Krisengipfel zur Luftqualität: Hendricks reist ohne Angebot nach Brüssel
Umweltministerin Hendricks reist nach Brüssel, um in letzter Minute eine Klage wegen schlechter Luft gegen Deutschland abzuwenden. Umweltverbände fordern: Die EU muss Härte zeigen
Die geschäftsführende Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) hat kein Ass im Ärmel, wenn sie Dienstag zum Luftreinhaltungsgipfel nach Brüssel kommt. Das Treffen gilt als letzte Chance, um in dem seit Jahren anhängigen Vertragsverletzungsverfahren eine Klage der EU-Kommission gegen Deutschland vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) abzuwenden. Hendricks kann dem zuständigen Kommissar Karmenu Vella gar nicht die Zusagen machen, die er von Deutschland einfordert. Im Kampf gegen die hohen Stickoxidwerte könnten ihn etwa Nachrüstlösungen für ältere Diesel-Fahrzeuge oder die Blaue Plakette überzeugen, das Verfahren gegen Deutschland doch noch einzustellen. Hendricks setzt sich zwar dafür seit langem ein. Doch sie hat in Brüssel nicht die Kompetenz, sie anzukündigen. Union und SPD haben sich darauf nämlich bei der Koalitionsgesprächen dem Vernehmen nach (noch) nicht verständigt.
Doch Vella macht Druck. Der Sozialdemokrat aus Malta schreibt in seinem jüngsten Blog-Eintrag: „Wir brauchen dringend Taten.“ Er droht damit, Brüssel ziehe andernfalls vor den EuGH: „Falls es keine Verbesserungen gibt, werden wir rechtliche Konsequenzen ziehen.“ Seine Geduld sei am Ende: „Dies ist der letzte Schritt eines langen – einige sagen zu langen - Weges“, auf dem die Kommission Hilfe angeboten, Ratschläge gegeben und gedroht habe. Vella stellt klar: Aktionspläne mit einer 10- bis zwölfjährigen Laufzeit oder nutzlose Pläne würden nicht ausreichen. Hendricks kann allenfalls vorbringen, dass die Schadstoffwerte in vielen Städten zurück gehen.
Acht Länder sollen Vorschläge mitbringen
Vella hat die Umweltminister Deutschlands und acht weiterer Länder, die seit Jahren gegen die EU-Vorgaben für saubere Atemluft verstoßen, zum Rapport nach Brüssel bestellt. Wie man in Brüssel hört, kommen die Umweltminister persönlich nur aus Deutschland, Frankreich, Tschechien und Italien zu dem Treffen. Die Regierungen der anderen Länder schicken Staatssekretäre. Bei dem um 9 Uhr beginnenden Treffen will Vella den Vertretern der Umweltministerien zunächst ins Gewissen reden und ihnen dann Gelegenheit geben, eigene Pläne für eine Verbesserung der Luft vorzulegen.
Es wird nicht damit gerechnet, dass das Treffen mit konkreten Ergebnissen zu Ende geht. Vella wird also wohl Dienstag nicht zu erkennen geben, ob die Kommission bereit ist, den Druck auf Deutschland oder ein anderes Mitgliedsland zu verringern. Das heißt: Auch danach besteht weiter jederzeit die Möglichkeit, dass die Kommission beschließt, gegen eines oder alle betroffenen Mitgliedsländer vor den Luxemburger Gerichtshof zu ziehen.
Das Vorgehen der Kommission im Fall der jahrelangen Verstöße gegen die EU-Luftreinhaltungsrichtlinie ist höchst ungewöhnlich. In dem seit Jahren anhängigen Vertragsverletzungsverfahren sind seit letztem Frühjahr alle vorgesehenen Schritte des Dialogs zwischen Brüssel und den Regierungen in den Hauptstädten abgehakt. Wiederholt stand die Kommission in dem Fall kurz davor, Klage zu erheben. Dennoch bekommen die Mitgliedstaaten nun eine letzte Chance. Dies muss als Signal der Kommission verstanden werden, dass es ihr vor allem um die Sache geht: Die Kommission will, dass die Werte in den Innenstädten herunter gehen, es geht ihr nicht darum, vor Gericht zu gewinnen und Strafzahlungen gegen die Mitgliedstaaten durchzusetzen.
Umweltverbände ermutigen Brüssel zur Klage
Vor dem Krisengespräch in Brüssel haben Umweltverbände die EU-Kommission ermutigt, einer harte Linie gegen Deutschland zu fahren. Die bisherigen Maßnahmen der Bundesregierung reichten nicht, um die EU-Grenzwerte für Luftqualität einzuhalten, erklärten die Verbände VCD, BUND, DUH und NABU am Montag gemeinsam. Deshalb solle Brüssel den Druck auf die Bundesregierung aufrecht erhalten.
Die erst am Sonntag gewählte Grünen-Parteichefin Annalena Baerbock sagte, Hendricks stehe „ganz persönlich als Umweltministerin“ in der Pflicht. Die SPD-Politikerin dürfe nicht als „Büttel“ der Bundesregierung oder der Automobilindustrie nach Brüssel fahren. Sie müsse klar machen, dass es um Umwelt- und Gesundheitsfragen gehe, „und dass es nicht sein kann, jetzt irgendwelche Klagen abzuwenden“. mit dpa