Immobilienfinanzierung: Im Schwarm zum großen Geld
Crowdinvesting ist „hip“ aber auch riskant – wie sicher lassen sich Immobilienprojekte damit finanzieren?
Sie nennen sich „Addact“, „Youcan2“, „Bankless24“, „Filmkraut“ oder „Dreamojo“ – Internetplattformen, die Geld für allerlei Projekte sammeln. Viele Anleger investieren hier eher kleine Beträge. „Crowdfunding“ und „Crowdinvesting“ heißen die bankenunabhängigen Geldquellen, oder „Schwarmfinanzierungen“.
Auch immer mehr Immobilienprojekte in Deutschland werden von Schwärmen kleiner Geldgeber mitfinanziert. 2013 wurde das Ärztezentrum Neue Wilhelmsburger Mitte auf dem Gelände der Internationalen Bauausstellung fertiggestellt. Beteiligt an dem achtstöckigen Gebäude sind mittlerweile 82 Privatanleger. Sie haben über Exporo, einer Crowdinvesting-Plattform für Immobilien, zusammen knapp 400 000 Euro eingezahlt – einige nur die Mindestsumme von 500 Euro, andere mehrere tausend Euro.
Ihr Geld ist für fünf Jahre angelegt. Dafür bekommen sie 4,5 Prozent Zinsen per annum. Bei einem weiteren, 2,1-Millionen- Euro-Projekt von Exporo erhalten die Anleger sogar sechs Prozent. Zum Vergleich: Offene Fonds bringen seit der Finanzkrise laut der Rating-Agentur Scope etwa 2,5 bis drei Prozent.
2015 soll der Immobilien-Schwarmfinanzierungsmarkt 2,5 Milliarden US-Dollar erreichen
Dem Vorreiter aus Hamburg folgten Plattformen wie Companisto und Bergfürst, die eigentlich darauf fokussiert sind, Kapital für Start-ups einzusammeln. Inzwischen stecken schätzungsweise knapp 20 Millionen Euro Crowdkapital in deutschen Immobilien. „Das ist erst der Anfang der Entwicklung“, ist Ralf Beck, Wirtschaftsprofessor an der Fachhochschule Dortmund, sicher. „Crowdinvesting wird in den nächsten Jahren zu einem wichtigen Finanzierungsinstrument der Immobilienbranche werden.“
Das US-Marktforschungsinstitut Massolution erwartet, dass der weltweite Immobilien-Schwarmfinanzierungsmarkt noch in diesem Jahr ein Volumen von rund 2,5 Milliarden US-Dollar erreichen wird.
Es klingt auch alles sehr komfortabel: Zunächst wichtige Basis-Informationen über ein Immobilienprojekt auf der Webseite lesen und dann mit einigen wenigen Mausklicks Kapital investieren. Zinsland.de, das ebenfalls „Crowdinvesting“ betreibt, wirbt mit 6,5 Prozent Zinsen pro Jahr. Mit kleinen Beträgen bereits dabei zu sein, wissen für was investiert wird weil das Bauvorhaben bekannt ist, sieht Zinsland als klaren Vorteil.
Mit diesem Finanzierungsmodell für einen Bauträger will es 750 000 Euro für ein Wohnhausprojekt in Hilden bei Kapitalanlegern einsammeln. Nach 18 Monaten soll Zahltag für die Anleger sein. Das Geschäftsmodell ist nicht ganz neu. Es gibt neben Zinsland weitere Anbieter im Internet.
"Kleinanlegerschutzgesetz" soll das Crowdinvesting regeln
Allerdings hat die Schwarmfinanzierung auch Nachteile: etwa die Deklarierung als Nachrangdarlehen. Die Geldgeber sind nicht als Eigentümer im Grundbuch eingetragen, haben kein Mitspracherecht und werden im Fall einer Pleite erst nach allen anderen Gläubigern bedient, jedoch in der Regel vor den Eigenkapitalgebern. Nachrangdarlehen wurden bisher dem „grauen Kapitalmarkt“ zugeordnet, weil es keine gesetzlichen Regeln hierfür gab. Deshalb werden diese künftig auch in den Katalog der geregelten Anlageformen im Vermögensanlagengesetz aufgenommen.
Das noch im Frühjahr zu verabschiedende „Kleinanlegerschutzgesetz“ sieht Belehrungspflichten und Auskunftsbegehren sowie von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen (Bafin) genehmigte Prospekten vor. Nach dem Entwurf des Gesetzes können beispielsweise beim Crowdinvesting Gesamtinvestitionsbeträge pro Projekt nur bis zu einer Million Euro von der sehr teuren Bafin-Prospektpflicht ausgenommen sein.
Die Koalition steht vor der Aufgabe, dass sie einerseits Verbraucher vor hochriskanten Finanzprodukten schützen möchte, andererseits sollen neue Finanzierungswege wie „Crowdfunding“ aber nicht behindert werden. Weshalb bei der Prospektpflicht für Geldanlagen Ausnahmen geplant sind, wenn die Finanzierung über eine Internetplattform erfolgt. Bedingung: Es handelt sich um eine Vermögensanlage, die je Anbieter den zu sammelnden Gesamtbetrag von einer Million Euro nicht übersteigt.
