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Die Nachfrage nach Bio-Lebensmitteln übersteigt das Angebot bei weitem.
© David Ebener/ dpa

Ökologische Lebensmittel: Bio in der Sinnkrise

Zu Tode gesiegt? Nachhaltig produzierte Erzeugnisse sind zwar gefragt wie nie – doch ihr Erfolg schafft neue Probleme.

Von Maris Hubschmid

Alles in Bio: Das Geschäft mit ökologischen Lebensmitteln boomt. Europaweit wuchs der Markt zuletzt um sechs Prozent, neuen Erhebungen zufolge kauft bereits jeder zweite Deutsche zumindest gelegentlich Bio-Produkte ein. Die Discounter erweitern ihr entsprechendes Sortiment ständig. Was als Nische im Reformhaus begann, hat sich zu einer Massenbewegung entwickelt: Schon 60 Prozent aller Bio-Erzeugnisse werden im herkömmlichen Lebensmitteleinzelhandel gekauft, meldet die Verbraucherorganisation Foodwatch. Konzerne bieten ihren Mitarbeitern Bio-Mahlzeiten an, in Kopenhagen werden in städtischen Kantinen 66 000 Öko-Gerichte pro Tag serviert. Zugleich aber sehen die Akteure den Bio-Gedanken durch ebendieses Wachstum bedroht.

Während sich die EU-Agrarminister am Dienstag auf einen Kompromissvorschlag zur Revision der bestehenden EU-Öko-Verordnung verständigten, der unter anderem unregelmäßigere Kontrollen in der Bio-Produktion vorsieht, kamen in Berlin Vertreter wichtiger Branchenakteure zusammen. Der Chef von Berlins bedeutendster Bio-Supermarktkette Bio Company, Georg Kaiser, schilderte das Dilemma der Händler: „Auf der einen Seite stehen Kunden, die sich ökologisch ernähren wollen, aber mir sagen, der Preis für die Bio-Oliven sei zu teuer. Auf der anderen stehen Bio-Bauern, die sich beklagen, sie könnten von ihrem Verdienst nicht leben.“

Viele Bio-Sachen kommen aus dem Ausland

Zwar steige die Zahl der Öko-Landwirte bundesweit insgesamt weiter an, Jahr für Jahr gäben in Deutschland aber rund 500 Bio-Höfe auf und stellten auf konventionelle Produktion zurück, heißt es beim Verband der Lebensmittelwirtschaft: Das Modell rechne sich für sie nicht.

Hinzu kommt: Weil die Nachfrage hierzulande das Angebot nach wie vor übersteigt, kommen viele Bio-Lebensmittel aus dem Ausland. Da habe man auf die Produktionskette weniger Einfluss, sagt Felix Prinz zu Löwenstein, Vorsitzender des Bunds Ökologische Lebensmittelwirtschaft. Dennoch sei es auch ein Fortschritt, wenn man mit der eigenen Nachfrage die Umweltsituation in einem anderen Land verbessere. Schließlich lebten wir alle auf der gleichen Welt. Andere sehen das anders. Sie verurteilen jeden Konsum als ökologisch verwerflich, der nicht aus der Region heraus bedient werden kann. Branchenbeobachter machen deshalb eine Trendwende aus: „Es wird ein Massen-Bio und ein fortgeschrittenes Bio geben“, formuliert es Kaiser. Wer nach welchen Standards einkaufen könne, werde auch über den Preis entschieden.

Kai Funkschmidt von der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen meint: Bei der Einkaufsentscheidung gehe es zunehmend auch darum, eine Elite zu bilden. „Essen ist eine Ersatzreligion geworden.“ Es gehe zunehmend mehr darum, sich habituell abzugrenzen, als Tiere zu schützen.

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