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Dauerbaustelle Klimapolitik. Um die Ziele des Pariser Abkommens umzusetzen, müsste die EU jährlich 177 Milliarden Euro zusätzlich investieren.
© EU/Lukasz Kobus

Nachhaltig invvestieren: Grüner Bonus für langes Wachstum

Die EU-Kommission will die Finanzwirtschaft nachhaltiger machen. Auch Geldinstitute sollten angereizt werden, Öko-Investitionen zu fördern.

Die Finanzkrise vor zehn Jahren war der Europäischen Union eine Lehre. Nicht noch einmal will sie von unvorhergesehenen Risiken überrascht werden. Und dass der Klimawandel solche Risiken mit sich bringt, ist auch in der Finanzwelt angekommen.

Berater der größten 20 Industrienationen hatten die Gefahren schon vergangenen Sommer in einem Bericht beschrieben: Sie nannten Ansehensverluste von Unternehmen mit schlechter Klimabilanz, Schäden durch Extremwetterereignisse, veränderte Gewohnheiten von Konsumenten, höhere Kosten durch einen Preis auf Kohlendioxid und durch Investitionen in Technologien mit niedrigen Emissionen. All das könnte sich „durch ein langsameres Wachstum und niedrigere Gewinne auf den Finanzsektor auswirken“, schrieben die Experten der Task Force on Climate-related Financial Disclosures in ihrem Bericht für die G20.

Ob es den Ökosystemen gut geht, interessiert deshalb nicht mehr nur Umweltschützer, sondern es betrifft auch knallharte Wirtschaftsinteressen. Unter den 30 globalen Risiken rangieren Extremwetterereignisse bei 1000 für den Global Risk Report befragten Experten am höchsten. Vom Bedrohungspotential werden sie nur von Massenvernichtungswaffen übertroffen, teilte das World Economic Forum im Januar mit, das den Bericht herausgibt.

Banken sollten mehr grüne Investitionen fördern

Kurz drauf legte Expertengruppe der EU-Kommission ihre Vorschläge für einen Umbau des Finanzsystems vor. „Nachhaltigkeit bedeutet, wirtschaftlichen Erfolg dauerhafter zu machen, indem er sozial inklusiv und unabhängiger von der Ausbeutung endlicher Ressourcen und der Natur wird“, schreibt die Hochrangige Expertengruppe für nachhaltige Finanzen, so ihr vollständiger Titel. Ihr geht es also um noch mehr als die Umwelt, nämlich auch um Gerechtigkeit.

Die Experten empfehlen zum einen mehr Transparenz. Unternehmen sollten verpflichtet werden, ihre klimabezogenen Risiken offenzulegen. Banken sollten angereizt werden, grüne Investitionen zu fördern und nicht-nachhaltige zu sanktionieren. Und insgesamt sollte der Finanzsektor langfristiger denken, heißt es in dem Bericht.

Noch sei die EU nicht auf Kurs, was die Investitionen für ihre Klimaziele bis 2030 angeht, schreiben die Experten. Jährlich müssten dafür 177 Milliarden Euro zusätzlich investiert werden. Das hört sich viel an. Diese Investitionen würden aber nur 2,5 Prozent des jährlich angelegten Kapitals in der EU ausmachen, teilte die Institutional Investors Group on Climate Change nach Erscheinen des Berichts mit. Es sei also machbar, die Mittel aufzubringen.

Um die Finanzströme in die richtige Richtung zu lenken, hat die Europäische Kommission nun den Aktionsplan „Nachhaltiges Wachstum finanzieren“ vorgelegt. Die Kommission sieht darin einen „Fitness-Check“ für alle Gesetze vor, die das öffentliche Berichtswesen und das Rechnungswesen betreffen. Finanzverwalter sollen offenlegen, wie sie Nachhaltigkeitsfaktoren in ihre Investmentstrategien einbauen. Auch die internationalen Rechnungslegungsvorschriften sollen daraufhin durchgesehen werden.

Experten sehen einige Schwachstellen

Die Kommission will außerdem Möglichkeiten finden, Nachhaltigkeit in die Unternehmensführung von Finanzmarktakteuren zu integrieren. Schon Ende dieses Jahres soll eine Plattform geschaffen werden, auf der diese sich über gute Beispiele austauschen können.

Offenbar gibt es immer noch Definitionsbedarf, was denn überhaupt ein nachhaltiges Investment ist. Um das zu beheben, will die Kommission ein Klassifikationssystem schaffen, das klar benennt, welche Aktivitäten als nachhaltig bewertet werden. Genaueres will sie schon bis zum Sommer in einer Verordnung niederlegen. Bis solche Verordnungen durch das Gesetzgebungssystem der EU durchgeschleust sind und in Kraft treten, vergehen aber erfahrungsgemäß immer ein paar Jahre.

Experten kritisieren an dem Aktionsplan, dass die Kommission keinen „braunen Malus“ für Investitionen in klimaschädliche Vermögenswerte vorsieht, wie ihn die Hochrangige Expertengruppe vorgeschlagen hatte. Die Kommission müsse darauf achten, mit ihren Definitionen und Regeln nicht nur Gutes zu fördern, sondern auch Schädliches auszuschließen, sagte der Finanzexperte der Grünen im Europaparlament, Sven Giegol. Wichtig sei etwa, dass Klimarisiken verpflichtend offengelegt werden und nicht – wie im Aktionsplan vorgesehen – zunächst nur freiwillig, teilt die Umweltorganisation Germanwatch mit.

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