Unternehmen vermittelt Business-WGs: Einzeln wohnen – gemeinsam kochen
Berlin könnte die Hauptstadt des Coliving werden – Startup schafft Business-WGs.
Nein, nein, mit den jüngsten Gerichtsentscheidungen über Ferienwohnungen in Berlin haben sie nichts tun. „Wir haben proaktiv mit den Ämtern gesprochen“, sagt Robert Gmeiner, Mitgründer und einer der Geschäftsführer des Berliner Startups Medici Living. Weil das Unternehmen Wohnraum für mindestens drei Monate, meist aber länger vermiete, werde es von der „Zweckentfremdungsverbotsverordnung“ nicht erfasst. Man sei nicht im gewerblichen Bereich tätig. Das Startup hat sich der Gründung von Business-WGs verschrieben. Es mietet Wohnungen an, möbelt sie Hilfe von Ikea auf und bietet die Zimmer einzeln auf dem Markt an.
„Es gibt Wohnbedürfnisse, die vom Markt nicht bedient werden“, sagt Gmeiner und meint die „Arbeitsnomaden“, die mal hier, mal dort sind – in den meisten Fällen aber nicht die Zeit haben, sich auf eine monatelange Wohnungssuche zu begeben. Nicht jeder will ja alleine leben. Andererseits kann sich ein Berufstätiger aufgrund seines Tagesablaufes in einer Studenten-WG schon einmal falsch fühlen: Wo es die einen nach einer mitternächtlichen Feier dürstet, sehnen sich die anderen nach Schlaf. Für sie ist das neue Angebot – auch – gedacht. „Es ist nicht cool, wenn man lange gearbeitet hat und nach Hause kommt und dann zwanzig Leute in der Küche kochen“, sagt Co-Geschäftsführer Ferdinand von Fumetti.
Zeitraubende WG-Castings gibt es bei Medici Living nicht; die GmbH bezeichnet sich als ersten professionellen WG-Zimmer-Anbieter. Die Mietverträge können online abgeschlossen werden – alles gehe bei ihnen Ruckzuck, versichern Gmeiner und von Fumetti. Die Online-Buchung eines WG-Zimmers sei „einzigartig in Europa“. Und wer nach einigen Monaten ausziehe, müsse nicht bis zu einem Jahr auf seine Nebenkostenabrechnung warten.
Das Car-Sharing der Immobilienbranche
„Also machen wir ein Flatrate-Modell daraus, sagt der 26-jährige von Fumetti. Online bietet das Unternehmen fast so etwas wie einen Concierge-Service an. Es gibt diverse Service-Pauschalen für die Anmietung und Rückgabe der Wohnung. „Der Wohnungsmarkt ist noch sehr offline“, sagt er, „die Produkte sehen noch aus wie Windows 95.“ Das will man gemeinsam mit Gunther Schmidt, dem dritten Gründer im Gesellschafterbunde, ändern. So wie der Gedanke des Car-Sharings den Automarkt revolutioniert habe und mittels Coworking Büroflächen inzwischen geteilt werden, müsse dieser Gedanke doch auf dem Wohnungsmarkt umgesetzt werden können, finden die drei Geschäftsführer.
„Wir wissen, dass die Leute miteinander kochen“, sagt der 28-jährige Gmeiner. Die durchschnittliche Mietdauer der möblierten Zimmer liege bei neun Monaten. Mit den Wohnungsvermietern schließen die Geschäftsführer von Medici Living am liebsten Mietverträge über zehn oder zwanzig Jahre ab. „Die müssen sich dann um nichts mehr kümmern“, sagt von Fumetti. Schon jetzt betreibe man komplette Häuser, verwalte sie jedoch nicht unbedingt: „Wir sind in einem sehr konservativen Markt unterwegs.“ Doch nichts müsse bleiben wie es ist und war. „Es ist immer die Frage, ob wir die Hausverwaltung mit übernehmen. Wir sehen uns ja nicht als WG-Zimmer-Anbieter, sondern als Immobilienbetreiber.“
Geschäftsführer planen internationales Unternehmen
Die Preise seien nicht nach Lagen gestaffelt, sondern seien abhängig von Größe und Ausstattung. Und natürlich von den Verträgen, die mit den Wohnungsvermietern abgeschlossen wurden. In jeden Falle läge die Provisionmarge von Medici Living deutlich unter dreißig Prozent. Soviel schlagen zum Beispiel einige Bed & Breakfast-Agenturen auf die Preise ihrer Wohnungsgastgeber für die Vermittlung auf.
Aktuell bietet das Startup nach eigenen Angaben rund 1000 Zimmer in Deutschland an, davon 600 in Berlin. Doch damit nicht genug. „Wir wollen unser Netzwerk weltweit ausrollen“, sagt von Fumetti. „Das ist unsere Langfristvision.“ Die Lage, wenig Stress und schnelle Buchungen seien die Erfolgsfaktoren. In Berlin sind Gmeiner und von Fumetti indes schon an Grenzen gestoßen: „Viele Immobilien, die wir anmieten wollten, werden für Flüchtlinge genutzt.“
Deshalb wird jetzt mit Investoren der Wohnungsneubau in Angriff genommen. In Moabit ist eine Wohnanlage in Modulbauweise in Planung. Die engen Grenzen Deutschlands sollen zudem überwunden, die Häuser optimal durchgeplant werden. Sie müssen zum Beispiel große Gemeinschaftsflächen haben, nicht nur große Küchen. „Rund 3500 Neubauzimmer sind über Deutschland hinaus in Planung“, verraten Gmeiner und von Fumetti. Die USA, Niederlande, Österreich, Frankreich und Spanien seien auf der Roadmap. Noch aber ist Berlin der spannendste Markt: „Hier gibt es mehr Neubaupotential“, sagt von Fumetti. Und mehr Zuzüge als andernorts, ließe sich hinzufügen.
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