Schuldrechtsanpassungsgesetz: Ende der Schonfrist
Auch die Ost-Datschen sind Geschichte: Der Kündigungsschutz für Pachtverträge läuft am 3. Oktober aus. Massenkündigungen sind aber nicht zu befürchten.
Zar Peter der Große hat sie erfunden. Putin hat heute auch eine. Und zu DDR-Zeiten war es ein kleines Glück, am Wochenende raus aufs Grundstück zu fahren. Nun endet der spezielle Kündigungsschutz für ostdeutsche Datschengrundstücke. Am morgigen 3. Oktober läuft eine entsprechende Regelung nach mehrmaliger Verlängerung aus. Eine Kündigung der Verträge, die nach DDR-Recht geschlossen wurden, ist dann ohne weitere Einschränkungen möglich. Bisher mussten besondere Gründe wie Eigenbedarf vorliegen.
Der besondere Schutz von Datschen geht auf eine Bestimmung im Schuldrechtsanpassungsgesetz zurück. Es wurde Mitte der neunziger Jahre geschaffen, weil sich die Rechtsordnung im Osten im Umgang mit Grund und Boden stark von der im Westen unterschied: „Es konnte ein getrenntes Eigentum an einem Gebäude und an dem Grund und Boden geben, auf dem es stand“, sagt Holger Becker, Sprecher des Verbandes Deutscher Grundstücksnutzer (VDGN). Dies in den „westdeutschen Normalzustand“ zu überführen, bei dem sich Grundstück und Gebäude in einer Hand befinden, sei Ziel des Schuldrechtsanpassungsgesetzes.
Becker rechnet jetzt allerdings nicht mit einer flächendeckenden Kündigungswelle bei Datschen: „In zwei Drittel der Fälle stehen sie im Außenbereich, wo nicht gebaut werden darf.“ Wenn dort ein Grundstücksbesitzer dem Datschenbesitzer kündige, werde er nicht neu bauen können und auch keine Pacht mehr erhalten. Eine Kündigung sei also keine sinnvolle Entscheidung.
In Ostberlin sind schon viele Datschengrundstücke umgewandelt
In der Tendenz sieht der VDGN sogar eher eine „Eigenaufgabe“ der Datschenbesitzer. „Sie sind oft älter als 70 Jahre und können es nicht mehr. Und die Kinder sind nicht mehr da, sondern irgendwo in Baden-Württemberg oder Bayern und kommen auch nicht mehr zurück“, beschreibt Becker die Situation.
Innerhalb der Städte könne es für Datschenbesitzer allerdings problematischer werden, räumt er ein. Aus Sicht des Verbandes müssten vor allem Pächter von Grundstücken in bebaubaren und touristisch attraktiven Gebieten mit einer Kündigung rechnen.
In Ostberlin seien allerdings bereits heute schon viele Datschengrundstücke umgewandelt worden, sagt Harald Becker. Etwa in Kaulsdorf, Biesdorf oder Mahlsdorf. „Viele haben selbst ein Haus drauf gebaut“, sagt er. Groß genug sind die Datschengrundstücke ja. Neben ganz kleinen Parzellen etwa für sogenannte Anglersiedlungen gebe es auch Grundstücke mit mehreren 1000 Quadratmetern, sagt Holger Becker.
In Brandenburg könnten es noch 100.000 Pächter sein
Das unterscheidet die Datschengrundstücke von Gebäuden in Kleingartensiedlungen. Zu DDR-Seiten seien die Bewohner auch nicht im der Verband der Kleingärtner, Siedler und Kleintierzüchter organisiert gewesen. Sondern Datschengrundstücke wurden von Betrieben, Kommunen, Kirchen oder privaten Grundstücksbesitzern bereitgestellt. Die Pächter bauten die Häuser darauf –ob einfacher Fertigteilbungalow oder massives Einfamilienhaus.
Zur Wende gab es eine Million Datschengrundstücke. Heute sollen es noch 500.000 sein, für die vor dem 3. Oktober 1990 auf dem Gebiet der ehemaligen DDR Verträge abgeschlossen wurden. In Brandenburg wird von etwa 100.000 Pächtern ausgegangen.
Brandenburg wollte eine Verlängerung der Kündigungsfrist erreichen
Das Bundesland wollte mit einer Bundesratsinitiative eine weitere Verlängerung der Kündigungsfrist um drei Jahre erreichen. Den zu DDR-Zeiten geschaffenen grünen Oasen sollte eine Atempause verschafft werden. Im März jedoch stimmte der Bundestag mit der Mehrheit der großen Koalition gegen den Gesetzentwurf.
Brandenburgs Justizminister Helmuth Markov (Linke) hätte sich eine Verlängerung der Schutzfrist gewünscht. „Die bisherigen Übergangsregelungen waren misslungen“, sagt er. Die hohe Zahl der Betroffenen, ungerechte Fristen bei Abrisskosten und der soziale Stellenwert der Datschen hätten aus seiner Sicht mehr berücksichtigt werden sollen.
