Schöne neue Arbeitswelt: Weniger Arbeitsstunden, weniger Stress
Viele Beschäftigte sind abends total erschöpft. Passend dazu hat die IG-Metall ihre Tarifverhandlungen über eine 28-Stunden-Woche begonnen.
Das Ringen um mehr Geld und weniger Arbeit in der Metall- und Elektrobranche hat begonnen: In mehreren Tarifbezirken wurde am Mittwoch erstmals über die Forderungen der IG Metall verhandelt, die sechs Prozent mehr Lohn und einen Anspruch auf Arbeitszeitverkürzung samt finanziellem Teilausgleich für viele Beschäftigte durchsetzen will. Was bei den Verhandlungen am Ende herauskommt, könnte für die ganze Wirtschaft von grundsätzlicher Bedeutung sein.
Nach Vorstellungen der IG Metall sollen die rund 3,9 Millionen Beschäftigten ihre Arbeitszeit vorübergehend von 35 auf bis zu 28 Stunden pro Woche senken können – wobei bestimmte Gruppen einen finanziellen Ausgleich von ihrem Arbeitgeber erhalten würden, etwa wenn sie Kinder erziehen, Angehörige pflegen oder Schichtarbeit leisten. Das Modell solle nämlich allen offenstehen, auch denen, die wenig verdienen und eine Verkürzung ihrer Arbeitszeit alleine nicht stemmen könnten. Die wirtschaftliche Lage sei derzeit sehr gut, weswegen es sich die Betriebe durchaus leisten könnten, einen solchen Lohnausgleich zu zahlen.
Arbeitnehmer wollen gesunde Grenzen
Die Arbeitgeber sind gegen eine Arbeitszeitverkürzung, weil es den Fachkräftemangel noch weiter verschärfen würde. Schon heute blieben wegen des Personalmangels Aufträge liegen und es fehle an Nachwuchs. Auch die Teilzeitoption samt Rückkehrrecht lehnen sie ab. Das bringe die komplette Arbeitsorganisation durcheinander, lautet ihr Gegenargument. Gleichzeitig treten sie dafür ein, dass der Achtstundentag aufgeweicht wird, damit sie ihre Mitarbeiter andersherum zeitlich flexibler beschäftigen können. Passend dazu warfen sich beide Parteien nach den ersten Verhandlungen vor, die „Zeichen der Zeit“ nicht zu sehen, und wiesen die Forderungen der Gegenseite jeweils zurück.
Der Tarifkonflikt könnte zeigen, wer bestimmt, wie die flexiblen Arbeitszeiten der Beschäftigten auszusehen haben. Die Mehrheit der Deutschen mag laut Umfragen des Meinungsforschungsinstituts Civey den klassischen Achtstundentag. Sie möchten feste Arbeitszeiten und nicht mehr arbeiten, als sie es jetzt tun, was die Gewerkschaften bei einer Lockerung des Arbeitszeitgesetzes befürchten.
Die Hälfte der Beschäftigten kann hierzulande keinen Einfluss auf die Gestaltung der Arbeitszeit nehmen, wie aus dem DGB-Index Gute Arbeit hervorgeht, der am Mittwoch ebenfalls vorgestellt wurde. Die andere Hälfte schon. Ein gutes Viertel der rund 5000 Befragten muss oft bis sehr oft am Wochenende arbeiten; ebenso viele abends; fast jeder Zehnte nachts. Die Gewerkschaften machen seit Längerem darauf aufmerksam, dass Wochenend- und Nachtarbeit vor allem in der Dienstleistungsgesellschaft zunehmen.
Homeoffice hat durchaus negative Effekte
Zum Thema Geld heißt es: Fast jeder Zweite hält die Entlohnung für seine Leistung für nicht in Ordnung. 54 Prozent sind zufrieden. Nur zehn Prozent der Arbeitnehmer machen sich echte Sorgen um ihren Arbeitsplatz. Was heißt, dass sich neun von zehn kaum Gedanken darüber machen, dass ihr Arbeitsplatz überflüssig oder wegrationalisiert werden könnte. Was den allermeisten Befragten sehr wohl Angst macht, ist, dass ihre Alterssicherung nicht ausreichen wird. Nur drei Prozent meinten: „Ich werde sehr gut davon leben können.“
Über die Branchen verteilt, sind Beschäftigte im Gesundheitswesen am unzufriedensten mit ihrer Tätigkeit. Gefolgt von Arbeitnehmern im Sozialwesen wie etwa in der Alten- und Jugendhilfe, im Gastgewerbe und Handel. In diesen Berufen kommen immerhin unbeliebte Arbeitszeiten, die auch körperlich anstrengend sind, und wenig Geld zusammen. Am zufriedensten sind Arbeitnehmer in der Ver- und Entsorgung, also in der Energie-, Wasser- oder Abfallwirtschaft.
Was mit Blick auf die Gesundheit besorgniserregend ist: Vier von zehn Beschäftigten sind nach der Arbeit oft zu erschöpft, um sich noch um private oder familiäre Angelegenheiten zu kümmern. Etwas mehr Menschen haben Schwierigkeiten, die Betreuung von Kindern oder zu pflegenden Angehörigen mit ihrer Arbeit zeitlich überhaupt zu vereinbaren. Überraschend ist, dass Beschäftigte, die von zu Hause aus arbeiten, diesbezüglich über mehr Probleme berichten als diejenigen, die nicht zu Hause arbeiten. Mehr Home-Office wünscht sich auch nur rund jeder Fünfte. Wesentlich stärker ausgeprägt ist der Wunsch nach einer Begrenzung des Arbeitstags. Dies würde für die Mehrheit das Leben erleichtern.
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