Wohnraum für Studenten: "Eine eigene Wohnung in Berlin ist inzwischen purer Luxus"
Eine bezahlbare Unterkunft zu finden, grenzt für Studierende in der Hauptstadt fast an ein Wunder. Drei Betroffene berichten.
An der Freien Universität in Dahlem haften die Wohnungsgesuche am Schwarzen Brett in dicken Schichten übereinander. Germanistik-Student Philipp Neubauer klebt mit buntem Klebeband seinen neongelben Zettel über die anderen. „Ich muss wirklich dringend ein neues WG-Zimmer finden“, sagt der 23-Jährige. Das Zimmer, das er derzeit bewohnt, ist nur eine Übergangslösung – für ein halbes Jahr kann er in dem möblierten Raum wohnen, da der eigentliche Mieter im Ausland ist. „Der kommt allerdings zum Sommersemester wieder zurück nach Berlin, und bis dahin muss ich mit Sack und Pack das Zimmer verlassen haben.“
Neubauer, der ursprünglich aus Nordrhein-Westfalen kommt, studiert bereits seit anderthalb Jahren an der FU Berlin, bis jetzt hat er nur temporäre Unterkunftsmöglichkeiten gefunden. „Eine Einzimmerwohnung kann ich mir nicht leisten, und WG-Zimmer gibt es so gut wie keine“, beklagt der 23-Jährige. Zeitweise musste der Student sogar schon im Hostel übernachten oder sich auf der Couch eines Kommilitonen einrichten. Das ständige Umziehen sei sehr anstrengend, sagt er. „Aber eine Wohnung in Berlin zu haben, ist inzwischen purer Luxus geworden.“ Neubauer hat im Internet WG-Zimmer-Angebote gefunden, die 480 Euro monatlich kosten. „Das ist kein Pappenstiel für mich als Student, auch wenn ich Bafög beziehe – da bleiben mir nur knapp 150 Euro zum Leben.“
Erst vor wenigen Tagen hat sich eine Charlottenburger WG auf einen der Zettel am Schwarzen Brett gemeldet, „wir treffen uns in einer Woche und besprechen alle Details“, sagt er und hofft, dass er etwas Glück hat und das WG-Zimmer bekommt. „Das sind zwar nur zwölf Quadratmeter Wohnfläche für 375 Euro im Monat, aber dann habe ich endlich eine Unterkunft, in der ich bis zum Master wohnen kann.“ Zur Sicherheit sucht er parallel weiter. Sein Zettel prangt immer noch am Schwarzen Brett.
Bei den Massenbesichtigungen hat man keine Chance
Auch Caroline Seifert ist auf der Suche nach einer geeigneten Bleibe: Sie klickt sich bereits seit Monaten verzweifelt durch das Online-Angebot von WG-Zimmern und kleinen Wohnungen. „Ursprünglich wollte ich gern in Mitte oder Kreuzberg wohnen. Sobald sich die Wohnung jedoch in der Nähe einer S-Bahn- Station befindet, steigen die Preise enorm in die Höhe“, sagt die 24-Jährige. Inzwischen schaut sie nur noch in Marzahn-Hellersdorf nach einer geeigneten Lösung.
