Tourismusbeauftragter über Sommerurlaub: „Ich würde Mallorca noch nicht abschreiben“
Nicht nur in Deutschland, auch in vielen EU-Ländern könnten Sommerferien möglich sein, sagt Thomas Bareiß. Trotz Covid-19.
Herr Bareiß, wie sieht Ihre Planung für den Sommer aus? Haben Sie eine Reise gebucht?
Nein, ich warte erst einmal ab, wie sich die Pandemie entwickelt. Dieses Jahr ist ja von großer Unsicherheit geprägt. Ich hoffe aber, dass wir angesichts der guten Zahlen die Einschränkungen in den nächsten vier bis acht Wochen lockern können und dass dann auch schrittweise Urlaub wieder möglich sein wird.
In Mecklenburg-Vorpommern beginnen die Sommerferien am 22. Juni, in Berlin und Brandenburg drei Tage später. Viele Menschen haben Reisen ins Ausland gebucht, etwa nach Mallorca oder nach Österreich. Ist es vorstellbar, dass sie diese Reisen machen können?
Ich glaube, die große Fernreise fällt in diesem Sommer aus, aber das gilt nicht für den ganzen Urlaub. Wenn die Entwicklung bei Covid-19 so weitergeht, wird der Sommerurlaub in Deutschland stattfinden können und auch in den europäischen Nachbarländern, in denen sich die Infektionszahlen ebenfalls günstig entwickeln. Entsprechende Gespräche mit den Regierungen führen wir bereits.
Um welche Länder geht es?
Das betrifft vor allem unsere Nachbarstaaten, also etwa Österreich, Frankreich, Belgien, Polen oder die Niederlande. Ziele, die man mit dem Auto erreichen kann. Aber ich würde auch andere Regionen in Europa noch nicht abschreiben, etwa die Balearen oder die griechischen Inseln.
Wenn es dort kaum noch Neuinfektionen gibt und die medizinische Versorgung funktioniert, könnte man auch über einen Sommerurlaub dort nachdenken. Auf EU-Ebene und mit der Weltorganisation für Tourismus, der UNWTO, wird ja bereits darüber gesprochen, welche Standards erfüllt sein müssten.
Was ist mit Deutschland?
Hier sind wir schon weiter, es gibt bereits erste Lockerungen. So erlaubt etwa Mecklenburg-Vorpommern wieder die Anreise in die eigene Ferienwohnung, in einem zweiten Schritt sollen Restaurants und Hotels geöffnet werden. Das muss gleichzeitig passieren. Große Anlagen wie Kongresscenter bleiben dagegen zu.
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Werden wir in ganz Deutschland Sommerurlaub verleben können?
Ja, ich glaube schon, dass touristische Übernachtungen im Sommer deutschlandweit möglich sein werden. Allerdings mit den Vorsichtsmaßnahmen, die wir gelernt haben. Und möglicherweise mit verschärften Schutzauflagen für Gegenden mit höheren Infektionszahlen.
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Die besten Ziele in Deutschland sind aber schon lange ausgebucht. Wo sollen die zusätzlichen Urlauber noch hin?
Das wird sich verteilen. Es ist doch gut, dass sich die Schulferien in Deutschland über einen längeren Zeitraum, also über drei Monate, hinziehen. Ich bin gegen eine Verkürzung, weil wir dann wirklich eine Ballung der Urlauber hätten.
Und: Deutschland ist groß. Mit etwas Kreativität findet in diesem Sommer jeder ein schönes Ziel, das er noch nicht kennt. Darum geht es doch, man will mal etwas anderes sehen, man will mal raus. Aber dennoch wird dieser Urlaub ein anderer sein als früher.
Weil wir mit Mundschutz am Ostseestrand liegen werden?
Wir werden weiterhin Abstand halten müssen und Mundschutz tragen. Das ausgelassene, unbefangene Zusammenkommen wird es dieses Jahr im Urlaub nicht geben. Bei den Hotspots wie Neuschwanstein oder dem Brandenburger Tor werden wir zudem die Besucherströme so steuern müssen, dass nicht zu viele Besucher gleichzeitig da sind. Da wird es Obergrenzen geben müssen. Und ich glaube, Menschen aus Risikogruppen, etwa Senioren, werden weiterhin vorsichtig sein.
