Crowdfunding für Immobilien: Im Schwarm zum Haus
Über Crowdfunding können Anleger jetzt auch in Immobilien investieren. Allerdings ist das Risiko groß
Zwischen dem Berliner Stadtteil Wedding und der Kreisstadt Starnberg bei München liegen Welten. Oder ein Mausklick. Über das Internet sammeln Investoren derzeit verstärkt Gelder ein und stecken sie in einzelne Immobilien. Zum Beispiel in eine Zwei-Zimmer-Wohnung in Wedding oder in eine Doppelhaussiedlung in Oberbayern. Die Experten sprechen von Crowdinvesting, zu Deutsch Schwarmfinanzierung: Viele Menschen stellen kleine Beträge bereit, damit ein Team, an das sie glauben, ein Projekt stemmen kann. Hat es Erfolg, werden sie am Gewinn beteiligt. Geht es schief, ist das investierte Vermögen weg. In den letzten Jahren haben vor allem junge Start-ups auf diese Weise Geld eingesammelt, das ihnen die Bank nie geliehen hätte. Jetzt tauchen immer mehr Dienstleister auf, die Kleinanleger über Crowdfunding an den steigenden Immobilienpreisen beteiligen wollen.
Der Trend kommt aus den USA und Großbritannien, wo Anbieter solcher Plattformen große Geschäfte machen. Zum Beispiel der US-Marktplatz Realty Mogul. Seit seiner Gründung vor zwei Jahren hat er bereits 58 Immobilienprojekte im Wert von mehr als 100 Millionen Dollar (72 Millionen Euro) finanziert.
Jetzt haben auch deutsche Firmen den Markt für sich entdeckt. Gerade hat die Berliner Finanzplattform Bergfürst angekündigt, ihr Angebot auf den Immobiliensektor auszuweiten. Bislang hat sie ausschließlich Geld für Start-ups eingesammelt. Mit dem ersten Immobilienprojekt will Bergfürst noch vor den Sommerferien online gehen. Bereits gestartet ist das Münchner Start-up Raumrendite. Seit wenigen Wochen können Anleger ihr Geld über die Online-Plattform in Immobilien investieren. Erste Erfolge kann der deutsche Schwarmfinanzierer Kapitalfreunde vorweisen. Er will noch in diesem Jahr die Gewinne an die Geldgeber der ersten Stunde ausschütten.
Verbraucherschützer warnen vor der "nächsten Geldvernichtung"
Die Anbieter richten sich an Kleinanleger, die sich über die Plattformen bereits ab 100 oder 250 Euro an Immobilienprojekten beteiligen können. Auf diese Weise sollen auch Menschen mit geringem Einkommen Zugang zum Immobilienmarkt bekommen. Was die Betreiber als Innovation feiern, sehen Verbraucherschützer kritisch. „Da droht die nächste Geldvernichtung“, sagt Gabriele Schmitz von der Verbraucherzentrale Hamburg.
Bei Raumrendite fließt das Geld zum Beispiel in die Zwei-Zimmer-Wohnung in Wedding. Der Unternehmensberater Robert Dotzauer, Gründer und Betreiber der Plattform, hat sie für 81 640 Euro erworben. Fotos zeigen einen schlichtes Mehrfamilienhaus, dessen Fassade terracottafarben gestrichen ist. In zehn Jahren, so seine Hoffnung, will Dotzauer die Wohnung für mehr als 170 000 Euro verkaufen. „Der Wedding ist ein aufstrebender Bezirk“, sagt er. „Die Immobilienpreise sind dort noch stark unterbewertet.“
Warum Crowdfunding Spaß machen soll
Bei Bergfürst soll das Geld der Investoren statt in einzelne Wohnungen in Gebäudekomplexe fließen. Ihnen sei es wichtig, mehrere Mietparteien zu haben, sagt Gründer und Chef Guido Sandler. „Dann kann man es auch verkraften, falls einer mal seine Miete nicht zahlt.“ Um das Risiko zu senken, würden sie nur ältere Immobilien bewerben – weil es bei denen bereits Erfahrungen gebe, wie hoch der Leerstand ist und wie schnell Wohnungen neu vermietet werden.
Die Kapitalfreunde haben sich dagegen auf Projektfinanzierung spezialisiert. Sie investieren das Schwarm-Geld in Entwicklung und Bau einer Immobilie. Zum Beispiel in die Errichtung eines Künstler- Hauses in Frankfurt am Main. Chef Michael Ullmann sagt, die Geldanlage per Crowdfunding solle Spaß machen. So lässt er die Anleger zum Beispiel darüber abstimmen, welche Fliesen im Haus verlegt werden sollen und fragt sie, welche Türklinken ihnen am besten gefallen.
Warum die Anlage riskant ist
Spaß wird den Anlegern das Crowdfunding allerdings nur machen, wenn sie damit auch Geld verdienen. Das tun sie, wenn die Immobilie mit Gewinn verkauft wird. Außerdem versprechen die Anbieter ihnen eine „garantierte Rendite“. Bergfürst will ihnen vier Prozent im Jahr zahlen, Raumrendite 2,5 Prozent. In Zeiten niedriger Zinsen klingt das vielversprechend. Allerdings machen die Betreiber der Plattformen keinen Hehl daraus, wie der hohe Zins zustande kommt. „Die Verzinsung korreliert mit dem Risiko“, sagt Bergfürst-Chef Sander. So findet sich im Kleingedruckten dann auch der Satz: „Wenn eine wirtschaftliche Schieflage entsteht, zum Beispiel weil Mieteinnahmen ausfallen, können Zinsansprüche der Investoren womöglich nur teilweise oder gar nicht bedient werden.“
Im schlimmsten Fall ist das Geld der Anleger weg
Das Geld, das die Anbieter über Crowdfunding einsammeln, wird nicht direkt in die Immobilie investiert. Viel mehr erwerben die Anleger durch ihre Beteiligung Finanzprodukte. Bei Bergfürst sind es Genussscheine, bei Kapitalfreunde und Raumrendite Nachrangdarlehen (siehe Lexikon). „Meist handelt es sich um Produkte des grauen Kapitalmarkts“, sagt Thomas Pfister von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. „Sie werden kaum reguliert.“ Auch wenn Bergfürst damit werbe, dass ihre Prospekte von der Finanzaufsicht Bafin geprüft würden, bedeute dies keine Sicherheit. „Die Bafin prüft die Prospekte nur auf Vollständigkeit und Widerspruchsfreiheit“, sagt Pfister. „Sie untersucht nicht Seriosität oder Wirtschaftlichkeit des Projekts.“ Einen Sicherungsfonds oder Ähnliches gibt es nicht. Erweist sich die Immobilie als Fehlinvestition, ist im Zweifel das gesamte Geld der Anleger weg. Verbraucherschützer Pfister rät deshalb, nur „Spielgeld“ einzusetzen – Geld, auf das man im Zweifel verzichten kann.
Verbraucherschützer kritisieren zudem die lange Laufzeit der Anlage. Die meisten Anbieter planen, die Immobilie erst nach fünf bis zehn Jahren zu verkaufen. „Ob Anleger ihre Anteile vor Ablauf dieser Zeit loswerden, ist fraglich“, sagt Verbraucherschützerin Schmitz. Bei Bergfürst sollen die Anleger die Papiere über eine Online-Plattform verkaufen können. Das funktioniert allerdings nur, wenn es auch einen Käufer gibt, der einsteigen will.