen sind kompakt und haben nur einen kleinen Vorraum als Flur
Auf größtmögliche Effizienz achten die Verantwortlichen auch bei den Grundrissen. Allerdings führt der Begriff Mikrolofts etwas in die Irre: Um Lofts, also große, nicht unterteilte Wohnlandschaften, handelt es sich nämlich nicht. „Echte Lofts wären in unserer Region nicht vermarktbar“, erklärt Merkle. Vielmehr sind die Wohnungen konventionell, aber sehr kompakt geschnitten: Eine Zwei-Zimmer-Wohnung umfasst ungefähr 55 Quadratmeter Wohnfläche, eine Drei-Zimmer-Wohnung kommt mit etwa 65 Quadratmeter aus. Auffällig ist dabei, dass es keinen Flur gibt; alle Zimmer sind von einem kleinen Vorraum aus erschlossen.
Ebenfalls auffällig ist, dass das erste fertige Gebäude dieses Typs in Villingen-Schwenningen nur zwei Geschosse hoch ist. Das ist laut Merkle darauf zurückzuführen, dass an diesem Standort der Bebauungsplan eigentlich Einfamilienhäuser vorsah. Höher gebaut wird beim zweiten Projekt, das derzeit in Bad Dürrheim im Schwarzwald Gestalt annimmt. Dort entsteht auf Wunsch der Kommune auch eine Tiefgarage.
Trotzdem betragen die Baukosten inklusive der Nebenkosten, aber ohne Grundstück, laut Merkle 1700 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche. Ohne Tiefgarage sind es 1500 Euro pro Quadratmeter.
Sogar der Energiesparstandard ist hoch
Mit ähnlichen Beträgen rechnet die Berliner Degewo, die sich ebenfalls die Senkung der Baukosten auf die Fahnen geschrieben und zu diesem Zweck vor kurzem ein Planungsbüro gegründet hat. Sie wird Ende dieses Jahres mit dem Bau von 82 Wohnungen in Mariengrün am südlichen Stadtrand beginnen. Die Kosten dafür beziffert die Degewo auf 1408 Euro pro Quadratmeter. Dazu kommen noch die Planungs- und Baunebenkosten, für die etwa 15 Prozent (200 Euro pro Quadratmeter) zu veranschlagen sind.
Die Wohnungen im Schwarzwald richten sich an Menschen mit niedrigem Einkommen. Doch das sieht man den Wohnungen nicht an. „Wir wollen kostensparend bauen, aber nicht billig“, betont Merkle. So sind die Wohnungen mit Parkett ausgestattet, haben einen großzügigen Balkon und eine bodengleiche Dusche. Die Hälfte der Wohnungen ist zudem schwellenfrei, und die Häuser erreichen den Standard eines KfW-Effizienzhauses 70 – sie verbrauchen also deutlich weniger Energie als gesetzlich vorgeschrieben.
Doch lassen sich die Erfahrungen aus Villingen-Schwenningen – einer wachsenden Stadt mit 82.000 Einwohnern – überhaupt auf andere Regionen übertragen? Im Prinzip ja, sagt Genossenschaftsvorstand Merkle. Voraussetzung dafür sei eine gewisse Flexibilität der genehmigenden Behörden, um beispielsweise auf eine Tiefgarage verzichten zu können. Das zumindest wäre für Berlin kein Problem: Das Land Berlin hat die Stellplatzpflicht schon vor Jahren abgeschafft.
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