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Basisprodukt der Elektromobilität. Ein Mitarbeiter arbeitet in der Batteriesystemfabrik von Akasol an einer Batterie.
© Fabian Sommer/dpa

Batteriezellenproduktion in Deutschland: Eine Milliarde als Lockmittel

Wirtschaftsminister Altmaier will den Aufbau einer Batteriezellenproduktion aus Steuermitteln fördern. Der Bedarf ist groß – und die Asiaten haben Vorsprung.

Peter Altmaiers Lockmittel funktioniert. Eine Milliarde Euro Steuermittel stellt der Bundeswirtschaftsminister bereit, um endlich eine oder mehrere Produktionsstätten für Batteriezellen „in deutscher Hand“ zu ermöglichen. Über viele Jahre lief das Werben der Politik ins Leere. Mit dem Schmiermittel der öffentlichen Fördergelder kommt jetzt Schwung in die Sache. Mehr als 30 Unternehmen haben bis zum Anmeldeschluss Mitte März im Ministerium Interesse bekundet. Im nächsten Schritt bemühen sich nun Politik und Industrie um die Bildung von Partnerschaften oder Konsortien aus dem Kreis der Bewerber, die in der Lage sind, das Milliardenprojekt anzugehen. Denn das Risiko ist groß, die Markteintrittsschranke hoch.

Schon vor drei Jahren hatte die Nationale Plattform Elektromobilität (NPE) eine „Roadmap Batteriezellenfertigung“ vorgelegt mit ein paar Kernaussagen: Die Produktion von Zellen sollte hierzulande spätestens 2021 beginnen und 2025 Volllast erreichen; die Kapazität war für 325 000 Elektroautos pro Jahr angelegt, die Anlage hätte 1,3 Milliarden Euro gekostet und bis zu 1300 Arbeitsplätze gebracht. Die Gewinnschwelle wäre laut der Roadmap 2025 erreicht worden, fünf Jahre später hätte sich die Anlage amortisiert. „Wer da reingeht, der braucht einen langen Atem und Cash“, hatte Henning Kagermann, Chef der von der Bundesregierung aufgelegten NPE, befunden. Vermutlich auch deshalb, weil die Platzhirsche aus Asien dem neuen Konkurrenten mit Kampfpreisen zusetzen könnten.

Allein Daimler hat für 20 Milliarden Euro Zellen bestellt

Die Zelle ist das Basisprodukt der Elektromobilität. Rund ein Drittel der Wertschöpfung des Stromautos entfällt auf die Batterie – und im Kern der Batterie steckt die Zelle. Deshalb „brauchen Deutschland und Europa eine innovative und umweltschonende Batteriezellproduktion“, sagt Altmaier. Doch die Industrie wollte bislang nicht. VW, BMW und Mercedes kaufen die Zellen ausschließlich bei den asiatischen Herstellern und haben Verträge geschlossen, die zum Teil bis Mitte 2020 reichen. Allein Daimler hat für 20 Milliarden Euro Zellen bestellt. Die wichtigsten Hersteller sind Panasonic (Japan), LG Chem und Samsung (Südkorea) sowie CATL und BYD (China). Dazu kommt die kleinere südkoreanische SK Innovation, die mit Volkswagen zusammen Zellen bauen will. Wann, wo und wie viele ist noch offen.

VW-Chef Herbert Diess stellt den größten Autohersteller der Welt auf Stromautos um und legt dabei ein rasantes Tempo vor. Mit Hybriden, also der Kombination von Verbrennungs- und Elektromotor, die eine längere Reichweite haben als reine Stromautos, hält sich Diess nicht auf. Der Vorstandsvorsitzende setzt voll auf Strom – und hat damit die Branche irritiert. Und auch bei den eigenen Töchtern in Ingolstadt (Audi) und Stuttgart (Porsche) Kopfschütteln ausgelöst.

Wer baut wo die erforderlichen Fabriken?

Wie dramatisch sich Diess’ Tempo auswirken könnte, wird aus einem internen Konzern-Papier deutlich. „2025 hat allein VW einen Bedarf von 300 GWh“, steht darin. Bislang hieß es immer, Volkswagen mit seinen Pkw-Volumenmarken Audi, Skoda und Seat benötigen bis 2025 rund 150 Gigawattstunden (GWh). Allein dafür wäre die Kapazität von vier großen Zellfabriken erforderlich. Mit der neuen Diess-Planung verdoppelt sich der Zellbedarf – doch wer baut wo die dafür erforderlichen Fabriken? VW hat Lieferverträge mit LG Chem, Samsung und CATL geschlossen und „strebt eine enge Partnerschaft mit einem führenden Zellhersteller an, die auch eine mögliche gemeinsame Zellfertigung in Europa beinhaltet“, heißt es in dem Konzeptpapier zur Elektromobilität.

„Kernpunkte der Strategie sind Kapazitätsabsicherung, Technologieführerschaft, Kostenführerschaft und Reduzierung von Abhängigkeiten.“ Also muss VW selbst Zellen bauen. Gemeinsam mit SKI und Northvolt – ein schwedisches Konsortium um ein paar ehemalige Tesla-Manager, das im Norden des Landes eine Zellfabrik bauen will – hat sich VW auch um die Altmaier-Milliarde beworben. Selbst der Riese aus Wolfsburg braucht die Anschubfinanzierung aus Steuermittel, denn „für eine Zellfertigung in Deutschland zeigt die Wirtschaftlichkeitsrechnung aktuell einen Standortnachteil von mehr als 20 Prozent“, heißt es im Strategiepapier, in dem auch gleich Lösungsvorschläge gemacht werden: Befreiung von der EEG-Umlage, Investitionsbeihilfen, Förderung von Ausbildung und Umschulung sowie „Stärkung von Forschungseinrichtungen und Universitäten mit Bezug zur Batterie“.

Acht Hersteller gibt es schon in Deutschland

Tatsächlich läuft neben der Altmaier-Ausschreibung derzeit auch ein Bieterverfahren über die Forschungsfabrik Batteriezelle, in dem neue Zellenformate entwickelt und produziert werden. Mehr als 500 Millionen Euro stellt das Bundesforschungsministerium dafür bereit. Beworben haben sich wissenschaftliche Einrichtungen in Dresden, Ulm/Karlsruhe, Itzehoe, Braunschweig, Aachen, München und Münster.

Diese so genannte Industriealisierungsplattform Batteriezellfertigung „wirkt als ,Enabler’ für den Aufbau von Zellen- Großserienfertigungen und langfristig als „Innovationsmotor, um die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Zellfertiger zu sichern“, heißt es in einem Positionspapier von acht Herstellern, die es bereits in Deutschland gibt. Aber sie bauen kleinere Zellen für Hörgeräte und Kopfhörer und eben nicht die großformatigen Zellen für die Autoindustrie. Mit Bundeswirtschaftsminister Altmaiers Milliarde soll das nun anders werden.

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