zum Hauptinhalt
Ein Alter in Würde sieht anders aus: Eine alte Frau sammelt Flaschen aus Abfalleimern im Hauptbahnhof in Mülheim an der Ruhr.
© epd

Jeder fünfte Rentner wird arm sein: Handeln gegen Altersarmut, bevor es zu spät ist

Die Zahl der armen Rentner steigt, zeigt eine neue Bertelsmann-Studie. Wer das verhindern will, muss anständige Jobs schaffen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Heike Jahberg

Das wünscht man niemandem: Ein Leben lang arbeiten, um am Ende doch Sozialhilfeempfänger, pardon Bezieher von Grundsicherung, zu sein. Doch genau dieses Schicksal droht vielen Menschen in Deutschland. In 20 Jahren wird jeder fünfte Neurentner auf die Hilfe des Staats angewiesen sein, um sein Leben zu finanzieren, warnt die Bertelsmann-Stiftung in ihrer neuen Studie. Armut trägt dann immer häufiger ein altes Gesicht.

Arme Rentner im reichen Deutschland

Arme Rentner im reichen Deutschland? Ein schwer erträglicher Gedanke. Doch um das zu vermeiden, müssen die Weichen nicht im Alter, sondern früher anders gestellt werden. Nicht ohne Grund sind es nach wie vor alleinerziehende Mütter, Menschen ohne Berufsausbildung und Langzeitarbeitslose, die zeit ihres Berufslebens nicht genug Rentenbeiträge für ein sorgenfreies Alter einzahlen konnten.

Muss das Rentensystem geändert werden, um diese Menschen aufzufangen? Die SPD und die Gewerkschaften meinen, ja. Die SPD will eine Solidarrente oberhalb der Grundsicherung für Menschen, die 35 Jahre oder länger in die Rentenkasse eingezahlt haben. Und auch für diejenigen, die nicht unmittelbar von Altersarmut bedroht sind, wollen die Sozialdemokraten etwas tun. Sie versprechen bis zum Jahr 2030 ein Rentenniveau von 48 Prozent statt der 44,7 Prozent, die ohne stabilisierende Eingriffe der Politik drohen. Die Gewerkschaften fordern sogar 50 Prozent. Wer in Rente geht und 45 Jahre lang durchschnittliche Rentenbeiträge eingezahlt hat, soll danach mindestens 48 beziehungsweise 50 Prozent des Durchschnittslohns bekommen.

Das Rentensystem ist überfordert

Die Absicht ist ehrenwert, das Rentensystem ist aber der falsche Ort für Sozialpolitik. Das System funktioniert über drei Stellschrauben: den Beitragssatz für die Rente, das Renteneintrittsalter und die Höhe der Rente. Wer eine höhere Rente will, muss entweder die Beiträge heraufsetzen oder die Menschen zwingen, länger zu arbeiten. Das wollen die Sozialdemokraten aber beides nicht.

Hinzu kommt: Große Experimente verträgt das Rentensystem nicht. Ab 2022 gehen die geburtenstarken Jahrgänge in Rente. Bis zum Jahr 2030 scheiden sechs Millionen Arbeitnehmer aus dem Erwerbsleben aus. Die Demografie gibt den Kurs vor: Immer weniger Erwerbstätige werden in Deutschland eine wachsende Zahl von Ruheständlern unterstützen müssen. Je höher deren Rente ist, desto mehr müssen die Jungen einzahlen oder desto länger müssen sie arbeiten. Eine Besserstellung der Alten geht nur, wenn man die Jungen stärker belastet. Das ist ungerecht.

Auch Beamte lösen das Problem nicht

Auch die Einbeziehung der Beamten in das Rentensystem würde an diesem Dilemma nichts ändern. Im Gegenteil: Beamte haben in aller Regel eine lange Lebenserwartung und können sich auf viele Rentenjahre freuen. Finanziell wäre das für die Rentenkasse ein Verlustgeschäft.

Damit Menschen im Alter ein würdevolles Leben führen können, müssen sie anständig bezahlte Jobs haben. Wer arbeitslos wird, muss die Chance bekommen, über Qualifizierung wieder Fuß zu fassen. Keinen verloren zu geben, das ist die beste Vorsorge gegen Armut im Alter – und in jungen Jahren.

Der Tagesspiegel kooperiert mit dem Umfrageinstitut Civey. Wenn Sie sich registrieren, tragen Sie zu besseren Ergebnissen bei. Mehr Informationen hier.

Zur Startseite