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Alle Jahre wieder ruft die IG Metall zu Tarifrunden ihre Mitglieder auf die Straße. In diesen Tagen beginnen die Warnstreiks, nächste Woche wird wieder verhandelt. Vor Februar wird nicht mit einem Tarifkompromiss gerechnet.
© dpa

Tarifkonflikte 2018: Hitziger Streit um die Arbeitszeit

Das Tarifjahr beginnt mit einem Großkonflikt in der Metallindustrie: Die IG Metall will eine 28-Stunden-Woche mit Teillohnausgleich für bestimmte Beschäftigtengruppen.

Am 8. Februar ist alles vorbei. Hoffentlich. An dem Tag ist Weiberfastnacht, es beginnen die tollen Tage. Und dann stehen auch schon wieder Betriebsratswahlen an, die nicht durch Streiks gestört werden sollten. Deshalb haben die Tarifstrategen in der Metallindustrie den 8. Februar im Kopf. Spätestens dann soll der Tarifkonflikt gelöst sein, der in den kommenden Tagen mit Warnstreiks Fahrt aufnimmt. Es ist ein besonderer Konflikt, weil Geld nicht im Vordergrund steht.

Seit dem verlorenen Arbeitskampf um die Einführung der 35-Stunden-Woche 2003 in Ostdeutschland tritt die größte deutsche Gewerkschaft erstmals wieder mit einer Arbeitszeitforderung an: Die IG Metall möchte einen Anspruch auf Reduzierung der wöchentlichen Arbeitszeit auf bis zu 28 Stunden durchsetzen, inklusive Rückkehrrecht auf Vollzeit. Das kann so kommen, unter bestimmten Umständen werden die Arbeitgeber bei diesem Punkt einschlagen.

Arbeitgeber sprechen von "Stilllegungsprämie"

Dagegen sträuben sie sich vehement gegen eine „Stilllegungsprämie“ für Arbeitnehmer. Die IG Metall will nämlich für bestimmte Gruppen die Arbeitszeitverkürzung mit einem Teillohnausgleich attraktiv gestalten: Wenn sich die Gewerkschaft durchsetzt, bekommen demnächst Schichtarbeiter 750 Euro im Jahr und Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die eine Arbeitszeitverkürzung für die Betreuung von Kindern unter 14 Jahren oder für im Haushalt lebende Pflegebedürftige nutzen, sogar 200 Euro im Monat. Nach Berechnungen der Arbeitgeber fehlten in den Betrieben 180 000 Vollzeitkräfte, wenn alle Anspruchsberechtigten die Arbeitszeit verkürzen würden. Und das mitten in der Hochkonjunktur; der Fachkräftemangel ist überall spürbar, rund 160 000 offene Stellen gibt es aktuell in der Metall- und Elektroindustrie.

Tarifkonflikt in der Boomphase

Fast vier Millionen Personen arbeiten hierzulande in der Metallindustrie, der grüßte Teil davon im Maschinen- und Fahrzeugbau. Damit ist diese Branche vor dem öffentlichen Dienst mit knapp 2,5 Millionen Betroffenen der größte Bereich, in dem 2018 neue Tarife anstehen. Insgesamt verhandeln die acht DGB-Gewerkschaften in diesem Jahr für knapp zehn Millionen Arbeitnehmer, darunter der Bau mit 700 000 Beschäftigten, die Post (130 000), die chemische Industrie (550 000) und im Herbst auch wieder bei der Bahn (134 000). Im vergangenen Jahr erreichten die Gewerkschaften durchschnittliche Tariferhöhungen von knapp 2,5 Prozent. Bei einer Inflationsrate von 1,8 Prozent haben die Tarifbeschäftigten also real 0,7 Prozent mehr Geld in der Tasche. Das ist nicht so schlecht und wird vermutlich in diesem Jahr noch übertroffen. Auch in der Metallindustrie, wo die Geschäfte glänzend laufen und die Kapazitäten so ausgelastet sind, dass ein Streik unbedingt vermieden werden soll.

