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Es läuft schon lange nicht mehr rund in der Industrie, die sich mit Konkunktur- und Strukturproblemen plagt.
© dpa

Konjunktur 2020: "Hohes Abwärtsrisiko"

Die Auseinandersetzung zwischen USA und Iran hat gerade noch gefehlt: Die deutsche Wirtschaft wächst voraussichtlich nur um 0,8 Prozent.

Es gibt weniger Feiertage in diesem Jahr, und das ist gut für die Konjunktur: Die Wirtschaft wächst voraussichtlich um 0,8 Prozent. Wenn es 2020 ebenso viele Feiertage geben würde wie 2019, dann wären es nur 0,4 Prozent. Der insgesamt schwache Welthandel sowie die Handelskonflikte belasten die deutsche Exportindustrie schwer, vor allem den Maschinen- und den Fahrzeugbau. Und die Investitionstätigkeit ist träge und wird vermutlich auch träge bleiben, weil die Unsicherheit über die Entwicklung im Nahen Osten Folgen zeitigt: "Das Abwärtsrisiko ist groß", sagte Sebastian Dullien am Dienstag in Berlin bei der Vorstellung der Jahresprognose des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK). Der IMK-Chef erinnerte an 2003, als der Irakkrieg weltweit zu einer "massiven Investitionszurückhaltung" geführt habe. Kriegsangst und Ölpreisanstieg könnten in diesem Jahr die Weltwirtschaft nach unten ziehen.

Dekarbonisierung als größte Aufgabe

Die deutsche Wirtschaft befindet sich nach Einschätzung des vom DGB getragenen IMK aktuell in einer "konjunkturell und strukturell schwierigen Phase". Die Dekarbonisierung erfordere grundlegende Veränderungen der Produkte, das populärste Beispiel dafür sind die Autos, und der Prozesse: Die energieintensive Produktion von Rohstahl ohne CO2-Emissionen funktioniert nach jetzigem Kenntnisstand nur mit Hilfe von grünem Wasserstoff. "Die Dekarbonisierung darf nicht stattfinden durch einen Abwicklung der deutschen Industrie", meinte Dullien. In dem Fall wäre die Grundlage des Wohlstands hierzulande gefährdet. Dem Klima wäre auch nicht geholfen, weil viele Güter an anderen, weniger "sauberen" Standorten produziert würden.

Sebastian Dullien ist seit knapp einem Jahr Direktor des vom DGB finanzierten Wirtschaftsforschungsinstituts.
Sebastian Dullien ist seit knapp einem Jahr Direktor des vom DGB finanzierten Wirtschaftsforschungsinstituts.
© Doris Spiekermann-Klaas

Viel mehr Investitionen nötig

Da neben der Industrie auch das Konsumverhalten und die individuelle Mobilität "unter Transformationsdruck stehen, ist eine engagierte Wirtschaftspolitik wichtiger denn je". Das IMK plädiert ebenso wie das von den Arbeitgebern finanzierte Institut der deutschen Wirtschaft (IW) seit längerem für deutlich mehr öffentliche Investitionen. Bis 2030, so die Empfehlung der Ökonomen, sollten hierzulande von der öffentlichen Hand 450 Milliarden Euro zusätzlich investiert werden, um den Wandel auch mit Hilfe einer modernisierten "technischen und sozialen Infrastruktur" in Gang zu bringen. Das deutsche Klimapaket sei zwar ebenso wie der "Europäische Green Deal" auf EU-Ebene begrüßenswert, aber "viel zu niedrig". Dazu bemängelt Dullien Defizite bei der "sozialen Ausgewogenheit". So würden die Privathaushalte durch die CO2-Bepreisung überdurchschnittlich belastet. Die geplante Reduzierung der EEG-Umlage kompensiere nur etwas die Hälfte der zusätzlichen Kosten. Im Klimapaket der Regierung ist nach der Einigung mit dem Bundesrat nun ein CO2-Preis von 25 Euro je Tonne im nächsten Jahr vorgesehen. Bis 2025 erhöht sich der Preis auf 55 Euro.

Klimapaket sozial unausgewogen

Im Verlauf der kommenden Jahren erhöht sich dann zum Beispiel der Spritpreis an der Tankstelle um drei Cent im kommenden Jahr bis zu 15 Cent in der Mitte des Jahrzehnts. Als Kompensation dazu wird die Pendlerpauschale erhöht, wovon vor allem die Bezieher höherer Einkommen profitierten, wie Dullien kritisch anmerkte. Auch die Senkung der Mehrwertsteuer für den Fernverkehr der Bahn helfe kaum den unteren Einkommensschichten, weil für diese Bahnfahren weiterhin zu teuer sei. Alles in allem, so Dullien, wäre ein Kopfpauschale für die Haushalte sozial gerechter gewesen, um die Einnahmen des CO2-Preises wieder unters Volk zu bringen.

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