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Steuersparmodelle sind lukrativ für Unternehmen und Reiche.
© Ulrich Perrey/dpa

Vorstoß der Länderfinanzminister: Frühwarnsystem gegen Steuervermeidung

Die deutschen Finanzminister wollen eine Anzeigepflicht für Steuersparmodelle. Auch Brüssel plant in diese Richtung.

Die Finanzminister der Länder wollen eine Anzeigepflicht für Steuergestaltungen einführen – und an diesem Donnerstag bei ihrer turnusmäßigen Konferenz dafür zehn Eckpunkte beschließen mit dem Ziel, ein entsprechendes Gesetz auf Bundesebene auf den Weg zu bringen. Allerdings ist die Sechzehnerrunde dabei nicht ganz eins: Die Finanzminister der CDU und der CSU haben Bedenken, während die Ressortchefs von SPD, Grünen und Linken – sie stellen die Mehrheit in der Finanzministerkonferenz – das Eckpunktepapier beschließen wollen. Ein Grund für den Dissens ist offenbar, dass auch die EU hier aktiv wird – weshalb einige Länder abwarten wollen, was aus Brüssel am Ende kommt.

Dagegen sagte die schleswig-holsteinische Finanzministerin Monika Heinold dem Tagesspiegel: „Wir brauchen mehr Steuergerechtigkeit und müssen die Anzeigepflicht für Steuergestaltungen auch im nationalen Rahmen etablieren.“ Es gehe dabei um mehr „Fair Play“ und um mehr Transparenz. „Insbesondere große Unternehmen und leistungsfähige Steuerpflichtige müssen ihre Karten endlich auf den Tisch legen“, forderte Heinold. „Das Grundgesetz schreibt die Gleichmäßigkeit der Besteuerung vor. Die Anzeigepflicht würde helfen, diesen Grundsatz zu wahren.“ Auch die Skeptiker sind allerdings nicht gegen eine Anzeigepflicht.

So schreibt der hessische Finanzminister Thomas Schäfer (CDU) in einem dem Tagesspiegel vorliegenden Brief an den geschäftsführenden Bundesfinanzminister Peter Altmaier (CDU), dass die Anzeigepflicht "ein wirkungsvolles Mittel", um dem Gesetzgeber die Möglichkeit zu eröffnen, "ungewollte Steuerschlupflöcher zeitnah zu schließen". Allerdings sei dabei ein zu großer bürokratischer Aufwand zu vermeiden - diese Forderung ist einer der Dissenspunkte in der Finanzministerkonferenz.

 Es geht um Haushaltsrisiken

Ziel des Vorstoßes ist es, der Verwaltung und dem Gesetzgeber frühzeitig die Möglichkeit zu verschaffen, „auf bedeutsame und insbesondere haushaltsrelevante Steuergestaltungen zu reagieren“, wie es in dem Eckpunktepapier heißt. Will heißen: Der Fiskus soll künftig schon vorab entscheiden können, wie er mit Steuervermeidungsstrategien und Steuersparmodellen umgeht, die sich große und mittlere Unternehmen, Beratungsfirmen und Anbieter von Finanzprodukten ausdenken. Allerdings soll die Anzeigepflicht wohl nicht auf eine Genehmigungspflicht hinauslaufen. Sie umfasst auch nicht alle Formen der Steuergestaltung, sondern soll sich beschränken auf „klar abgrenzbare bedeutsame Fallgestaltungen“.

Das bedeutet, dass die Finanzverwaltungen mitbekommen wollen, ob sich größere Einnahmerisiken für die Etats von Bund und Ländern auftun.

Im Gegensatz zur EU-Kommission will die rot-grün-rote Finanzministerallianz allerdings die Anzeigepflicht nicht nur auf die Ertragssteuern begrenzen, sondern auch prüfen, ob sie auf die Erbschaft- und Schenkungssteuer ausgedehnt werden kann und auch auf die gestaltungsanfällige Grunderwerbsteuer. Gerade hier hat sich in den letzten Jahren gezeigt, dass große Immobilienunternehmen bei Kauf oder Weiterveräußerung über entsprechende Firmenkonstruktionen („Share Deals“) die Zahlung der Grunderwerbsteuer umgehen, was den kleinen Hauskäufern oder kleineren Unternehmen nicht möglich ist.

Unter die Anzeigepflicht sollen auch so genannte Finanzinnovationen fallen, also etwa Fonds, deren Zweck vor allem in der Steuervermeidung liegt. Um die Verschwiegenheitspflicht von Steuerberatern nicht zu untergraben, sollen diese bei der Anzeige ihre Kunden nicht nennen müssen. Wer die Anzeiget versäumt, soll ein Bußgeld zahlen.

Geschäftsmäßig betriebene Steuergestaltung

Um die Finanzverwaltung nicht zu überfordern (denn es ist jährlich mit Tausenden Fällen zu rechnen) sollen bestimmte Modelle nicht anzeigepflichtig sein. So etwa eine Steuergestaltung, „die so auf Besonderheiten beim Steuerpflichtigen zugeschnitten ist, dass sie nicht vermarktbar ist“ oder „von natürlichen Personen ohne Hilfskräfte für eigene Zwecke konzipiert wird“. Das zeigt, dass die Länder neben Großunternehmen vor allem die in größerem Stil geschäftsmäßig betriebene Steuergestaltung im Auge haben. Nicht von ungefähr, heißt es in Länderkreisen, sei in das Thema mit der Veröffentlichung der „Paradise Papers“ im vorigen Herbst wieder mehr Bewegung gekommen.

Immerhin beschäftigt sich die Finanzministerkonferenz schon seit Mitte 2016 mit dem Vorstoß. Ob es zu einem Gesetz kommt, ist vorerst unklar. Im Koalitionsvertrag für die neue Bundesregierung von CDU, CSU und SPD ist dazu nichts Konkretes vermerkt. Dort finden sich nur sehr allgemeine Formulierungen, wonach Schwarz-Rot den Kampf gegen „aggressive Steuervermeidung“ vorantreiben will. Allerdings geht das Finanzministerium an die SPD. Als Minister ist der Hamburger Bürgermeister Olaf Scholz im Gespräch, dessen Regierung den Ländervorstoß unterstützt.

Der Vorschlag der Brüsseler Kommission wird wohl am kommenden Dienstag Thema der EU-Finanz- und Wirtschaftsministerrunde (Ecofin) sein. Schäfer hat Altmaier aufgefordert, sich dafür einzusetzen, dass der EU-Entwurf weniger radikal ausfällt. Demnach will die Kommission erreichen, dass unter die Anzeigepflicht auch die Nennung der Steuerpflichtigen fällt, die ein Steuersparmodell nutzen. Das lehnt Schäfer ab. Verhindern will er zudem, dass auch die Steuerpflichtigen selbst zur Anzeige verpflichtet werden. Bei "Gestaltungsmodellen mit Breitenwirkung" befürchtet der hessische Finanzminister ansonsten, "dass Bürger, Unternehmen, Steuerberater und Finanzverwaltung statt mit einer einzelnen Meldung durch den Anbieter/Entwickler mit einer Flut von Anzeigen umgehen müssen".

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