Immobilienpoker an der Karl-Marx-Allee: „Abtretung des Vorkaufsrechts ist nicht möglich“
Finanzstaatssekretärin Sudhoff weist Kreuzbergs Baustadtrat in die Schranken: dessen Vorkaufspläne seien für die Karl-Marx-Allee absolut unrealistisch.
Die Auseinandersetzung zwischen dem Land Berlin und dem Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg über das richtige Vorgehen zum Wohle der Mieter in den verkauften Blöcken in der Karl-Marx-Allee nimmt an Schärfe zu. Kreuzbergs Baustadtrat Florian Schmidt (Grüne) hatte sich mit Schreiben vom Montag dieser Woche an die Senatsverwandlung für Finanzen gewandt. Dort dürfte zunächst der Betreff Stirnrunzeln ausgelöst haben: „Handlungsempfehlungen des Bezirksamts an den Berliner Senat zum Ankauf der Karl-Marx-Allee“. Am Mittwoch brachte Margaretha Sudhof, Staatssekretärin in der Senatsverwaltung für Finanzen, ihr Antwortschreiben an Schmidt auf den Weg und setzte den Senat gleich CC. Der dreiseitige Brief liegt dem Tagesspiegel vor. Danach sind die von Schmidt vorgeschlagenen Instrumente völlig untaugliche Waffen in der Auseinandersetzung mit dem Konzern Deutsche Wohnen.
Das Bezirksamt hatte zunächst die Möglichkeit eines „treuhänderischen Kaufs“ der vertragsgegenständlichen Wohnungen der Blöcke C-Nord+ Süd sowie D-Nord, beispielsweise über eine der städtischen Wohnbaugesellschaften geprüft.
Der jetzige Verkauf ist der Erstverkauf nach der Umwandlung und löste das gesetzliche Vorkaufsrecht für die Mieter nach Paragraf 577 BGB aus. Darüber wurden die Mieter von Deutsche Wohnen durch einen Notar informiert. Die Frist für die Ausübung des Vorkaufsrechts läuft: Sie beträgt zwei Monate ab Zugang der Mitteilung. Die Zeit drängt also.
Schmidt und ein Gutachten
Zuletzt stellte sich Baustadtrat Schmidt auf der Grundlage seines am 26. November per E-Mail beauftragten Gutachtens der Rechtsanwaltskanzlei Simon Schuster vor, die Mieter könnten ihr Vorkaufsrecht ausüben und die Wohnungen dann quasi an den Staat durchreichen. Das Gutachten liegt dem Tagesspiegel vor. „Insbesondere sollte untersucht werden“, schreibt Schuster zur Versuchsanlage, „inwiefern eine städtische oder gemeinwohlorientierte Wohnungsbaugesellschaft mit den vorkaufsberechtigten Mieterinnen und Mietern der genannten Wohnblöcke eine Vereinbarung schließen können, sodass das Eigentum auf die den Kaufpreis zahlende Gesellschaft übergeht“.
Schuster kommt zu Schmidts Frage „Möglichkeit des Kaufs durch eine WBA (Öffentliche Wohnungsbauanstalt) mittels treuhändischen Abtretungsvertrag und einmaligen Eigentumserwerb“ zunächst zum Ergebnis: „Die Abtretung des Vorkaufsrechts ist rechtlich nicht möglich.“ Aber er sieht eine andere Möglichkeit. „Die Abtretung der Ansprüche aus dem Kaufvertrag (Eigentumsverschaffung, das heißt Übereignung und Eintragung ins Grundbuch) zwischen Vorverkaufsverpflichteter und Vorkaufsberechtigtem (also hier zwischen Deutsche Wohnen und Mieter, d. Red.), der unmittelbar nach Ausübung des Vorkaufsrecht entsteht und neben den inhaltsgleichen Kaufvertrag der Vorkaufsverpflichteten mit dem Dritten tritt, ist zulässig.“ Dem stünde nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nichts entgegen findet Schuster.
Andere finden, dass das bestellte Gutachten den entscheidenden Punkt schlicht übersieht. Der Kaufvertrag schließt nämlich sowohl eine Belastungsvollmacht als auch eine Abtretung der Rechte aus dem Kaufvertrag klipp und klar aus. Das Geld muss bar auf den Tisch gelegt werden, so will es die Deutsche Wohnen, die diesen Weg vorgezeichnet hat, um sich Notarkosten zu sparen.
Ein Weiterverkauf an eine landeseigene Wohnungsbaugesellschaft aber würde ein zweites Mal Grunderwerbsteuer auslösen und erneute Notar-Kosten. Dann würden aus zweimal sechs Prozent Grunderwerbsteuer plus bis zu drei Mal Notar- und Grundbuchkosten insgesamt zirka 16 Prozent Nebenkosten. Dies alles bei Kaufpreisen von über 3500 Euro pro Quadratmeter.
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Sudhof schlägt Kredite vor
Berlins Finanzstaatssekretärin Sudhof fragt Schmidt in ihrem Schreiben deshalb, „ob Sie diesen administrativen Transaktionsaufwand, der bis 5. Januar 2019 zu leisten sein würde, darstellen, bewältigen und auch die Höhe der Transaktionskosten in etwa einordnen können.“ Sudhof schlägt vor diesem Hintergrund vor, „den vorkaufsinteressierten Mieter/innen, die grundsätzlich ihre Wohnung kaufen wollen, die aber mangels Einräumen einer Belastungsvollmacht nicht dazu in der Lage sind das Geld bar auf den Tisch zu legen, d. Red.), durch entsprechende Finanzierungen und Zwischenfinanzierugen der IBB zu helfen.“
Schlussendlich versucht Sudhoff in ihrem Antwortschreiben, Kreuzbergs Baustadtrat klarzumachen, dass es absolut unrealistisch ist, eine Mehrheit an den in Rede stehenden Objekten zu erreichen: „Sie legen richtigerweise dar, dass Ihr Abtretungsmodell nur sinnvoll ist, wenn fünfzig Prozent der Einheiten erworben werden können. Das ist jedoch unrealistisch; nicht einmal eine Sperrminorität kann erwartet werden.“ Für eine beträchtliche Zahl der Einheiten gibt es nämlich gar kein Vorkaufsrecht. Das betrifft zum Beispiel alle Gewerbeeinheiten ebenso wie alle leerstehenden Einheiten.