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Will mit künstlicher Intelligenz unseren Alltag organisieren: Google-Chef Sundar Pichai Foto: Justin Sullivan/Getty Images/AFP
© AFP

Sprachsteuerung: Google bringt dem Toaster das Sprechen bei

Google kämpft mit Amazon und Apple um die Vorherrschaft bei den digitalen Assistenten. Sprachsteuerung soll die nächste Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine werden.

Sprechende Computer gehören zur Grundausstattung von Science Fiction Filmen: Von „Hal 9000“ in Stanley Kubricks „2001: Odyssee im Weltraum“ bis zu Samantha im Film „Her“. Doch nun wird die Vision immer mehr zur Realität. Die Lieblingsmusik abspielen? Den Fernsehsender wechseln? Essen bestellen? All das können Computer bereits auf Zuruf erledigen. Nach Tastatur, Maus und Touchscreen soll das Mikrofon zur zentralen Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine werden. Und Künstliche Intelligenz die Interaktion auf ein neues Level heben.

Auf seiner Entwicklerkonferenz führte Google vor, welche zentrale Bedeutung die Sprachsteuerung in der Konzernstrategie einnimmt. „Unser Ziel ist ein Assistent, mit dem man auf jedem Gerät sprechen kann und der alles erledigt“, sagt der zuständige Google-Manager Scott Huffman. Mit „Home“ hat das Unternehmen schon einen intelligenten Lautsprecher auf dem Markt, der Informationen aus dem Internet liefert oder Stereoanlage und Fernseher steuern kann. Nun soll der Google-Assistent auch in Waschmaschinen oder Kühlschränke integriert werden, das Unternehmen kündigte eine Kooperation mit der Haustechnik-Sparte von General Electric (GE) an.

„Apple hat seinen Vorsprung verspielt“

Zudem macht Google Apples Sprachsoftware Siri Konkurrenz. Denn das Unternehmen bietet seinen intelligenten Sprachassistenten künftig auch für das iPhone an. Dabei war Apple mit Siri einst ein Pionier bei der Entwicklung von Sprachassistenten. Doch während Siri 2011 neu und originell war, hat sich das System seither viel langsamer entwickelt als die Konkurrenz. „Apple hat seinen Vorsprung verspielt“, sagt der bekannteste US-Techniktester Walt Mossberg.

Allen iPhone-Nutzern will Google mit dem Assistenten eine angeblich intelligentere Alternative bieten. Wie viele auf den Google-Assistenten umsteigen, muss sich noch zeigen. Das Programm hat seine Stärken darin, Informationen aus anderen Google-Diensten wie dem Kalender oder Mailprogramm zu verknüpfen. Allerdings lässt Apple andere Anbieter auf bestimmte iPhone-Anwendungen wie die Uhr nicht zugreifen. Daher kann der Google-Assistent beispielsweise keinen Alarm aktivieren.

Kampf mit Amazon, Apple und Samsung

Dafür können Nutzer des Google-Lautsprechers über die Geräte künftig auch telefonieren – allerdings zunächst nur in Nordamerika. Damit reagiert Google auf einen Vorstoß von Amazon. Mit seinen Alexa-Lautsprechern hatte der Konzern einen Überraschungserfolg gelandet und erst Anfang des Monats neue Geräte mit Bildschirm und einer Telefon- und Nachrichtenfunktion vorgestellt. Amazon greift also Google und Apple auf dem Feld der Kommunikation an, nachdem der Versuch, auch ins Smartphonegeschäft einzusteigen, gescheitert war.

Doch Apple will nun nachziehen. Nach Informationen der US-Agentur „Bloomberg“ testen Apple-Mitarbeiter bereits seit einiger Zeit eine Art Siri-Lautsprecher. Der Analyst Ming-Chi Kuo, der schon in der Vergangenheit früh über anstehende Apple-Neuigkeiten Bescheid wusste, rechnet damit, dass der Konzern so ein Gerät schon bei der Entwicklerkonferenz Anfang Juni vorstellen wird.

Damit entbrennt ein Kampf der großen Technologiekonzerne, die die digitalen Assistenten als nächste zentrale Steuerungsstelle etablieren wollen. So sicherte sich Amazon einen Platz in Hausgeräten des GE-Konkurrenten Whirlpool. Und Samsung hat mit seinem neuen Galaxy-Smartphone den Assistenten Bixby eingeführt. Für dessen Entwicklung haben sich die Koreaner die einstigen Siri-Entwickler und deren jüngstes Sprachassistenten-Start-up Viv eingekauft.

Nie wieder Zahlenkolonnen vom WLAN-Router abtippen

Doch Google beschränkt den Einsatz von Künstlicher Intelligenz nicht auf die Sprache, sondern rüstet damit künftig auch seine Smartphone-Kameras auf. Wer im Urlaub schon einmal vor einer Speisekarte in einer fremden Sprache saß, wird sich auf Googles neueste Funktion freuen: Ein Foto der japanischen Schriftzeichen genügt, schon liefert die Bilderkennung eine Übersetzung. „Google Lens kann verstehen, was Sie gerade anschauen“, sagte Google-Chef Sundar Pichai. Wie praktisch das ist, zeigt auch das WLAN-Beispiel: Statt die ellenlange Passwort-Zahlenreihe bei einem neuen Router abzutippen, braucht man nur den Aufkleber auf dem Gerät vor die Kamera zu halten – die Software liest den Passcode und gibt ihn auch gleich in eine Anmelde-App ein.

Google baut allwissenden Computer

Die Möglichkeiten dürften gerade manche deutschen Nutzer auch gruseln. So erkennt die Software automatisch, welche Freunde oder Familienmitglieder auf Fotos abgebildet sind und schlägt vor, die Bilder mit diesen zu teilen. Natürlich nur, wenn man das möchte.

Für Datenschützer ist die Entwicklung eines beinahe allwissenden Computers, der das Leben erleichtert und organisiert, eine Horrorvision. Er weiß, wo man sich gerade aufhält – nicht nur dank GPS-Ortung, sondern vielleicht auch, weil er die Umgebung am Kamerabild erkennt. Er weiß durch den Terminkalender, was man als Nächstes vorhat. Es ist, als hätte man einen unsichtbaren Butler, der einem immer über die Schulter schaut. Man kann darin aber auch einen Aufpasser sehen. Wird der Komfort die Ängste um die eigene Privatsphäre verdrängen? Schließlich kann ein Assistent einem nur wirklich dienlich sein, wenn man für ihn ein offenes Buch ist.

Bis die sprechenden Computer mit ihren Filmvorbildern mithalten, wird es noch etwas dauern. „Das ist kein Problem, das man in sechs Monaten oder einem Jahr löst“, schränkt Huffman ein, „das ist eine Sache von Jahren“.

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