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Die großen Ketten im Lebensmitteleinzelhandel – Rewe, Edeka, Aldi und die Schwarz- Gruppe (Lidl, Kaufland) – setzen Konzernen wie Unilever zu.
© picture alliance / dpa

Streit zwischen Kaufland und Unilever: Händler gegen Hersteller

Der Streit zwischen Kaufland und Unilever findet kein Ende – es geht um Marktmacht und Markenprodukte. Auch die EU mischt mit.

Als Dieter Schwarz vor einigen Wochen den Kaufland-Prospekt mit Sonderangeboten durchblätterte, gefiel ihm nicht, was er da sah. Das waren keine richtigen Knaller, die ihm angepriesen wurden, fand der 79-Jährige. Also schnappte sich der Gründer und Inhaber der Schwarz- Gruppe, zu der Kaufland und Lidl gehören, den Prospekt und marschierte direkt vom firmeneigenen Fitness-Studio, das sich im Gebäude der Konzernzentrale befindet, hinunter zum Empfang. Da stand er nun, der laut Wirtschaftsmagazin „Bilanz“ reichste Deutsche, und verlangte nach demjenigen, der für die Auswahl der Sonderangebote zuständig war. Seit diesem Vorfall, so heißt es, lässt sich Schwarz wieder persönlich um Rat fragen, wenn es um die Auswahl der Sonderangebote im Prospekt geht.

So jedenfalls erzählen es sich die Mitarbeiter der Kaufland-Zentrale im baden-württembergischen Neckarsulm. Inwieweit Schwarz auch in anderen Fragen wieder vermehrt eingreift, ist nicht bekannt. Doch Gelegenheiten gäbe es zu Genüge. Denn Kaufland befindet sich mit dem Konsumgüterhersteller Unilever derzeit in einer der spektakulärsten Händlerstreitigkeiten der vergangenen Jahre.

Im September eskalierte der Streit in den Vertragsverhandlungen, die seit Juni liefen. Kaufland gab bekannt, in seinen 650 Filialen in Deutschland fast 500 Artikel von Unilever auszulisten. Bekannte Marken wie Knorr, Langnese, Lipton oder Axe, die alle zum niederländisch-britischem Konzern gehören, waren bei Kaufland seitdem nicht mehr erhältlich. Als Grund wurden „drastisch erhöhte Einkaufspreise von Unilever“ angeführt.

Schaltzentrale. Die Rotterdamer Zentrale des Konsumgüterherstellers Unilever.
Schaltzentrale. Die Rotterdamer Zentrale des Konsumgüterherstellers Unilever.
© REUTERS

Eine Einigung ist nicht in Sicht. Im Gegenteil. Dem Tagesspiegel verriet Kaufland weitere Details, die ein baldiges Ende des Streits unwahrscheinlich machen. „Die aktuellen Preiserhöhungen sind signifikant, sie betragen bei einzelnen Artikeln bis zu 27 Prozent“, teilt das Unternehmen auf Nachfrage mit. Für das kommende Jahr habe Unilever zudem „weitere wesentliche Erhöhungen“ angekündigt. Diese seien aus Sicht von Kaufland keineswegs nur mit den aktuellen Kosten- oder Rohstoffentwicklungen zu begründen. „Vielmehr nehmen wir an, dass Unilever aufgrund seiner aktuellen Situation am Aktienmarkt seine Rendite überproportional erhöhen will“, wirft Kaufland dem Hersteller vor. Die „einzige Chance für eine Einigung“, so sieht es Kaufland, sei, dass Unilever „diese ungerechtfertigten Preiserhöhungen auf ein durch Rohwarenentwicklung begründetes Niveau“ zurückführe.

Die Supermarktkette reagiert damit auf Äußerungen des Deutschland-Chefs von Unilever, Ulli Gritzuhn. Er hatte Kaufland in der „Welt“ vorgeworfen, „eine neue Stufe bei derartigen Auseinandersetzungen“ betreten zu haben. Damit bezog er sich auf die Tatsache, dass Kaufland die Unilever-Produkte nicht nur in Deutschland, sondern auch in vielen osteuropäischen Filialen aus dem Sortiment genommen hat. Auf Nachfrage begründet Unilever seine Preispolitik mit Faktoren wie „Entwicklung, Rohwaren, Produktion, Logistik und Vertrieb“. Zudem betont der Konzern, dass die Preise für Lebensmittel in kaum einem europäischen Land so niedrig seien wie in Deutschland.