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Für die Reisebranche geht es ums Überleben.
Die Branche braucht Hilfe. Und es ist nicht allein mit Krediten getan. Darlehen müssen ja zurückgezahlt werden. Viele Unternehmen der Reisebranche können das aber nicht, weil sie jetzt über Wochen hinweg keine Einnahmen haben. Die Reiseveranstalter und -büros brauchen staatliche Zuschüsse. Wir arbeiten daher an einem neuen, zusätzlichen Hilfspaket für Unternehmen, die längerfristig von Corona betroffen sind.
Speziell für den Tourismus?
Nein, das Hilfsprogramm soll allen Unternehmen offen stehen, die nachhaltig und über längere Zeit unter der Coronakrise leiden und Zuschüsse brauchen. Ich glaube aber, dass von diesem Programm die Tourismusbranche in besonderem Maße profitieren wird und dass es vor allem Tourismusunternehmen zugute kommen wird. Die Margen in dieser Branche sind ja schon in normalen Zeiten gering.
Kann die Staatshilfe eine Pleitewelle verhindern?
Das ist das Ziel. Wir versuchen, allen, die vor der Krise gut aufgestellt waren, zu helfen. Wir wollen die Reisebranche in ihrer Struktur erhalten. Deutschland ist der größte Pauschalreisemarkt in Europa, es gibt hierzulande 4000 Reiseveranstalter, darunter zahlreiche Spezialanbieter. Viele Firmen sind sehr erfolgreich, aber im Moment stehen alle mit dem Rücken zur Wand.
Die Anbieter nehmen nichts ein und müssen den Kunden gleichzeitig Milliarden zurückzahlen für Reisen, die wegen Covid-19 ausfallen. Das Problem wird noch dadurch verschärft, dass den Reiseveranstaltern derzeit Geld, das sie für Flugtickets ausgelegt haben, nicht erstattet wird, wenn der Flug ausfällt. Da geht es um 100, 1000, manchmal aber auch 10 000 Tickets.
Sie wollten die Reisebranche schonen und den Kunden Gutscheine statt Geld für ausgefallene Reisen zahlen. Die EU-Kommission macht das nicht mit. Wie geht es jetzt weiter?
Acht Länder in Europa haben eine solche Gutscheinregelung eingeführt, ohne die EU zu fragen. Ich hätte die Gutscheinregelung in der Ausnahmesituation, in der wir stecken, gut gefunden. Davon hätten alle profitiert: Die Unternehmen hätten ihre Liquidität behalten können.
Die Kunden hätte man mit einer staatlichen Garantie für die Gutscheine absichern können, und dem Staatshaushalt wären milliardenschwere Hilfen erspart geblieben. Aber die EU-Kommission trägt das nicht mit, und auch innerhalb der Bundesregierung sind wir uns nicht einig. Wir müssen jetzt auch über andere Lösungen nachdenken.
Wie könnten die aussehen?
Eine Lösung könnte ein Fonds sein, der die Rückerstattungen an die Kunden übernimmt. Der Staat könnte diesen Fonds zunächst auffüllen, und die Reiseveranstalter könnten das Geld dann peu à peu zurückzahlen. Der Staat würde die Auszahlungen quasi vorfinanzieren, sollte aber nicht auf den Ausgaben sitzen bleiben. Wie auch immer die Lösung aussieht, es muss schnell gehen. Die Zeit drängt.
Die Pleite von Thomas Cook im vergangenen Jahr hat gezeigt, dass Pauschalreisekunden nicht gut genug vor den Folgen einer Insolvenz geschützt sind. Jetzt wird an einer Reform gearbeitet. Wie sollte die aussehen?
Die Fondslösung könnte auch eine Grundlage für die künftige Insolvenzabsicherung der Kunden sein.
Thomas Bareiß (CDU) ist seit März 2018 Tourismusbeauftragter der Bundesregierung und Parlamentarischer Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium.
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