Bevölkerungsprognose 2030: Berlin auf dem Weg zur Vier-Millionen-Stadt
Berlin wächst gewaltig, das besagt die Bevölkerungsprognose 2030. Pankow liegt auf Platz eins - und auf Platz zwei?
Berlin wird sehr wahrscheinlich schon in zehn Jahren eine Vier-Millionen-Metropole sein. Jedenfalls dann, wenn auch in den nächsten Jahren jedes Jahr zehntausende Flüchtlinge in die Stadt kommen. Das sagt die neue Bevölkerungsprognose voraus, die Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (SPD) am Mittwoch in einer Klausurtagung des Senats vorgestellt hat. Ohne die Flüchtlinge würde die magische Zahl wohl erst nach 2030 erreicht. Die Viermillionengrenze wurde in Berlin zuletzt 1925 überschritten – und viele Jahre blieb die Stadt so groß. Erst mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges und der Teilung der Stadt schrumpfte Berlin wieder, und der Erholungsprozess ließ lange auf sich warten.
Doch vor zehn Jahren setzte in der deutschen Hauptstadt, mit zunehmender internationaler Attraktivität und dem wirtschaftlichen Aufschwung, wieder ein dauerhaftes Bevölkerungswachstum ein. Schon im Sommer 2015 deutete sich an, dass Berlin viel schneller wächst als vorausgesehen. Der leichte Geburtenüberschuss und die Zuwanderung aus anderen Teilen Deutschlands trägt zu diesem Wachstum nur geringfügig bei. Und ans brandenburgische Umland gibt Berlin sogar jedes Jahr einige tausend Berliner ab.
Türkei, Italien, Polen, Bulgarien, Serbien ...
Es sind Menschen aus aller Welt, die in Berlin ihr Glück suchen und die Stadt wachsen lassen. Der Anteil der Ausländer an der Bevölkerung liegt jetzt schon bei 16 Prozent. Die Hälfte der Berliner mit fremder Staatsangehörigkeit kommt aus der Türkei, Polen, Italien, Bulgarien, Serbien, Russland, Frankreich, USA und Vietnam. In diesem Jahr rechnet der Senat damit, dass die Zahl der Ausländer in Berlin um weitere 35 000, vielleicht sogar um 50 000 steigt. Die Zahl der Flüchtlinge, die in den nächsten Jahren kommen, einschließlich des Familienzuzugs, bleibt für die mittelfristige Prognose allerdings eine schwer kalkulierbare Größe.
Alle Zuwanderer, die nach Berlin kommen, verteilen sich ungleichmäßig über die Stadt. Ganz weit vorn liegt Pankow. Der Bezirk wird bis 2030 voraussichtlich um 62 000 Bewohner (16 Prozent) wachsen. Gefolgt von Reinickendorf (9,4 Prozent), Treptow-Köpenick und Lichtenberg (je 9,3 Prozent). Aber auch in Marzahn-Hellersdorf (8,7 Prozent) wird die Bevölkerung schneller zunehmen als im Berliner Durchschnitt.
Die Bevölkerungsstruktur wird sich ebenfalls ändern. So erhöht sich das Durchschnittsalter der Berliner voraussichtlich von derzeit 42,9 auf 44,3 Jahre im Jahr 2030. Die Gruppe der erwerbstätigen Einwohner, aktuell sind es 1,8 Millionen Menschen, bleibt wohl stabil, die Zahl der jungen Erwachsenen zwischen 18 und 25 Jahren nimmt in Berlin geringfügig ab.
Dagegen legt die Gruppe der „jungen Alten“ zwischen 65 und 80 Jahren um zwölf Prozent zu. Die Zahl der Hochbetagten, die älter sind als 80 Jahre, steigt in Berlin bis 2030 um 66 Prozent. „Wir müssen uns auf eine altersgerechte Stadt vorbereiten“, sagte Geisel.
Die gesamte demografische Entwicklung, die in der Senatsklausur besprochen wurde, stellt hohe Anforderungen an die Regierungspolitik der Zukunft. Denn die wachsende Stadt macht sich an allen Ecken und Enden bemerkbar.
Als Berlin Anfang des 13. Jahrhunderts gegründet wurde, konnten sich die rund 2000 Einwohner noch gegenseitig mit Handschlag begrüßen. Aber Berlin ist längst kein Dorf mehr. Für die explosiv zunehmende Bevölkerung müssen ausreichend Wohnungen und Verkehrswege zur Verfügung stehen, aber auch genügend Plätze in Kitas, Schulen und Universitäten.
Der Bedarf an Wohnungen wächst stetig
Die Wirtschaft, und damit die Zahl der Arbeitsplätze, muss kräftig wachsen. Krankenhäuser und Pflegeheime benötigen zusätzliche Kapazitäten. Der öffentliche Dienst braucht deutlich mehr Personal und Sachausstattung als bisher, die Zeit der Sparpolitik ist vorbei. Auch Polizei und Justiz müssen wachsen. Gleiches gilt für die Breitensport- und Kulturangebote.
Die Stadt wird sich auch im Erscheinungsbild verändern: Sie wird höher, dichter, voller. Geisel geht davon aus, dass bis 2020 jedes Jahr 15 000 bis 20 000 Wohnungen gebaut werden müssen. Im nächsten Jahrzehnt sollen 100 000 kommunale Wohnungen entstehen. Anschließend bestehe „weiterer Bedarf“. Ab 2018, so der Senator, müsse man über höhere Ausgaben für die öffentliche Wohnungsbauförderung reden.
Mehr als 20 000 Wohnungen pro Jahr bauen zu wollen, hält Geisel für unrealistisch. Das Planungsrecht und die Baukapazitäten sprächen dagegen. Er kündigte trotzdem am Mittwoch ein Programm für insgesamt 50 000 Wohnungen in zehn Großsiedlungen an, die in den nächsten Jahren entstehen sollen. Um Bebauungspläne schneller aufstellen zu können, soll eine „B-Plan-Fabrik“ mit 30 bis 50 Mitarbeitern entstehen, die auch für die Bezirke arbeiten.
Um Akzeptanz in der Bevölkerung für dichteres und höheres Bauen zu wecken, will der Senator „die grüne Qualität Berlins erhalten und ausbauen“. Dazu gehörten zusätzliche Bäume, Spielplätze und Radwege. Geisels Fazit: „Zuwanderung und Bevölkerungswachstum sind gut, wenn es gelingt, die Neu-Berliner zu integrieren“. Wachstumspotenzial haben in Deutschland übrigens nur die Städte, nicht das Land: Im gesamten Bundesgebiet wird die Bevölkerung von aktuell 81 Millionen Menschen bis 2060 voraussichtlich auf 73 Millionen schrumpfen.