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Gute Proportionen, große Fenster und moderne Materialien: Je großzügiger das Raumgefühl, desto besser lässt sich eine Wohnung vermieten, auch wenn die Fläche klein ist.
© imago/Westend61

Bezahlbares Wohnen: Hauptsache, klein

Wohnungsnot macht erfinderisch. Praktische Grundrisse bieten Lebensqualität auf weniger Quadratmetern.

Seit 2010 werden in Berlin wieder mehr Wohnungen gebaut. Das wurde auch Zeit. Denn jedes Jahr wächst die Bevölkerung in der Größenordnung einer Kleinstadt – vor allem durch junge Menschen aus dem Ausland. So steigen der Bedarf an bezahlbarem Wohnraum und die Nachfrage nach neuen Miet- und Eigentumswohnungen. Aber was sind das für Wohnungen?

Statistisch gesehen leben in Berlin nach Angaben des aktuellen IBB-Wohnungsmarktberichts 1,82 Personen in einer Wohnung. Die durchschnittliche Berliner Wohnung ist nur 73 Quadratmeter groß und bietet etwa 40 Quadratmeter pro Bewohner. Weniger als vor zehn Jahren und weit unter dem Bundesdurchschnitt.

Gleichzeitig steigen die Baukosten und verringert sich der Baugrund. Eine verzwickte Situation, in der Architekten, Projektentwickler, Bauherren und die Politik eine sinnvolle Lösung finden müssen. Denn Berlin wird, wie andere Metropolen auch, auf absehbare Zeit weiter wachsen. Schon jetzt liegt die Stadt mit einem Bevölkerungswachstum von 185 000 neuen Einwohnern zwischen 2011 und 2014 über den Prognosen des Stadtentwicklungsplans. Entsprechend niedrig ist die Leerstandsquote.

Weniger Wohnraum heißt nicht weniger Lebensqualität

„Für die nächsten Jahre ist der Bau von 50 000 neuen Wohnungen geplant“, sagt David Eberhart, Sprecher des Verbands Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU). „Aber sie werden kleiner werden als in der Vergangenheit, um bezahlbar zu bleiben.“

Grund dafür seien steigende Baukosten. Aber auch die Grundstückspreise spielen eine große Rolle. „Die eigentlichen Baukosten sind zwischen 2009 und 2014 nur um rund 30 Prozent gestiegen“, so Eberhart. „Aber die Grundstückspreise haben um 150 Prozent zugelegt und schlagen sich mit gut 2,50 Euro in der Endmiete nieder.“ Wenn also 2009 die Miete für eine Neubauwohnung 8,50 Euro pro Quadratmeter gekostet hat, dann sind es heute mindestens elf Euro.

Weniger Wohnraum ist aber nicht unbedingt gleichbedeutend mit weniger Lebensqualität. Flächeneffizienz ist hier das Stichwort. Dabei kommt Architekten sehr entgegen, dass es heute einen Trend zur offenen Küche gibt. Aber das sei nicht für jeden. „Meine Philosophie ist eher halboffen“, sagt Thomas Groth, Geschäftsführer und Produktentwickler bei der Groth Gruppe. „Wenn man Wohnzimmer und Küche L-förmig anlegt oder mit einer Schiebetür trennt, ist das besser.“ Man müsse effektiv planen und die Funktionalität eines Raums prüfen. Dann seien auch Badezimmer mit weniger als acht Quadratmetern möglich.

Kinderzimmer spielen keine Rolle

Ein Schlafzimmer sei idealerweise ein Rechteck, das Platz für eine Schrankwand bietet. „Dann sind 13 bis 14 Quadratmeter ok. Manchmal reichen sogar elf Quadratmeter“, sagt der Projektentwickler. „Ein Wohnzimmer hat in einer Zwei-Zimmer-Wohnung 21 Quadratmeter, in einer Vier-Zimmer-Wohnung 35 Quadratmeter. Das war prinzipiell nie anders, außer in den 60er Jahren, als man ein bisschen zu effizient gebaut hat und drei Zimmer auf 62 Quadratmeter verteilt hat.“

In einer Stadt, in der 85 Prozent der Wohnungen von nur ein bis zwei Personen bewohnt werden, spielen Kinderzimmer keine Rolle. Das betrifft insbesondere innerstädtische Lagen ohne kindgerechte Infrastruktur. „Es gibt Stadtteile wie Pankow, Weißensee, Lichterfelde oder Friedenau, wo es viele Kinder gibt und eine entsprechende Infrastruktur. Da baut man dann auch größere Wohnungen mit vier oder mehr Zimmern“, sagt Groth.

Andererseits gebe es auch einen immensen Bedarf an Ein-Zimmer-Apartments, vor allem für Studierende. „Studentenwohnungen mit rund 21 Quadratmetern sind für Berlin ein neues Marktsegment, wobei die Wohnheime zusätzlich Gemeinschaftsflächen bieten.“ So entsteht gerade auf Initiative des Unternehmers Jörg Duske im Plänterwald ein Studentendorf aus alten Schiffscontainern.

Der Standardgrundriss hat längst ausgedient

Dass es eine deutliche Nachfrage nach kleinen Wohnungen gibt, bestätigt auch Engelbert Lütke Daldrup, Staatssekretär für Bauen und Wohnen in der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. „Das sind zum einen Studenten und alleinstehende junge Berufstätige, zum anderen aber auch Ältere, gerade bei den Eigentumswohnungen“, sagt der Stadtplaner. „Es sind nämlich gar nicht unbedingt junge Familien, die Wohnungen kaufen.“

Insofern habe der Standardgrundriss ausgedient. „Heute sind Räume gleichwertiger, um flexibel genutzt werden zu können. Was heute ein Kinderzimmer ist, kann morgen ein Büro oder Wohnzimmer sein. Und offene Küchen gibt es vor allem da, wo wir es nicht mit einer klassischen Familienwohnung zu tun haben. Das hat auch sehr viel mit sozialen Veränderungen zu tun. So wird Kochen zunehmend zum Gemeinschaftserlebnis.“

Insofern bedeuten kleinere Wohnungen nicht unbedingt Einbußen in der Lebensqualität. „Mit guten Proportionen, großen Fenstern, modernen Materialien kann man viel bewirken. Je großzügiger das Raumgefühl, desto besser ist eine Wohnung vermiet- oder verkaufbar, auch wenn die Fläche klein ist. Man hat ja nur ein bestimmtes Budget“, sagt Axel Wunschel, Hauptgeschäftsführer des Bauindustrieverbands Berlin-Brandenburg.

Das bestätigt auch Thomas Groth. „Bis 400 000 Euro lassen sich Wohnungen gut verkaufen. Darüber wird es zäh.“ Damit die Baukosten nicht ins Unermessliche steigen und Wohnungen bezahlbar bleiben, schafft der Senat Bauland – eine Bodenpreisbremse wird es nicht geben. So werden die Elizabeth-Aue und die Buckower Felder bebaut. Und das letzte Wort zum Tempelhofer Feld ist auch noch nicht gesprochen.

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