Die Marktmacht der großen Ketten hat sich verfestigt

Doch wer sitzt am längeren Hebel? Tatsächlich hat sich die Marktmacht der vier großen Ketten im Lebensmitteleinzelhandel Deutschland – Rewe, Edeka, Schwarz-Gruppe und Aldi – zuletzt verfestigt. Allein die drei erstgenannten sind für die Hälfte des Umsatzes von Unilever in Deutschland verantwortlich. Andersherum machen Unilever-Produkte für den Einzelhandel dem Vernehmen nach nur rund zwei Prozent des Umsatzes aus. Hinzu kommt, dass Handelsketten ihr Angebot an Eigenmarken stetig ausweiten. Sie sind günstiger als die Markenprodukte und kommen beim Verbraucher Studien zufolge gut an. Nicht umsonst spricht Unilever von „Abhängigkeitsverhältnissen auf der Seite der Hersteller“.

Aus Sicht von Unilever führt diese Entwicklung dazu, dass Investitionen der Hersteller ausbleiben und Jobs vernichtet werden. Kaufland wiederum will „nicht erkennen, dass wir uns in einer überproportional starken Position gegenüber Unilever befinden“. Dazu passt auch, dass in der vergangenen Woche einzelne Unilever-Produkte wieder vereinzelt den Weg in die Kaufland-Regale gefunden haben. Wie die „Lebensmittelzeitung“ berichtet, sind Top-Seller wie Knorr-Fix oder Dove in Märkten im Rhein-Main-Gebiet wieder erhältlich.

Die Machtverhältnisse in der Lebensmittelbranche haben auch die Europäische Union (EU) auf den Plan gerufen. Schon im April wurde eine neue Richtlinie vorgeschlagen, die „unlautere Handelspraktiken in den Geschäftsbeziehungen zwischen Unternehmen in der Lebensmittelversorgungskette“ bekämpfen soll. Ende Oktober hat das EU-Parlament mehrheitlich für die neuen Regeln gestimmt. Nun sollen mit dem EU-Rat konkrete Lösungen ausgehandelt werden.

Edeka kritisiert EU-Kommission scharf

Die EU scheint mit diesem Schritt der Sichtweise von Unilever zu folgen und die Marktmacht der Handelskonzerne beschränken zu wollen. Besonders internationale Allianzen von Händlern stehen im Fokus der Richtlinie. Nicht umsonst lobt Unilever diese als „wichtigen Beitrag zu grundsätzlichen Verbesserungen in der Wertschöpfungskette“. Ganz anders sieht das die Supermarktkette Edeka, die auf Tagesspiegel-Nachfrage mitteilt, mit der Richtlinie sei die EU-Kommission „völlig über das Ziel hinausgeschossen“. Die Handelsseite werde so „massiv geschwächt“, ein Verbot von Allianzen werde höhere Verbraucherpreise zur Folge haben.

Edeka ist in dieser Frage allerdings auch kein Unbeteiligter. Erst im Februar hatte ein ähnlicher Handelsstreit zwischen der Supermarktkette und dem Nahrungsmittelkonzern Nestlé für Aufsehen gesorgt. Damals hatte Edeka 160 Produkte des Herstellers ausgelistet, weil sich beide Seite nicht auf neue Lieferkonditionen einigen konnten. Betroffen waren Marken wie Maggi, Nescafé oder Tiefkühlpizza von Wagner. Im Mai hatten sich beide Seiten geeinigt. Inzwischen stehen alle Produkte wieder in den Edeka- Märkten. Weder Nestlé noch Edeka wollen sagen, worin die Einigung bestand.

Bei allen gegenseitigen Vorwürfen betonen sowohl Kaufland als auch Unilever weiterhin, offen für konstruktive Gespräche zu sein. Vielleicht ist auch das ein Anreiz für Dieter Schwarz, doch noch einmal ins operative Geschäft einzugreifen.

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