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Was kommt am Ende dabei raus? Bislang ist unklar, wer wie viel und wofür von Peter Altmaiers Milliarde bekommt.
© imago images / ITAR-TASS

Altmaiers Industriepolitik: Großes Durcheinander um die Batteriezelle

Die Bundesregierung kommt mit ihren Förderprojekten nicht in die Gänge – auch aus Angst vor den Landtagswahlen im Osten.

„Summer and Autumn“ lautet in der Szene das Codeword für die sogenannte Altmaier-Milliarde, mit der die Bundesregierung den Aufbau mehrerer Batteriezellenfertigungen fördern möchte. Eine halbe Milliarde wird im Juli bewilligt und der Rest dann im September. So war der Plan. Doch derzeit „läuft alles total chaotisch“, wie es in der Branche heißt. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) hat das Verfahren Ende 2018 an sich gerissen und das Durcheinander verursacht. Dazu kommt die Angst vor den Wahlen in Sachsen, Brandenburg und Thüringen. Womöglich siedelt die Politik Zellfabriken oder neue Forschungseinrichtungen im Osten an, obgleich es dort kaum Zellkompetenz gibt. „Exzellenz sollten wir den Vorrang geben, nicht regionaler Verteilung“, heißt es dazu in der Landesregierung von NRW, die sich mit einem dreistelligen Millionenbetrag um die Forschungsfertigung für Batteriezellen bemüht.

Altmaier selbst hat im vergangenen Herbst Spekulationen über eine Zellfertigung in der Lausitz angestellt. Nach dem Kohlekompromiss in diesem Frühjahr ist die Regierung nun in der Pflicht, neue Institutionen und Behörden vorrangig in den Braunkohlegebieten anzusiedeln.

Asiaten dominieren den Markt

Die Zelle ist der Kern der Batterie und die Batterie wiederum ist das wichtigste Teil im Elektroauto. Bislang dominieren ein halbes Dutzend asiatischer Hersteller den Markt, doch spätestens Mitte der 2020er Jahre soll es auch Zellen aus deutschen Fabriken geben. Die Politik will unbedingt eine komplette Wertschöpfungskette hierzulande und den Vorsprung der Asiaten aufholen. Dazu wurde in den vergangenen zehn Jahren eine halbe Milliarde an Steuermitteln in die Zellchemie und Zellforschung gesteckt. Mit weiteren 500 Millionen will das Bundesforschungsministerium (BMBF) eine Forschungsfabrik auf die Beine stellen. Ein halbes Dutzend Bundesländer hat sich beworben mit bis zu 200 Millionen Euro Eigenbeitrag. Eigentlich wollte die sogenannte Gründungskommission beim BMBF am Freitag eine Vorentscheidung treffen, Favoriten sind Ulm und Münster. Doch der Termin wurde auf den 25. Juni verschoben. „Einige Konzepte haben sehr starke Verbindungen zu IPCEI-Anträgen beim BMWi, die wir erst abklären müssen“, heißt es im Forschungsministerium.

Brüssel redet mit

Das Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) darf nur Steuermittel bereitstellen, wenn es sich um ein „Important Project of Common European Interest“ (IPCEI) handelt. Über das IPCEI entscheidet die EU-Kommission, und das Ziel Altmaiers war es bislang, das entsprechende Verfahren noch mit der alten Kommission in Gang zu setzen: vor der Sommerpause die Förderung eines deutsch-französischen Konsortiums um Total/Saft und PSA/Opel sowie BMW und BASF, und direkt nach der Sommerpause die Festlegung eines zweiten Konsortiums. Alles in allem haben sich 30 Unternehmen bei Altmaier um die Förderung beworben. Am 19. Juni sind die Firmen zum „Machtmaking“ ins Ministerium eingeladen, weitere Termine sollen folgen, um ein förderfähiges Konzept mit möglichst vielen Partnern zu entwickeln.

Kaiserslautern steht bereits fest

„Altmaier spielt auf Zeit“, heißt es nun in der Batteriebranche. Ursprünglich wollten BMBF und BMWi Ende vergangenen Jahres ein gemeinsames Strategiepapier zur Batteriezelle vorlegen. Dann kam Altmaier mit der Milliarde und hat das Verfahren an sich gezogen. Jetzt will er offenbar den 1. September abwarten: die Wahlen in Brandenburg und Sachsen.

Der einzige bislang benannte Standort für ein von Altmaier gefördertes Zellenprojekt ist Kaiserslautern, wo Opel ein Komponentenwerk betreibt. Die französische Regierung war hier der Antreiber. Was genau die Total-Tochter Saft und die Opel-Mutter PSA vorhaben, ist nicht bekannt. In Salzgitter investiert VW eine Milliarde Euro, um gemeinsam mit der schwedischen Northvolt eine Fertigung anzugehen. Das ist ein erster Schritt, doch allein VW braucht Mitte nächsten Jahres die Kapazität von einem halben Dutzend großer Zellfabriken, von denen jede einzelne mehrere Milliarden Euro kostet. Northvolt wiederum baut in Nordschweden eine Zellfabrik und investiert im ersten Schritt 1,6 Milliarden Euro. Partner der Schweden ist unter anderem BMW. Der Münchener Konzern hat sich auch mit der chinesischen CATL verbündet, die in der Nähe von Erfurt eine Zellfertigung aufbaut. Es tut sich also etwas – auch ohne Altmaier.

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