Erste Anhörung im Wirtschaftsministerium: Hat sich Sigmar Gabriel im Fall Kaiser's schon entschieden?
Darf Edeka Kaiser’s-Tengelmann übernehmen? Bei der ersten öffentlichen Anhörung im Wirtschaftsministerium fliegen die Fetzen.
„Der Minister möchte von Anfang an dabei sein“, heißt es eingangs. Doch als er fünf Minuten verspätet den Saal betritt, hat man sich doch entschieden, die Verhandlung schon mal ohne ihn zu eröffnen. „Ich will nicht stören“, sagt er, nimmt an einem Seitentisch Platz – wie ein unbeteiligter Gast. Dabei sind alle nur seinetwegen hier: Ihm wollen sie gefallen, ihn müssen sie überzeugen. Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel entscheidet, ob Edeka Kaiser’s-Tengelmann übernehmen darf oder nicht.
Seit mehr als einem Jahr versucht Tengelmann-Chef Karl-Erivan Haub die Supermarktkette, die sich für ihn schon lange nicht mehr rechnet, an den Marktführer zu verkaufen. Das Kartellamt und die Monopolkommission haben nein gesagt. Der potenzielle Käufer hat zuerst das Wort bei der ersten öffentlichen Anhörung im noblen Eichensaal des Wirtschaftsministeriums: „Wir sichern 16 000 Arbeitsplätze und schaffen neue“, sagt Edekas Vorstandsvorsitzender Markus Mosa, und wirbt: Edeka werde in Modernisierungen investieren und die Wertschöpfung steigern. Er verspricht mehr Umsatz, also auch höhere Steuereinnahmen – „in Zeiten, in denen die Beiträge großer Unternehmen wie VW und Deutsche Bank wegen deren Verluste zurückgehen eine willkommene Kompensation“. Nur mit der Gesamtübernahme durch Edeka, schlussfolgert er, drehten „alle Vorzeichen von Minus ins Plus“.
Arbeitnehmervertreter von Tengelmann sehen das anders. Sie befürchten mindestens mittelfristig den Abbau von Stellen und Lohnverschlechterungen, wenn einzelne Filialen an selbstständige Kaufleute im Edeka-Verbund ausgegliedert werden. Auch Verdi sieht bei der Edeka-Lösung nicht nur die demokratischen Strukturen innerhalb des Unternehmens gefährdet. Mosa könne gar keine Aussagen für die Partner-Händler treffen. Da kommt von Gabriel ein unerwartet provokanter Einwurf von der Seitenlinie: „Ihre Ablehnung, ist das Selbstmord aus Angst vor dem Tod?“ Die Gewerkschafts-Vertreter sind sichtlich verunsichert. Und verpassen die Gelegenheit, sich klar gegen eine Ministererlaubnis zu positionieren. „Ich verstehe Sie doch richtig, dass Sie sich gegen eine Erlaubnis aussprechen?“, fragt Gabriel. Bekommt aber nur eine Gegenfrage: „Wie wollen Sie denn Rechtssicherheit herstellen?“ „Sie sind also gegen eine Erlaubnis?“, fragt der Vizekanzler abermals. Verdi schweigt.
Rewe korrigiert den Minister
Ob ihnen denn bewusst sei, dass die einzige Alternative genau das sei, wogegen sie hier argumentierten – eine Zerschlagung der Kette, will Gabriel noch wissen. „Rewe müsste ebenfalls einen Antrag auf Ministererlaubnis stellen.“
Rewe-Chef Alain Caparros muss lange warten, ehe er Gelegenheit bekommt, den Minister in diesem Punkt zu korrigieren. „Die Behauptung, im Fall Rewe bestünden die gleichen kartellrechtlichen Bedenken wie bei Edeka, ist unwahr“, sagt er. „Die Monopolkommission hat ausdrücklich festgestellt, dass Rewe eine Alternative ist.“ Karl-Erivan Haub hatte in seinem Eingangsstatement erklärt, es gebe keine Alternative zu Edeka – Rewe habe sich „taktisch zögerlich“ verhalten. „Herr Haub sagt die Unwahrheit und wir werden das beweisen“, prescht Caparros vor. Bereits bei einem Abendessen des 1. FC Köln im Februar 2014 habe er Herrn Haub auf eine mögliche Übernahme angesprochen, danach mehrfach angerufen. Dem Minister mit einer Zerschlagung des Unternehmens zu drohen, sei Erpressung.
Gabriel will Alternativen nicht untersuchen
Auch Rewe will sämtliche Filialen übernehmen – anders als Edeka „auch die in Produktion und Logistik“. Gabriels Antwort vom Rand darauf wirkt hämisch: „Bitte verstehen Sie, dass es sehr schwer ist, in diesem Rahmen Verkaufsverhandlungen für Sie zu arrangieren.“ Man entscheide hier nicht über denkbare andere Konstellationen, sondern prüfe ausschließlich, ob bei dem vorliegenden Angebot das Gemeinwohlinteresse die wettbewerbsrechtlichen Bedenken überwiege.
Vielleicht fehlen ihm genau die fünf Minuten am Anfang, in denen die Regeln erklärt wurden: Neben den Aspekten Beschäftigungssicherung, Rechtsgültigkeit und etwaigen Auflagen gelte es auch zu klären, welche Alternativen es gibt, hatte der Leiter der Anhörung kundgetan. „Für mich stellen die Forcierung der Marktmacht von Edeka und die Mehrung des Vermögens von Herrn Haub kein überragendes Interesse der Allgemeinheit dar“, sagt Rewe-Chef Caparros. Es klingt ein bisschen resigniert.
Berlins Senatorin Yzer ist für die Fusion
Die befragten, weil in erster Linie betroffenen Bundesländer haben sich tendenziell für die Erteilung einer Erlaubnis ausgesprochen. Bayern und Hamburg befürworteten die Übernahme klar, Berlin und Nordrhein-Westfalen forderten für diesen Fall Auflagen und positionierten sich unter dem Strich neutral, hielt der Verhandlungsführer fest. Allerdings hatte sich Berlins Wirtschaftssenatorin Cornelia Yzer am Sonntag noch für den Zusammenschluss stark gemacht: Der Berliner Lebensmitteleinzelhandel sei in seiner jetzigen Struktur ein Garant für Wirtschaftswachstum und Arbeitsplätze in der Hauptstadt. „Ich erwarte deshalb, dass der Bundeswirtschaftsminister nun die Ministererlaubnis ausspricht, um mit einem klaren Kurs (...) die gute Beschäftigungslage und den hohen Versorgungsgrad in Berlin zu sichern.“
Auf eigene Initiative hat auch Niedersachsen eine Stellungnahme abgegeben, und zwar eine ablehnende: Das Land befürchtet negative Auswirkungen für die dort ansässigen Fleischbetriebe. „Wir haben die Wahl zwischen Pest und Cholera“, sagt ein Vertreter der Birkenhof-Werke am Montag. Edeka hat keine Verwendung für die Fabriken, er sieht auch bei einer Zerschlagung die Zukunft in großer Gefahr. Eine Entscheidung soll frühestens Ende November fallen.