Allerdings sind die Datschenbesitzer bei einer Kündigung nicht rechtlos. Sie haben Anspruch auf Entschädigung, betont Verbandssprecher Becker. Berücksichtigt werden der Zeitwert des Hauses und die Anpflanzungen. Gekündigte müssen ihre Datsche auch nicht abreißen. Dafür ist der Besitzer der Flächen verantwortlich.
Neu ins Gespräch kommen die Datschen als mögliche Unterbringung für Flüchtlinge
Anders verhält es sich, wenn der Datschenbesitzer selbst kündigt. Dann muss er sich innerhalb eines Jahres zu 50 Prozent an den Kosten beteiligen, erklärt Holger Becker. „Wenn ein Jahr nach dem Besitzübergang nichts passiert ist, hat er nichts mehr damit zu tun.“
Teurer ist das Wochenendvergnügen in den vergangenen Jahren aber schon geworden. Lag der Pachtzins vor der Wende bei etwa 20 Pfennig pro Quadratmeter und Jahr, sind es heute durchschnittlich etwa 1,10 Euro. An attraktiven Stellen können es um die drei Euro sein.
Neu ins Gespräch kommen die Datschen als mögliche Unterbringung für Flüchtlinge. Der Bürgermeister der brandenburgischen Gemeinde Heidesee, Siegbert Nimtz (parteilos), hat sich deshalb mit einem Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gewandt.
Nimtz verweist auf zahlreiche Fälle, in denen Eigentümern von Wochenendhäusern das Wohnen in ihren Bungalows baurechtlich verwehrt wird. Dabei handele es sich zumeist um Berliner, deren Stadtwohnungen bei einer Genehmigung des Dauerwohnens auf ihren Grundstücken zur Verfügung stünden. Das würde auch angesichts der Flüchtlingssituation Wohnraumpotentiale erschließen.
"Wohnen Datsche auf der Datsche könnte den Berliner Wohnungsmarkt entlasten"
Dazu erklärt der Präsident des VDGN, Peter Ohm: „Jetzt ist in der Tat ,deutsche Flexibilität’ gefragt, wie sie die Bundeskanzlerin angesichts des Flüchtlingsstroms gefordert hat.“ Das Baurecht und die Praxis der Behörden würden sich hier aber schon seit Langem der Realität verschließen. Anstatt alles dafür zu tun, das Wohnen in dafür geeigneten Wochenendhausgebieten zu legalisieren, würden die Brandenburger Behörden die Menschen mit allerlei Repressalien bis hin zu Abrißverfügungen bedrängen.
„Das Wohnen auf der Datsche könnte helfen, insbesondere den Berliner Wohnungsmarkt zu entlasten, auf dem die Lage durch den Flüchtlingsstrom noch angespannter wird. Warum sollte dafür das Baurecht nicht kurzfristig geändert werden können, wie es bei den baurechtlichen Bestimmungen für die Unterbringung von Flüchtlingen bereits geschehen ist?“, fragt Ohm. Ein Weiterso nach Schema F bei Problemen, die den Menschen hierzulande schon lange auf den Nägeln brennen, werde dem sozialen Frieden jedenfalls nicht zuträglich sein.
Sommerhaus, Ost: Die Datscha
Mit Datsche oder auch Datscha wird landläufig ein Wochenend- oder Ferienhäuschen vor allem in Ostdeutschland bezeichnet.
Das Wort stammt aus dem Russischen und bedeutet laut Duden ursprünglich „Geschenk eines Fürsten“.
Als Begründer gilt Zar Peter der Große (1672-1725), der Anfang des 18. Jahrhunderts in sein Sommerhaus in der Nähe von St. Petersburg einlud, schreibt die Autorin Marina Rumjanzewa in ihrem Buch „Alles über die Datscha – eine kleine Kulturgeschichte und ein Lesebuch“.
Auch der sowjetische Diktator Stalin residierte zeitweise in seinem Sommerhaus bei Moskau. Viele russische Künstler und Prominente hatten zu Sowjetzeiten und haben auch heute noch eine Datscha.
In der DDR gab es etwa eine Million Datschenbesitzer. dpa
- bbbbbb
- Brandenburg neu entdecken
- Charlottenburg-Wilmersdorf
- Content Management Systeme
- Das wird ein ganz heißes Eisen
- Deutscher Filmpreis
- Die schönsten Radtouren in Berlin und Brandenburg
- Diversity
- Friedrichshain-Kreuzberg
- Lichtenberg
- Nachhaltigkeit
- Neukölln
- Pankow
- Reinickendorf
- Schweden
- Spandau
- Steglitz-Zehlendorf
- Tempelhof-Schöneberg
- VERERBEN & STIFTEN 2022
- Zukunft der Mobilität