Nachteil für Unternehmen: Büros in Berlin werden knapp – und teurer
In den Innenstadtlagen sind Büroimmobilien nicht mehr zu haben. Die Preise erreichen neue Spitzenwerte.
Der Berliner Büromarkt brummt – und das ist noch diplomatisch ausgedrückt. Seit 2015 wird jährlich ein neuer Rekordumsatz vermeldet. Was mit einem Vermietungsvolumen von 847.000 Quadratmeter vor zwei Jahren begann und schon damals als kaum zu toppen galt, fand seine Steigerung 2016 und gipfelte vorerst in 940.000 Quadratmeter vermieteter Fläche im Jahr 2017. Die Analysten der Berliner Sparkasse schreiben in ihrem aktuellen Marktbericht über Bürohäuser sogar von 1,01 Millionen Quadratmeter Mietflächen für gewerblichen Raum. Die Nachfrage ist und bleibt weiterhin hoch. Zumal das vergangene Jahr von Großvermietungen geprägt war – allein zwei Anmietungen von Zalando bezifferten sich in der Summe auf 90.000 Quadratmeter.
Vor allem den expansionsbereiten Unternehmen beginnt der Schuh zu drücken beziehungsweise die Zeit davon zu laufen, denn der Büroleerstand in Berlin ist auf rund 450.000 Quadratmeter beziehungsweise die Leerstandsquote auf 2,4 Prozent gesunken. Eine weitere Anmietung durch Zalando über 35.000 Quadratmeter scheiterte zu Jahresbeginn 2018. Wohl dem, der sich frühzeitig um seine neuen Büroflächen kümmert und einen längerfristigen Planungshorizont hat, denn der Vorteil liegt aktuell ganz klar bei den Vermietern.
Berlin zieht mit Paris und London gleich
Mit Blick auf den lokalen Markt sind traurige Rekorde zu verzeichnen. „In beliebten Büro-Teilmarktlagen wie beispielsweise Mitte, Europacity und Kreuzberg sind mit unter 0,5 Prozent faktisch keine Flächen mehr verfügbar“, heißt es in der erwähnten Sparkassen-Analyse.
Berlin zieht mittlerweile als Investmentstandort mit europäischen Metropolen wie London oder Paris gleich. Die immobilienwirtschaftliche Top-Bewertung Berlins im internationalen Maßstab belegt zum Beispiel die aktuelle renommierte pwc- und ULI-Studie „Emerging Trends“, die auf der Befragung von 800 europäischen Immobilien-Professionals basiert. Berlin hält hier im Hinblick auf die Gesamtperformance die eindeutige Top-Position und lässt andere große europäische Metropolen, wie zum Beispiel Paris (Rang 6) oder London (primär durch den Brexit nur noch Rang 31) weit hinter sich.
„Ein steigender Flächenbedarf gehört zu einer wachsenden Wirtschaft einfach dazu“, sagt im Tagesspiegel-Gespräch Chris Bell, Managing Director für Europa bei Knight Frank, einem weltweit tätigen Immobilienberatungsunternehmen. In Berlin laufe eigentlich nichts verkehrt, sagt Bell. Aber: „Das Entscheidende ist, Flächen für Investoren und für Mieter bereitzustellen, und es ist positiv, wenn es wieder spekulative Entwicklungen gibt. Wir sprechen immer von Zyklen: Es braucht eine Weile, um die richtige Location für eine Entwicklung zu finden, um den Planungs- und Entwicklungsprozess anzuschieben.“ So etwas passiert eben nicht auf Knopfdruck. Die Entwicklung neuer Immobilien sei etwas anderes als einen Sharedeal zu machen – sich also an einer bestehenden Entwicklung zu beteiligen. Die große Nachfrage nach Büroflächen und Gewerbeimmobilien gebe es aber jetzt, betont Bell: „Wenn man heute beginnt, hätte man vielleicht in drei Jahren ein Gebäude, dessen Fundamente gerade erst stehen.“
Mehr spekulative Büroprojekte
Immerhin gibt es mehr spekulative Büroimmobilienentwicklungen in der Hauptstadt – von Banken finanzierte Investments also, die noch nicht vom Geschoss A bis zum Geschoss Z durch Vorverträge abgesichert sind. Doch Vorsicht ist geboten, sagt Marcus Buder, Direktor des Geschäftsbereiches Gewerbliche Immobilienfinanzierung bei der Berliner Sparkasse: „Wir finanzieren durchaus auch ohne Vorvermietung, weil wir glauben, dass eine Büroimmobilie in der richtigen Lage auch in kurzer Zeit vermietet werden kann. Bei Hochhäusern wollen wir aber schon gerne einen Vorvertrag sehen – mindestens für Teile der entstehenden Fläche.“
