Erbschaftsteuer: Wolfgang Schäuble stürzt die CDU in Nöte
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble mutet seiner Partei mit seinen Vorschlägen zur Erbschaftsteuerreform einiges zu. In der Bundestagsfraktion wird seine Linie offen angezweifelt. Und in Baden-Württemberg fürchtet man um Wählerstimmen.
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) stürzt seine Partei mit seinen Plänen für eine Erbschaftsteuerreform in Nöte. In der Unions-Fraktion im Bundestag gärt es, jedenfalls im Wirtschaftsflügel. Und die baden-württembergische CDU muss zusehen, wie die grün-rote Koalition sie derzeit mit im Vergleich zu Schäuble recht moderaten Vorschlägen an Mittelstandfreundlichkeit zu überbieten sucht. Im Südwesten wird in einem Jahr gewählt – und Baden-Württemberg ist das Land des Mittelstands, für den sich bislang vor allem die CDU zuständig fühlte.
Schäuble ist mit weitreichenden Ideen vorgeprescht
Schäuble, dessen Wahlkreis im Badischen liegt, hat seine Eckpunkte zur Erbschaftsteuerreform vor zwei Wochen vorgelegt. Mit ihr müssen, so will es das Bundesverfassungsgericht, die Modalitäten beim Erben oder bei der Übergabe eines Unternehmens verschärft werden. Was Schäuble vorlegte, hat alle überrascht, weil sein Plan radikaler ist als alles, was bis dahin hinter den Kulissen diskutiert worden war. Die Interessenvertreter der Unternehmer sind seither empört, aus den Ländern ist die Kritik von Tag zu Tag gewachsen. Und während die SPD im Bundestag, in stiller Sympathie mit dem Finanzminister von der CDU, vorerst abwartet, versuchen die Mittelstandspolitiker der Union den Schaden, den Schäuble aus ihrer Sicht angerichtet hat, zu begrenzen. Sie sind irritiert, „warum die Eckpunkte aus dem Bundesfinanzministerium hinter den Vorschlägen sozialdemokratisch geführter Bundesländer zurückbleiben“. Der Satz steht in einem Brief an die Fraktionsführung, verfasst vom Mittelstandspolitikers Christian von Stetten. Der hat intern schon deutlich kritisiert, dass ausgerechnet ein Minister der CDU die Unternehmer härter rannehmen will als etwa der SPD-Finanzminister Nils Schmid in Stuttgart, doch offen dringt kaum ein böses Wort der Schäuble-Kritiker nach außen. Man will sich nicht offen gegen den mächtigen Minister stellen. Der für das Finanzielle zuständige Fraktionsvize Ralph Brinkhaus hat lediglich verlauten lassen, dass die Eckpunkte Schäubles eine „Diskussionsgrundlage“ seien, im Übrigen wollen sich die Fraktionäre erst noch eine Meinung bilden, weshalb für kommenden Donnerstag Verbandsvertreter und Experten zu einem Meinungsaustausch eingeladen sind und weshalb sie den Kontakt zu Unternehmern in den Wahlkreisen suchen.
Urteil ist auslegungsfähig
Nach dem Stetten-Schreiben, das dem Tagesspiegel vorliegt, hat Schäuble in der Fraktion für seine Überlegungen damit geworben, dass Karlsruhe klare Vorgaben mache, was zu tun sei. Das hat Schäuble nach eigener Auffassung in seinen Eckpunkten umgesetzt. Wie es heißt, ist er jedoch für Änderungen offen, wenn man ihm eine überzeugende verfassungsgrechtliche Argumentation dafür liefert. Stetten sieht sich nun durch den renommierten Finanz- und Steuerrechtsexperten Christian Waldhoff von der Berliner Humboldt-Universität darin bestätigt, dass Schäuble mit seiner Sicht, dass seine Eckpunkte alternativlos seien, falsch liegt. Waldhoff sitzt auch im Wissenschaftlichen Beirat des Bundesfinanzministeriums.
Zwei Knackpunkte
Im Kern geht es um zwei Knackpunkte: Schäubles Vorschlag, dass die von Karlsruhe verlangte Bedürfnisprüfung für eine mögliche Verschonung von der Steuer ab einem Wert von 20 Millionen Euro je Erbfall Pflicht ist, sowie die Einbeziehung des kompletten Privatvermögens in diese Prüfung und nicht nur die des ererbten oder übertragenen Privatvermögens. Nach dem Stetten-Schreiben hat Schäuble dargelegt, dass er sich an Vorgaben aus dem Urteil gebunden sieht. Schäuble hält es offenbar nicht für möglich, die Grenze bei einem Unternehmenswert von 100 Millionen Euro zu ziehen, was einige Länder fordern und was auch die Mittelstandspolitiker der Union als richtig erachten. Dieser Wert wird im Karlsruher Urteil auch genannt, doch ist die Stelle auslegungsfähig. Schäuble interpretiert ihn so, dass die 100 Millionen Euro eine Obergrenze sind, von der an eine Verschonung nicht mehr möglich ist, allenfalls eine Stundung der Steuerschuld. Daher hat er sich für die Summe von 20 Millionen Euro pro Erbfall entschieden. Stetten argumentiert dagegen unter Bezug auf ein im Auftrag der Familienunternehmer erstelltes Gutachten von Waldhoff, dass das Gericht sehr wohl auch andere Möglichkeiten offen lasse. „Dass eine Verschonung nach individueller Bedürfnisprüfung ab diesem Grenzwert davon ausgenommen ist, lässt sich dem Urteil nicht entnehmen“, schreibt Stetten. Und was die Privatvermögen angehe, so zitiert er eine Stelle aus dem Urteil, wonach eine Ausdehnung der Bedürfnisprüfung auf bereits vorhandenes Vermögen „in erheblichem Widerspruch zur Systematik des Erbschaftsteuerrechts“ stehe. Kurzum: Der Mittelstandspolitiker hält Schäubles verfassungsrechtliche Argumentation nicht für zwingend. Und er fordert die Fraktionsführung ausdrücklich dazu auf, dafür zu sorgen, „dass auf der Grundlage der vorgelegten Eckpunkte vom Bundesfinanzministerium kein Referentenentwurf vorgelegt wird“. Er fürchtet, dass sonst ein Teil der Kernwählerschaft der CDU verloren geht.
Grummeln in Stuttgart
Das treibt auch Guido Wolf um, den Fraktionschef der CDU im Stuttgarter Landtag und Spitzenkandidaten seiner Partei zur Wahl. Er geht deutlich auf Distanz zu Schäuble: „In Baden-Württemberg verstehen wir offenbar unter Mittelstand etwas anderes als das Bundesfinanzministerium“, sagt er. Auch seiner Lesart nach geht Schäuble über die Vorgaben des Verfassungsgerichts hinaus. Die 20-Milionen-Eutro-Grenze Schäubles sei „viel zu gering“. Ihm er5scheien sogar die 100 Millionen Euro, die der SPD-Finanzminister Schmid fordert, noch ein Zumutung für den Mittelstand zu sein. Er will nun bei der Erbschaftsteuer eine Südschiene mit Bayern bilden; die CSU hat bereits klar gemacht, dass Schäubles Eckpunkte mit ihr nicht zu machen sein werden.