Feinkosttest: Berliner Beeren schmecken stark
Zum Löffeln gute Erdbeermarmelade - gibt es nicht? Gibt es doch, aber vor allem von Berliner Kleinerzeugern. Unsere Testrunde probierte sich durch mehr als 15 Sorten.
Es gibt drei Dinge, die zum kulinarischen Missbrauch geradezu einladen: Schokolade, Senf und Marmelade. Blutwurst gerät in die Schokolade, Kaffee in den Senf und das halbe Gewürzbord Ingwer voran in die Marmelade. Gegenwehr? Zwecklos. Doch halt, eine tapfere Frucht leistet unverdrossen Widerstand. Mit einigem Recht könnte man sie als die Leitfrucht der Deutschen bezeichnen: die Erdbeere. Ihr sozusagen symphonisches Spektrum sperrt sich von vorneherein gegen Verbesserung. Vanille, Chili und Rhabarber (früher auch noch grüner Pfeffer) richten noch den geringsten Schaden an.
Es ist deshalb nicht der Gestaltungsdrang, der einem die Erdbeermarmelade dauerhaft verleiden kann. Vielmehr sind es industrielle Produkte, die daraus so etwas wie eine Karikatur gemacht haben. Die meisten wirken wie mit Fruchttypik kommentierter Zucker.
Unerwartete Enttäuschungen
Aus diesem Grund wurden sie von der monatlichen Testrunde beiseitegelassen (was gegenüber „Zuegg“ und der alternativen „Rigoni di Asiago“, den wohl besten aus diesem Segment, womöglich ungerecht ist), um Sorten mit avancierterem Anspruch den Vortritt zu lassen. Mit Guido Fuhrmann wurde ein Experte gewonnen, den man als Sterne-Patissier bezeichnen könnte. Bevor er seine „Werkstatt der Süße“ eröffnete, wirkte der Bäckersohn aus der Greifswalder Straße in ersten Häusern.
Was seine süßen Werke den ersten Testobjekten weit voraus haben, ist die Übereinstimmung von Erscheinung und Essenz – während bei der steifen „Alnatura Erdbeere (Bio)“, der wackelpuddingartigen „Von hier; Christine Berger Erdbeertraum“ aus Petzow, der wenig authentischen „Lucien Georgelin Fraises Cuit au chaudron“ und der vor allem das Geliermittel ehrenden „Wolfram Berge Erdbeere“ dem knalligen Aussehen geschmacklich nicht entsprochen wird.
Bei der Eigenmarke des KaDeWe schaute Fuhrmann unwillkürlich aufs Verfallsdatum (9/2017), weil er sich einen Fehlton nicht zu erklären wusste. Wie angebrannt wirkte auf ihn ausgerechnet die Marke mit dem höchsten Fruchtanteil: „Deligreece 85% Erdbeer“. Als nicht viel mehr als heiß gemachte TK-Erdbeeren verstand die Runde schließlich die sehr flüssige „Alpenstück Erdbeerkonfitüre“, die zunächst mit schönem Duft für sich geworben hatte.
Als unerwartete Enttäuschungen bleiben den Testern um Fuhrmann zwei österreichische Mustöpfe sowie ein englischer, alle drei aus bestem Haus, in Erinnerung. Sowohl die etwas fade „Staud’s Erdbeere“ als auch „Julius Meinl Erdbeere“ scheinen sich auf Einzelaspekte zu konzentrieren: Letztere aufs Weihnachtlich-Backpflaumenhafte, das allzu gründlich gekochte Marmeladen gerne einmal auszeichnet, während Erstere vor allem die Struktur der Früchte zu erhalten bemüht ist. Dass einem dabei als Erstes Himbeerbonbon in den Sinn kommt, mag dem Hersteller beim Rezeptieren entgangen sein.