Berlin kommt beim Bau vom Wohnungen kaum hinterher, das gilt allemal auch für Büro- und Gewerbeimmobilien. „Der Gewerbeimmobilienmarkt läuft dem Wohnungsmarkt etwa zwei Jahre hinterher. Der profitabelste Markt ist schließlich der Wohnungsmarkt, wo sich leichter Geld verdienen lässt als mit Gewerbeimmobilien, da er einen schnellen Zugang zum Verkauf der Einheiten hat und derzeit steigende Mieten verzeichnet“, sagt Ole Sauer, Statthalter von Knight Frank in Berlin. „Die gewerblichen Einheiten hingegen sind jetzt erst in der Planung. Da passiert noch viel zu wenig. Immerhin treibt das Interesse der Investoren die Entwicklung an. Media Spree und Europacity sind die Herzkammern der aktuellen Entwicklung in Berlin – hier gibt es die größten Investments. Berlin hatte immer drei gute Lagen: Potsdamer Platz, Friedrichstraße und Kurfürstendamm. Aber es ist positiv, dass neue Standorte dazukommen – das schwächt die etablierten nicht.“
Zeit der großen Auswahl ist vorbei
Vor allem in den heißbegehrten Bürolagen in der City West, in Mitte und der Mediaspree sind Flächen sehr knapp. Wer kurzfristig umziehen will oder muss, findet hier in den seltensten Fällen seine Wunschfläche. Die Zeit der großen Auswahl ist vorbei. Unternehmen konkurrieren um die zur Verfügung stehenden Büroflächen und der Vermieter hat die große Auswahl. Ganz abgesehen davon, nutzen die Eigentümer in diesem sogenannten Vermietermarkt die Gunst der Stunde beziehungsweise die Mechanismen des Marktes: Sie erhöhen die Mietpreise. Allein in der Spitze sind die Mieten im vergangenen Jahr um 9 Prozent gestiegen, im Durchschnitt sogar um 15 Prozent. Erstmals wurde 2017 die monatliche Spitzenmiete bei 30 Euro pro Quadratmeter registriert. Die 30-Euro-Marke schien in Berlin lange unerreichbar bis utopisch. „Die Büro-Spitzenmiete in Berlin liegt bei 30, in Frankfurt bei 40 Euro den Quadratmeter. Hamburg liegt inzwischen hinter Berlin“, fasst Sparkassen-Mann Buder zusammen.
Das knappe Angebot an Mietflächen wird 2018 zur treibenden Kraft im Berliner Markt werden. Es wird dazu führen, dass immer mehr Unternehmen statt eines Umzugs für eine Vertragsverlängerung optieren und dass manche Unternehmen ihre Expansionspläne kurzfristig auf Eis legen werden. Darüber hinaus wird sich das Anmietungsgeschehen verändern und auch verlagern.
Leerstand wird weiter sinken
Wer kurzfristig Flächen beziehen will und muss, wird vorerst mit weiter deutlich steigenden Mietpreisen leben müssen, denn der Leerstand wird im Laufe des Jahres weiter sinken. Wer jedoch langfristig planen kann und erst 2020 oder später umziehen möchte, dem spielt die Zeit und das steigende Projektvolumen in die Karten. „Den Unternehmen, die wirklich zeitnah neue Büros brauchen, kann ich im Bestand, wenn es hoch kommt, eine Handvoll Flächen anbieten, die passen könnten“, sagt Nicolai Baumann, Managing Director vom kanadischen Beratungshaus Avison Young. „Wer mit einem längeren Planungshorizont zu mir kommt, dem kann ich im Moment sicherlich 25 spannende Projekte vorstellen. Natürlich werden diese Projektentwicklungen erst 2021 oder 2022 fertiggestellt, aber der Kunde hat jetzt die Chance, sich Top-Büroräume in wirklich guten Lagen zu sichern. Und das zu einem attraktiven Mietpreis von 25 bis 30 Euro pro Quadratmeter und Monat.“
Mit diesen Preisen dürften Mieter noch gut bedient sein, wenn der Flughafen in Schönefeld fertig wird. Er wird einen weiteren Sog auslösen, ist Chris Bell überzeugt: „Der fehlende internationale Airport ist ein Nachteil. Die internationale Erreichbarkeit Berlins ist ein ganz wichtiger Punkt und würde Investoren noch stärker anziehen. Die Millennials wollen nach Berlin. Das Nachtleben ist prima, Kinoeintritte sind preiswert, die Mieten kann man sich leisten – aber um hierher zu kommen, muss die Erreichbarkeit der wachsenden Stadt verbessert werden.“ Und er ergänzt noch: „Einen weiteren Schub würde die Errichtung von Wohnungen und Büros für die Tech-Industrie auslösen.“ Es muss ja nicht unbedingt in Kreuzberg sein.
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