Neue Studie: Diesel-Fahrverbote in zehn Städten befürchtet
Nach Berechnungen könnte die Abgasbelastung in diesem Jahr vielerorts Konsequenzen haben. Berlin wäre nicht betroffen. Umweltministerin Hendricks muss in Brüssel antreten.
In mindestens zehn deutschen Städten droht einer Modellrechnung zufolge noch in diesem Jahr ein Fahrverbot für Dieselautos. Berlin ist trotz einiger besonders mit Stickoxiden belasteten Straßen in Neukölln voraussichtlich nicht betroffen. Nach einer Hochrechnung des Car-Instituts an der Uni Duisburg-Essen sind die zehn Städte München, Stuttgart, Köln, Reutlingen, Hamburg, Heilbronn, Kiel, Düsseldorf, Darmstadt und Ludwigsburg. In diesen Städten werden die von der EU vorgegebenen Stickoxid- Grenzwerte erheblich überschritten, und Umweltschutzorganisationen versuchen deshalb Fahrverbote gerichtlich zu erzwingen.
Unter anderem hatte im vergangenen Jahr das Verwaltungsgericht Stuttgart geurteilt, dass die bisherigen Maßnahmen nicht genügten, um die vor allem mit Stickoxiden und Feinstaub verschmutzte Stuttgarter Luft zu verbessern. In der Folge des Urteils drohen nun Fahrverbote für alte Diesel-Autos, die als Hauptverursacher von Stickoxiden gelten. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung hat das Gericht die Sprungrevision zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig zugelassen, das sich am 22. Februar mit dem Thema befasst.
Derweil verliert die EU-Komission langsam die Geduld. Am kommenden Dienstag wird Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) in Brüssel erwartet. Sie will versuchen, eine Klage der Kommission vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) wegen zu hoher Stickoxidwerte in deutschen Städten abzuwenden. Neben Deutschland drohen acht weiteren EU-Mitgliedstaaten entsprechende Klagen. Vor einem Jahr hatte die Kommission wegen der anhaltenden Überschreitung der Grenzwerte bei Stickoxid eine letzte Warnung an Deutschland, Frankreich, Spanien, Italien und Großbritannien ausgesprochen. In Deutschland würden anhaltende Grenzwertverstöße in 28 Gebieten festgestellt - mehr als in jedem anderen EU-Land.
Fahrverbote oder Hardware-Nachrüstungen unumgänglich
Ende November war bei einem Spitzentreffen von Bund, Ländern und Kommunen bei Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) der Startschuss für konkrete Projekte zur Luftreinhaltung gefallen. Dafür stehen eine Milliarde Euro zur Verfügung; ein Viertel der Kosten soll die Autobranche übernehmen. Im Dezember hatten dann 60 Städte vom Bund Geld für die Erstellung von Konzepten zur Bekämpfung der Diesel-Abgase bekommen.
Das Duisburger Car-Institut hat in seiner aktuellen Studie Daten des Umweltbundesamtes für einzelne Städte ausgewertet und für 2017 und 2018 hochgerechnet. „Unsere Ergebnisse zeigen für das Jahr 2017, dass weder Software-Updates, die zu großen Teilen schon umgesetzt sind, noch Abwrackprämien zu einer außergewöhnlichen Reduktion geführt haben“, teilte das Institut am Sonntag mit. Deshalb sei es unwahrscheinlich, dass „durch ein paar Busumrüstungen in den Städten eine gravierende Besserung erfolgt“. An Fahrverboten oder Hardware-Nachrüstungen der Dieselautos komme man nicht vorbei. Die Autohersteller lehnen bislang Hardware-Umrüstungen ab, da diese zu aufwändig seien.
Die dreckigsten Straßen oder Regionen Deutschlands liegen nach der Berechnung des Car in München und Stuttgart. An der Landshuter Allee in München sinkt zwar die Belastung mit Stickoxiden von 84 Mikrogramm (2015) auf voraussichtlich 71 in diesem Jahr. Der Grenzwert der EU sieht als Jahresmittelwert jedoch 40 Mikrogramm vor. Als schmutzigste Berliner Straßen hat das Car die Karl-Marx- sowie die Silbersteinstraße in Neukölln ermittelt, mit voraussichtlich 45 beziehungsweise 44 Mikrogramm im Jahresdurchschnitt 2018.
Zu viele Autos in der Stadt? In unserem Debattenportal Causa diskutieren Experten über die Mobilität der Zukunft in Berlin.