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Pro Jahr isst der Deutsche im Durchschnitt drei Kilo Erdbeeren.
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Bauern geben Mindestlohn die Schuld: Gibt es bald keine Erdbeeren aus Deutschland mehr?

Deutsche Erdbeeren gibt es bald nicht mehr, sagen die Bauern. Sie befürchten, dass die Früchte in Zukunft nur noch aus dem Ausland importiert werden. Schuld daran sei der Mindestlohn.

Gibt es bald keinen deutschen Spargel mehr und keine deutschen Erdbeeren? Glaubt man dem Deutschen Bauernverband, sind die Tage des Beelitzer Spargels und der Erdbeeren aus Werder gezählt. Schuld daran ist der Mindestlohn, der seit Anfang des Jahres gilt. „Sowohl bei Spargel als auch bei Erdbeeren erwarten wir in diesem Jahr zehn Prozent geringere Erntemengen bei stagnierenden Preisen. Das heißt für den Bauern, dass er unterm Strich weniger verdient, da zugleich die Lohnkosten gestiegen sind“, sagte Bauernpräsident Joachim Rukwied am Montag im Interview mit der „Neuen Osnabrücker Zeitung“.

Mindestlohn in der Land- und Forstwirtschaft wird 2017 erneut angehoben

Wenn sich an diesem Mittwoch die deutschen Landwirte auf ihrem alljährlichen Bauerntag treffen, werden sie aber nicht nur über die Löhne, sondern auch über das Wetter klagen. „In einigen Regionen scheinen Ertragseinbußen von bis zu 40 Prozent realistisch“, warnt Rukwied. Grund dafür seien die trockenen Monate im Frühling gewesen. Schlechte Ernten, steigende Löhne – das ist zu viel für den Bauernpräsidenten. Denn in der Land- und Forstwirtschaft soll der aktuelle Mindestlohn von 7,40 Euro zum 1. Januar 2017 auf 8,60 Euro angehoben werden. „Unterm Strich wird für den Landwirt also noch weniger oder gar nichts übrig bleiben.“ Deshalb befürchtet Rukwied, dass arbeitsintensive Produktionen wie bei Erdbeeren und Spargel, aber auch Gurken und Gemüse zu nicht unerheblichen Teilen ins Ausland abwandern werden.

"Für den Kunden zählt am Ende der Preis"

Pro Jahr isst jeder Deutsche im Schnitt drei Kilo Erdbeeren. Schon jetzt werden 35 Prozent importiert, die Importe werden steigen, glaubt Rukwied. Wenn Erdbeeren aus Deutschland zu teuer seien, kaufe der Handel sie eben im Ausland ein, wo es keinen oder einen niedrigeren Mindestlohn gebe. „Wir werden die Hälfte unserer Stellen abbauen müssen, weil die Produktionskosten im europäischen Ausland einfach viel niedriger sind“, sagt Gerhard Neumann, der in Potsdam einen Hofladen betreibt. „Für den Kunden zählt am Ende der Preis, und Produkte aus Griechenland oder Polen unterliegen auch europäischen Qualitätsstandards“, gibt Neumann zu bedenken. „Es würde mich wundern, wenn andere Höfe nicht in der gleichen Lage wären.“

Die Gewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) hält das jedoch für Schwarzmalerei. „In Grenzregionen mag das gelten, aber Erdbeeren von heimischen Bauern schmecken besser und die Menschen sind auch bereit, dafür mehr auszugeben“, sagte ein Sprecher dem Tagesspiegel.

Bundesarbeitsministerin verspricht flexible Lösungen

Doch nicht nur die Löhne ärgern die Bauern, auch die mit dem Mindestlohn verbundene Pflicht, die Arbeitszeit zu notieren, regt sie auf. „Wir können die Mähdrescher nicht einfach nach zehn Stunden abstellen und Feierabend machen, wie es das Gesetz verlangt“, sagt Rukwied. Bauern arbeiteten mit der Natur und müssten manchmal einfach mehr als zehn Stunden arbeiten. Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) habe ihm zugesagt, dass die Länder bei den Arbeitszeiten zur Erntespitze flexible Lösungen ermöglichen könnten. Das fordert Rukwied jetzt ein. „Landwirtschaftliche Erzeugnisse dürfen nicht wegen politischer Vorgaben auf den Feldern vergammeln“, mahnt er.

Alexander Triesch

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