Reform der Erbschaftsteuer: Günstigere Regelung für kleine Unternehmen
Bei der Reform der Erbschaftsteuer gibt es offenbar erste Annäherungen zwischen Bund und Ländern. Das betrifft vor allem kleine Unternehmen. Doch könnten auch weitere Punkte des Plans von Finanzminister Wolfgang Schäuble kippen.
In den Verhandlungen zur Neuregelung der Erbschaftsteuer hat sich das Bundesfinanzministerium offenbar von einigen seiner Eckpunkte gelöst. Damit steigen die Chancen, dass sich Bund und Länder sowie die Koalitionsfraktionen im Bundestag zeitnah einigen. Der Vorsitzende der Finanzministerkonferenz, Thomas Schäfer (CDU) aus Hessen, sprach am Freitag vom „Einbiegen auf die Zielgerade“. Bei einer Veranstaltung des Verbandes der Familienunternehmer vertrat er die Einschätzung, das Bundesfinanzministerium werde sich ein „ganzes Stück“ bewegen. Die Erbschaftsteuer soll ein Thema des Koalitionsausschusses am Sonntagabend sein.
Laut Schäfer ist vor allem ein Punkt „vom Tisch“, der die kleinen Unternehmen betrifft. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hatte vorgesehen, alle Erbschaften bei einem Unternehmenswert von weniger als einer Million Euro von der Steuer zu verschonen. Nach den gesetzlichen Bewertungsgrundsätzen hätte das alle Unternehmen mit einem Jahresgewinn von weniger als etwa 60000 Euro betroffen. Dagegen hatten sowohl die Unternehmerverbände als auch einige Länder protestiert. Nun verzichtet Schäuble nach Schäfers Darlegung darauf; stattdessen soll weiterhin eine Steuerbefreiung möglich sein, wenn eine bestimmte Zahl an Arbeitsplätzen (gemessen an der Lohnsumme) über mehrere Jahre hinweg erhalten wird. Nach Schäfers Vorschlägen wären von dieser Auflage jedoch alle Unternehmen mit bis zu drei Arbeitsplätzen vollständig befreit. Bei vier bis 20 Arbeitsplätzen gäbe es einen 50-prozentigen Abschlag auf den Erhalt der Lohnsumme. Erst darüber müsste die Lohnsummenregel vollständig eingehalten werden. Das Bundesverfassungsgericht hatte in seinem Urteil vom Dezember moniert, dass die bisherige Regelung, wonach alle Unternehmen bis zu 20 Arbeitnehmern vom Lohnsummenerfordernis befreit waren, zu viele Erben begünstige, da mehr als 95 Prozent der Betriebe darunter fielen. Künftig müssten also deutlich mehr kleine Unternehmen als bisher nach einer Betriebsübergabe die Arbeitsplätze erhalten, um von der Streuer befreit zu werden. Das dürfte auch im Sinne der SPD sein, die Arbeitsplatzerhalt als oberstes Ziel bei der Erbschaftsteuerreform sieht.
Oppermann: Eigenkapital betriebsnotwendig
SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann verteidigte auf der Unternehmer-Veranstaltung zwar die Grundlinien des Schäuble-Vorschlags (der in der Union weitgehend auf Ablehnung stieß). Er stellte jedoch klar, dass auch die Sozialdemokraten eine Minderung der Eigenkapitalbasis von Familienunternehmen im Zusammenhang mit der Erbschaftsteuer ablehnen. „Wir wollen nicht, dass sie Finanzinvestoren ins Unternehmen holen müssen“, sagte Oppermann den Unternehmern. Neben dem Eigenkapital solle auch betriebsnotwendiges Vermögen verschont werden. Das sieht Schäuble vor, doch ist derzeit unklar, ob dieser Punkt in Schäubles Modell nicht auch noch kippt. Denn die Neuerung, betriebsnotwendiges Vermögen zu definieren (statt wie bisher das so genannte Verwaltungsvermögen, das dann besteuert werden kann) wird laut Schäfer in allen Bundesländern abgelehnt. Hintergrund ist wohl, dass die Finanzverwaltungen sich gegen diese aufwendige Neubewertung sträuben; Schäfer sagte, man sei mit der Definition des Verwaltungsvermögens (worunter zum Beispiel vermietet Immobilien oder Aktienpakete fallen) bisher ganz gut gefahren.
Wie weit zählt Privatvermögen?
Unklar ist weiterhin, ob ein zum Übertragungszeitpunkt bereits vorhandenes Privatvermögen eines Erben zur Zahlung von Erbschaftsteuer eingesetzt werden muss. Das lehnen mehrere Länder, darunter Hessen, oder auch der Wirtschaftsrat der CDU strikt ab. Die SPD dagegen will hier hart bleiben. Oppermann verwies auf das Schäuble-Modell, demzufolge nur 50 Prozent des gesamten Privatvermögens eingesetzt werden müssten.
Mit Blick auf Widerstände in der CSU, die in der Koalitionsrunde zweifellos eine wichtige Rolle spielen werden, dürfte interessant sein, inwieweit die auch von mehreren Unternehmerverbänden geforderten qualitativen Kriterien bei der von Karlsruhe geforderten Bedürfnisprüfung eine Rolle spielen. Schäuble hatte sie ebenso abgelehnt wie mehrere Landesfinanzminister, während die CSU sie unbedingt will. Die Forderung lautet, dass eine Verschonung von der Steuer schon dann möglich ist, wenn bestimmte Kriterien erfüllt sind, die einen Betreib als typisches Familienunternehmen qualifizieren. Dazu kann etwa eine direkte Einbindung der Familie in die Unternehmensführung gehören oder Gesellschafterverträge, welche die Familienglieder eng an das Unternehmen binden. Nun scheint eine Kompromissüberlegung zu sein, dass solche qualitativen Kriterien zwar nicht bei der Bedürfnisprüfung zum Zuge kommen, wohl aber als Begründung für eine Stundung der Steuerzahlung, wenn die Bedürfnisprüfung ergeben hat, dass die Steuer zumutbar ist, jedoch Liquiditätsprobleme bestehen – etwa weil Gesellschafterverträge verhindern, Unternehmensanteile schnell herauszulösen.
Nach dem Schäuble-Modell wird diese Prüfung ab einem Erbwert von 20 Millionen Euro Pflicht. Ob es bei dieser Summe bleibt, ist unsicher – in den Ländern und der Union möchte man eine deutlich höhere Summe. Durchgesetzt hat sich aber offenbar die Linie des Bundesfinanzministers, bei der Bedürfnisprüfung beim Wert der einzelnen Erbschaft oder Schenkung anzusetzen und nicht beim Wert des gesamten Unternehmens. Hier gibt es wohl mittlerweile einen Konsens, dass ein Ansetzen beim Erben dem Karlsruher Urteil entspricht und zudem auch eher mit EU-Recht vereinbar ist.