Jetzt beginnen Warnstreiks

Das gilt indes nicht für Warnstreiks. Die Verhandlungen in den kommenden Wochen begleitet die IG Metall mit kurzzeitigen Arbeitsniederlegungen ihrer Mitglieder in Unternehmen im gesamten Bundesgebiet, weil das zur Beteiligungsphilosophie der Gewerkschaft gehört: Die Basis selbst soll der Tarifforderung Nachdruck verleihen und damit die Position ihrer Tariffunktionäre am Verhandlungstisch stärken. Und die Verhandler der Arbeitgeber wiederum brauchen die Warnstreiks, um in ein paar Wochen, nach der letzten langen Verhandlungsnacht ihren Unternehmen den Tarifkompromiss verkaufen zu können. Denn die müssen zahlen.

Geld ist dabei diesmal nicht das Problem. Die IG Metall fordert sechs Prozent – und die wird sie auch kriegen. Nicht mit einem Schlag, aber in Stufen, was bei einer langen Vertragslaufzeit über 20 Monate oder mehr kein Problem ist. Und da IG Metall-Chef Jörg Hofmann vor seiner Wiederwahl auf dem Gewerkschaftstag im Oktober 2019 keine weiteren Tarifkonflikt gebrauchen kann, gibt es einen Langläufer bis in den Spätherbst nächsten Jahres. Das bedeutet für die Unternehmen Planungssicherheit und für die Beschäftigten ordentlich mehr Geld.

Ein Arbeitszeitkorridor ist wahrscheinlich

Aber was wird mit der Arbeitszeit? Unter dem Motto „Mein Leben - Meine Zeit“ hatte die IG Metall 2017 in einer Umfrage unter den Beschäftigten deren Arbeitszeitpräferenzen ermittelt und daraus dann die Tarifforderung abgeleitet: Mehr Flexibilität und mehr Selbstbestimmung für die Arbeitnehmer. Den Anspruch auf Teilzeit sowie das Rückkehrrecht auf Vollzeit machen die Arbeitgeber mit – sofern sich das Arbeitsvolumen insgesamt nicht verringert. Konkret bedeutet das in der Folge eine weitere Entfernung von der einst ruhmreich erkämpften 35-Stunden-Woche. Bislang ist es so, dass bis zu 18 Prozent der Metaller länger als die tariflich festgelegten 35 Stunden arbeiten dürfen. Diese Quote könnte verschwinden und stattdessen ein Korridor zwischen 28 und 40 Stunden vereinbart werden.

An dieser Stelle zeigt sich aber auch schon ein Problem: Die Arbeitszeitverkürzung für einen Teil der Beschäftigten kann für einen anderen Teil der Beschäftigten längere Arbeitszeiten und höhere Belastungen bedeuten. Und warum sollten Beschäftigte, die kein Interesse an einer Arbeitszeitverkürzung haben, für diese Tarifforderung streiken?

Die Forderung könnte rechtswidrig sein

Solche Bedenken gelten noch stärker für den Teillohnausgleich, von dem ja nur Schichtarbeiter und Eltern beziehungsweise Arbeitnehmer mit pflegebedürftigen Familienangehörigen profitieren. Die Gewerkschaft „durchbricht die ureigene Forderung der Gewerkschaft, gleichen Lohn für gleiche Arbeit zu zahlen“, heißt es beim arbeitgebernahen Institut der deutschen Wirtschaft (IW). Der Lohn respektive die Tarifpolitik würde eine „sozialpolitische Funktion“ wahrnehmen, die ihr nicht zukomme.

Der Arbeitgeberverband Gesamtmetall hat sich mit einem Rechtsgutachten für die Tarifrunde gewappnet, wonach die Forderung der IG Metall diskriminierend und mithin rechtswidrig ist. Und damit wären dann auch Streiks zur Durchsetzung der Forderung rechtswidrig (siehe Kasten). Es wäre indes ein großer Schritt auf der Eskalationsleiter, wenn die Arbeitgeber Schadensersatz für Streiks geltend machen würden. In der durch Professionalität und Lösungsorientierung geprägten Tarifpartnerschaft in der Metallindustrie wird es dazu vermutlich nicht kommen.

Vergleichsweise unkompliziert dürften nach Ostern die Verhandlungen für den öffentlichen Dienst in den Kommunen und beim Bund laufen: Es geht nur um Geld. Verdi-Chef Frank Bsirske präsentiert die Forderung am 8. Februar.

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