Ebenfalls pflaumig und wie am Topfboden angehangen wirkte „Duchy Originals from Waitrose Strawberry Preserve Extra Jam“, für deren Adel der englische Thronfolger geradesteht. In einer Linzer Torte kann man sich die beinahe schwarze und starre Masse gut vorstellen, auf einem Butterbrot schon weniger. Auch die noch teurere „Tiptree Strawberry Little Scarlet“ aus Walderdbeeren verfehlte das Thema ein bisschen, indem sie so etwas wie einen Recioto bot, also mit rosinierten Beeren, die bestimmt zu Wild gut passen. Ein solides Mittelfeld boten das vollmundige, erfreulich altmodische „Les Comtes de Provence Fraises Bio à l’ancienne“ aus den Galeries Lafayette, die klassische, aber auch ein wenig hyperbeerige „d’arbo Naturrein Garten Erdbeere“ und die gemütliche „Grashoff 1872 Erdbeere“, das karamellige, nach des Patissiers Urteil zu lange gekochte „Biassac Confiture Fraise“ und schließlich das erdige „St. Dalfour Rhapsodie de fruit Fraises“, in dem ganze Beeren wie Mumien in Zucker gewickelt sind.
Beispielhaft für viele mag „Heike Immelmann Erdbeer“ dienen, die von der Gelierköchin an ihrem Stand auf dem Schöneberger Winterfeldtplatz persönlich verkauft wird. 75 Prozent Fruchtgehalt bilden einen soliden Körper. Fuhrmann würdigte die guten Zutaten, verwies aber darauf, dass Frucht, Säure und Zucker keine Symphonie bilden. Womöglich haben wir es bei dieser Hausfrauenware im besten Sinn mit einer Marmelade zu tun, die man bei Tisch noch zuckern muss.
Das gilt ebenfalls für die sehr stichfeste „Gartenhaus Testorf Erdbeer 71% mit rotem Johannisbeersaft“. Die in der Charlottenburger Buchhandlung „Berliner Literaturversand“ angebotene Marmelade wies den Weg in die Spitzengruppe mit einem lebendigen Fruchteindruck, der lediglich von viel Zitrone und einem an Nesquick-Erdbeer erinnernden Parfum irritiert wurde.
Der Primus inter Pares
Bei Siegern kommt es nicht mehr darauf an, wie sie deklariert werden, ob sie nun Fruchtaufstrich heißen, Konfitüre oder Marmelade. Wie ein Peleton beim Radrennen überschritten sechs Kandidaten gemeinsam die Ziellinie. Zwei davon entstammten eher industrieller Produktion, der Rest kam aus lokalen Kleinserien. „Materne Confipote 65% Fraise“ aus den Galeries Lafayette und „Alpe Pragas Fragola 70%“ aus dem KaDeWe fand Guido Fuhrmann „zum Glasauslöffeln gut“. Damit meinte der Meister die Einheit aus Duft, Aroma und Mundgefühl vom ersten Moment an. Materne gewinnt zudem durch luftige Konsistenz, die aus Südtirol stammende Alpe mit Kompotthaftigkeit. Die leicht von Zitrus konturierte „Bols & Hansen Bio-Marmeladenmanufaktur Berlin Erdbeere 66%“, die mit herrlicher Beereneinlage versehene Erdbeersuppe „Manufactum Karl Telfser Erdbeer 70%“ und die verhalten süße und frischebetonte „Eingemachtes-Berlin Maike Weerth Erdbeere 75%“ aus der Konfiseriehandlung „Das Süße Leben“ sind cremige Pürees, die das ganze Spektrum der Frucht ausbreiten. Dass sie ihre Hausmacherart nicht demonstrativ ausstellen, hängt auch damit zusammen, dass sich kleine Erzeuger zunehmend professionalisieren.
Wenn es denn einen Primus inter Pares geben muss, kann das nur „Gaarzer Mühle Erdbeer Fruchtaufstrich“ aus der Markthalle IX sein. Wie eben gemixtes Erdbeermark lotet er die Frucht vollständig aus.
Berliner Literaturversand, Charlottenburg, Uhlandstraße 184.
Bols & Hansen Bio-Marmeladenmanufaktur, Kreuzberg, Obentrautstraße 64.
Das Süße Leben, Schöneberg, Salzburger Straße 7.
Eingemachtes-Berlin.de/M. Weerts, Markthalle IX, Kreuzberg, Eisenbahnstraße 42.
Gastgeber: „Werkstatt der Süße“, Prenzlauer Berg, Husemannstraße 25
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