Seit knapp einem Jahr sucht die Lehramtsstudentin der Humboldt-Universität schon nach einer Unterkunft. „Ich habe vorher in Leipzig studiert und deutlich weniger Miete gezahlt.“ Die Wohnungspreise in Berlin hätten sie „überrollt“, sagt sie. Sie hätte nicht gedacht, dass es „so schwer“ sein würde, eine Wohnung zu finden. Zum Glück kommt Caroline Seifert aus Berlin und konnte übergangsweise wieder bei ihren Eltern einziehen. Vom Single-Dasein zurück ins alte Kinderzimmer: „Das ist eine ganz schöne Umgewöhnung“, sagt die junge Frau. Und sucht deshalb weiterhin nach einer Ein- bis Zweizimmerwohnung. Damit ist sie nicht allein. Wo gerade Besichtigungstermine stattfinden, erkennt sie schon von Weitem. „Meist steht bereits eine Stunde vor Beginn eine Traube von 40 Menschen vor der Haustür – da hat man keine Chance, beim Immobilienmakler oder Vormieter aufzufallen.“ Einmal, so erzählt die Studentin, habe sie erlebt, wie der Vormieter „Eintritt“ für den Besichtigungstermin verlangt habe. „Jeder Bewerber sollte drei Euro zahlen, um sich die Wohnung anschauen zu dürfen, ansonsten wäre man gar nicht hineingelassen worden.“
Studentenwohnheime sind schnell ausgebucht
Etwas mehr Glück hatte Politik-Studentin Maria Dima bei der Suche, auch wenn der Anfang sehr mühsam war: Etliche Bewerbungen hatte sie geschrieben, bevor sie endlich eine Wohnung in Berlin fand. Die 21-Jährige aus dem niedersächsischen Salzgitter hat im vergangenen Sommer einen Zulassungsbescheid von der Freien Universität bekommen. „Sobald ich wusste, dass ich in Berlin studieren kann, habe ich mit der Suche nach einer günstigen Studentenwohnung auf dem Berliner Wohnungsmarkt begonnen“, erzählt die junge Frau. Seit August suchte sie nach einem passenden Wohnheimzimmer, einer WG oder einer Einzimmerwohnung, musste aber schnell feststellen: „Die Preise in Berlin waren für mich unbezahlbar, da ging die Kaltmiete zum Teil erst bei 500 Euro los“, sagt sie, „deshalb habe ich meine Suche ausschließlich auf WG- oder Wohnheimzimmer beschränkt.“
Zu Beginn des Semesters noch immer keine Unterkunft
Wohngemeinschaften hat Maria Dima vor allem über die Internetseite wg-gesucht.de angeschrieben – bis zu 35 Bewerbungen kamen dabei zusammen. „Davon habe ich nur vier Rückantworten erhalten“, erzählt die Studentin. Dann wurde sie auch zu Vorstellungsgesprächen eingeladen. Eines der WG-Zimmer entpuppte sich bereits bei Beginn der Besichtigung als eine Pritsche, die im Flur aufgestellt war. „Davon habe ich sofort die Finger gelassen“, sagt Dima. „Bei einem anderen Vorstellungsgespräch wiederum wurden mir sehr komische Fragen gestellt.“ Nur bei einem einzigen Termin stimmte die Chemie, allerdings war auch hier die Bewerberzahl so hoch, dass sie zwar in die engere Auswahl kam, das Zimmer jedoch schlussendlich nicht bekommen hat.
„Zusätzlich habe ich mich über das Studierendenwerk Berlin um ein Wohnheimzimmer beworben“, erzählt Maria Dima. Die beliebtesten Standorte waren zu diesem Zeitpunkt bereits ausgebucht. Sie habe lange auf eine Zusage für einen der Randbezirke warten müssen – zu Beginn des Semesters hatte sie noch immer keine Unterkunft. „In dieser Zeit musste ich immer wieder pendeln, und wäre diese Situation so geblieben, hätte ich womöglich mein Studium gar nicht antreten können.“
17 Quadratmeter für 205 Euro Warmmiete
Doch Mitte Oktober bekommt die 21-Jährige dann die Zusage für einen Wohnheimplatz im Steglitzer Stadtteil Lankwitz. „Für viele Studierende mag das eine etwas uncoolere Ecke sein – für mich war es ein absoluter Glücksgriff.“ Nicht nur die Nähe zur Freien Universität, sondern auch das Wohnheim selbst gefällt Maria sehr gut.
Ihr Zimmer ist mit einem kleinen Eingangsbereich circa 17 Quadratmeter groß; 205 Euro Warmmiete zahlt die Studentin derzeit. „Ich teile mir das Bad mit meiner Zimmernachbarin, die Küche ist für unseren gesamten Flur, also für rund zehn Parteien, nutzbar.“ Auch wenn sie einige Abstriche in puncto Sauberkeit und Privatsphäre machen müsse, ist Maria Dima glücklich, eine Unterkunft in Berlin ergattert zu haben.
Lisa Splanemann
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