Crowdsourcing Vernad: "Das Gesetz ist gründerfeindlich"
Das Einzelinvestment pro Anleger darf , je nach individueller Vermögens- und Einkommenssituation, 1000 bis 10 000 Euro nicht überschreiten. „Den Betrag von einer Million wollen wir im Rahmen der parlamentarischen Beratungen dann erhöhen, wenn auch bestimmte Verbraucherschutzinteressen Berücksichtigung finden. Hierzu zählen insbesondere eine Begrenzung bei der Höhe der einzelnen Anlegerbeiträge des Crowdfunding-Investments, Widerrufsrechte und Warnhinweise“, sagt Lothar Binding, finanzpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion.
Kritik kommt vom Crowdsourcing Verband. „Das Gesetz ist ziemlich gründerfeindlich“, sagt Karsten Wenzlaff vom Verband. Die Branche pocht auf eine höhere Schwelle und verweist auf Regeln anderer Länder. Kontraproduktiv sei auch, die Ausnahme an den Maximalbetrag von 10 000 Euro je Investor zu knüpfen.
Auch sollten die Plattformen nicht auf bestimmte Finanzierungsinstrumente festgelegt werden. Werbung im Internet müsse zulässig sein, wenn sie keine konkreten Renditeversprechen oder -aussichten enthält. Der Markt werde eingeschränkt mit Maßnahmen, die nicht dem Verbraucherschutz dienten.
Die CDU/CSU-Fraktion will den Entwurf nachbessern
Die Verbraucherzentralen halten dagegen, auch diese Anlagen seien hoch riskant. Es sollte davor gewarnt werden, dass sie nicht der Altersvorsorge oder dem Vermögensaufbau dienten, heißt es beim Bundesverband der Verbraucherzentralen. Die Ausnahme von der Prospektpflicht sei „so nicht nachvollziehbar“, die Schwelle von 10 000 Euro je Anleger kritisch: „Für das Gros der Kleinanleger sind 10 000 Euro eine bedeutende Summe und kein Spielgeld.“
Auch die Kreditwirtschaft warnt, aus Anlegersicht handele es sich bei „Crowdfunding“ um ein Hochrisikoinvestment: „Es darf durch die Crowdfunding-Plattformen nicht der Eindruck erweckt werden, dass Investitionen in Crowdfunding-Projekte mit der Sicherheit einer Bank- oder Spareinlage vergleichbar wären.“
Auch die CDU/CSU-Fraktion will den Entwurf nachbessern. Die Prospektpflicht soll dort erst ab 2,5 Millionen Euro greifen. Die Finanzexpertin der Unions-Fraktion, Antje Tillmann (CDU), will im weiteren Gesetzgebungsverfahren versuchen, „auch den Interessen von in Sozialprojekten engagierten Bürgern gerecht zu werden und Crowdfunding attraktiver zu machen.“ Letztlich gibt es erst wenige Markterfahrungen. Erst in einigen Jahren dürfte sich zeigen, ob „Crowdfunding“ erfolgreich ist. Weshalb die Regeln bis Ende 2016 überprüft werden sollen, um gegebenenfalls nachzubessern.
Volker Schmidtke von der Verbraucherzentrale Berlin: „Es ist nicht im Interesse des Crowdinvestings, wenn wegen schwacher gesetzlicher Vorgaben zunehmend problembehaftete Projekte auf diesem Weg Geld einsammeln. Um das zu verhindern, ist ein durchstrukturierter Emissionsprospekt wichtig. Noch wichtiger ist, die Potenziale auf Ebene des Vermögensanlageninformationsblattes wirklich zu nutzen.“
Projektträger und Anleger profitieren von der Schwarmfinanzierung
Wirtschaftsprofessor Ralf Beck sieht die kritischen Punkte nicht dramatisch. Er sagt: „Erst wenn der Wert der Immobilie völlig aufgebraucht ist, gehen Crowdinvestoren leer aus. Das gibt es allerdings so gut wie nie. Selbst wenn es sehr schlecht läuft, behalten Immobilien noch einen Substanzwert.“
Ein Schlüssel zum Erfolg der Schwarmfinanzierung liege in den Vorteilen für Projektträger und Anleger: Ersterer erhält Geld, das ähnlich wie Eigenkapital behandelt wird. Das verbessert seine Liquidität und sein Rating, er bekomme leichter und günstiger die benötigten Baukredite.
Außerdem bilde der „Schwarm“ eine Community, die als Meinungsmultiplikator sein Immobilienprojekt unterstützt. Die Geldgeber wiederum könnten sich mit geringen Summen an wertgesicherten Sachanlagen beteiligen. „Während bei einem Fonds von 100 Euro etwa zehn Euro für Kosten draufgehen und diese erst wieder erwirtschaftet werden müssen, werden beim Crowdinvesting die vollen 100 Euro angelegt“, sagt Beck.
Die vermittelnde Plattform erhält vom Träger eine Provision. Zwei offenbar weitere Pluspunkte: Der Investitionszeitraum ist relativ kurz. Er beträgt meistens zwei, drei oder fünf Jahre. Der Anleger muss nicht wie bei offenen Fonds während der Laufzeit den Finanzmarkt im Auge behalten. Julian Oertzen, einer der vier Geschäftsführer von Exporo: „Für eine Risikostreuung bietet sich an, in mehrere Objekte zu investieren.“ Dabei kann der Anleger selbst entscheiden, welche Immobilien er in sein Portfolio legt: „Bei Fonds für Privatinvestoren muss er immer den ganzen Korb kaufen, auch wenn sich darin einige angeschlagene Eier befinden.“
(mit dpa)
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