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Bosch zeigte in Las Vegas seinen Roboter Kuri. Der hört auf Befehle der Bewohner und legt Profile für sie an.
© Bosch

Technikmesse CES: Wirklich smart ist, wenn die Gadgets unsere Vorlieben kennen

Der neue Trend der vernetzten Welt ist "Personalisierung". Was die High-Tech-Geräte dafür brauchen, sind unsere Daten und Gewohnheiten - mit allen Risiken, die das birgt.

Das kleine schwarze Band  „made in china“ schnürten die Herrschaften vom Computer-Ausrüster Qualcomm jedem ums Handgelenk, der sich auf der größten Technikmesse der Welt in Las Vegas (CES) freiwillig auf Schritt und Tritt verfolgen ließ, neudeutsch: tracken.

Ein Tech-Präsent um Kritiker gewogen zu stimmen, war das nicht, denn diese Tracker sind Cent-Ware. Es dient vielmehr einem guten Zweck: Gelingen den Berichterstattern fünf Millionen Schritte bis Sonnabend, spendet der Hersteller und die neue Gesundheitsversicherung „Healthcare“ für vernachlässigte Kinder aus dem Programm „Clubs of America“.

Den Markt bedient das trotzdem, schließlich ist Erhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit einer der stark wachsenden Bereiche der Branche: Jedes Handy hat Gesundheitssensoren samt dazugehörender App, Gesundheitstracker-Bänder zählen zu den„Wearables“, mit denen Hersteller wie Samsung (Gear) Laufuhrspezialist „Polar“ oder Navihersteller „Tomtom“ (Cardiorunner) den Markt fluten. Die Währung aber, in der die Gesundheit bezahlt wird, ist nicht nur Bares, sondern es sind auch unsere Körper- und Sinnes-Daten sowie unsere Verbrauchsgewohnheiten, die nun in jeder Lebenslage gemessen, bewertet und in der Cloud gespeichert und vermarktet werden – Kollateralschäden nicht ausgeschlossen.

Was ist neu an diesem Trend?

Dass immer mehr, auch kleine Objekte smart werden, weil die Sensoren und vor allem die Rechenleistung immer weniger Platz benötigen und billiger werden. Intel-Chef Brian Krzanich zeigte auf der CES ein laufendes Notebook mit Kleinstprozessor (zehn statt jüngst eingeführte 14 Nanometer) und kündigte die Markteinführung in diesem Jahr an. Und Qualcomm, dessen Chips in fast jedem Smartphone stecken, liefert Chips in derselben Größe (snapdragon 835) in Kürze aus, hieß es in Vegas. Die Mini-Chips machen beispielsweise kompakte Brillen zur Eroberung Virtueller Welten möglich, die ohne Kabel, PC- oder Handy-Unterstützung auskommen, werden aber auch in Drohnen, Kühlschränken, Waschmaschinen, Fernsehern oder Robotern stecken.

Und der vielfältige Gerätepark wächst nun zusammen?

Ja, spätestens mit Einführung des neuen Mobilfunkstandards 5G, der schier unbegrenzt viele Geräte einbinden und deren Datenflut in „Echtzeit“ verarbeiten kann. Um das Jahr 2020 wird es so weit sein, sagen die US-Experten. Das ist ungefähr der Zeitpunkt, an  dem Autohersteller selbst fahrende Fahrzeuge auf dem Massenmarkt anbieten wollen. Das Handy wird dann den Takt zur Steuerung der smarten Dinge angeben. Schon heute ist das Smartphone Fernbedienung für Samsungs Fernseher, Datenspeicher und Trainingsplan für Laufuhren, Steuerungszentrale für das „smarte Heim“, für Rollläden, Musiksammlung, Licht, Heizung und natürlich für Puls und Sauerstoffgehalt des Blutes sowie Herzrhythmus.

Auch das smarte Auto wird mein „Profil“ vom Handy übernehmen und mich warnen, wenn die Augen zufallen oder das Herz schwächelt. Von „Personalisierung“ als nächster Stufe der Vernetzung ist bei der CES deshalb viel die Rede. Soll heißen: wirklich smart sind die Dinge erst dann, wenn sie die Vorlieben der Nutzer kennen und darauf reagieren. Dazu brauchen sie deren Daten.

Wer ist Vorreiter bei dieser Entwicklung?

Natürlich die Amerikaner, die bedenkenlos jede technische Neuentwicklung begeistern aufnehmen – und wenn sie funktioniert weiterempfehlen. Hunderttausende kauften Amazons Echo, den Lautsprecher-Zylinder mit Spracherkennung, und rufen diesem ihre Befehle zu: Geh einkaufen, was ein Lieferdienst erledigt, spiel StarWars ab und wie wird das Wetter in Vegas morgen? Mit „Google Home“ will der Suchmaschinen-Multi kontern und auch Apple will nachziehen. Fernost-Gigant Lenovo kündigte einen Echo-Klon auf der CES an.

Und Bosch zeigte in Las Vegas seinen Roboter Kuri. Der hört wie „Echo“ auf Befehle der Bewohner und legt Profile beispielsweise für das Kind und die Eltern an, er ist mit der Haustechnik vernetzt und kann diese steuern, warnt vor Einbrüchen und schickt eine Drohne los zur Prüfung der Lage - oder ruft die Eltern per Smartphone im Restaurant an, wenn das Kind in der Nacht aufwacht. Kuri kommt in diesem Jahr in den USA auf den Markt. Auch mit Google und Apples „Hausdienern“ ist 2017 zu rechnen.

Sind die sprechenden digitalen Helfer ausgereift?

Probieren Sie es selbst aus auf ihrem Smartphone, indem sie „O.k., Google“ (Android), „Hey Siri“ (Apple) oder beim Windows-Gerät „Hey Cortana“ rufen und den „Dienern“ Befehle erteilen: SMS senden, Anruf starten oder Infos aus dem Netz fischen. Nach einer Einübungszeit klappt das ordentlich.

Amazons Echo-Erfolg in den USA wäre nicht so groß, wenn das Gerät nicht praktisch wäre: Man spart sich halt den Weg in den Supermarkt und muss für den Online-Einkauf nicht mal mehr zu einem Gerät greifen – alles geht auf Zuruf. Spätstarter Google undApple werden den Druck zur Optimierung der Spracherkennung und der Ausweitung der Dienste weiter erhöhen. Am Ende steht die Verheißung des perfekten unermüdlichen Dieners, der das Haus betreibt und den Haushalt schmeißt und zwar so, wie es den Bewohnern gefällt. Energie kann es außerdem sparen, weil der Dienst im vernetzten Haus offen gelassene Fenster schließt, das Licht löscht und die Heizung runterfährt, wenn niemand da ist.

Welche Risiken bringt das mit sich?

Weil das alles in der Cloud spielt, ist die Datensicherheit – allen Beteuerungen der Branche zum Trotz – nie zu 100 Prozent gewährt. Wer wirklich von der durchdigitalisierten Zukunft profitieren will, riskiert, dass seine Ess- und Trinkgewohnheiten, seine Marathon- und Büro-Zeiten, seine Fahrgewohnheiten, die Herzfrequenz und der Stress-Level, die Güte des Schlafes und die Lektüren, die gewählten Filme und besuchten Veranstaltungen in der Cloud liegen und sein Persönlichkeits-Profil bilden. Interessieren könnte das Versicherer zum Beispiel, die ihre Risikoeinstufung danach ausrichten könnten. Science-Fiction ist das, sicher. Dass die Realität aber schon mal die Fiktion einholen kann, das hat der Fall Edward Snowden gezeigt. 

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