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Martin Winterkorn (links) und Ferdinand Piëch in besseren Zeiten.
© AFP

Volkswagen: Ferdinand Piëch geht, die Probleme bleiben

Die Ära Ferdinand Piëch bei Volkswagen ist zu Ende. Doch damit hat es sich für den Konzern längst nicht erledigt. Er muss umdenken und umlenken, damit das Geschäft in Deutschland besser läuft. Ein Kommentar.

Wenn ein Unternehmensführer vom Kaliber eines Ferdinand Piëch von der Bühne abtritt, hält das Publikum den Atem an. Es folgen Applaus und Hochachtung. Oder Hohngelächter und Spott. Der VW-Patriarch hat niemanden kalt gelassen, weder Freund noch Feind. Auch der Rücktritt des VW-Aufsichtsratschef am Wochenende war großes Theater. Ferdinand und seine Ursula danken ab – nach einer verlorenen Schlacht. Man ahnt, dass im größten deutschen Industriekonzern an diesem Montag ein neues Zeitalter beginnt. Oder besser: Es endet die Ära Piëch.

Dabei wird doch alles, was jetzt folgt, in irgendeiner Weise von Ferdinand Piëch geprägt sein – und womöglich weiter von ihm im Hintergrund geprägt. Denn der 78-Jährige hat für dieses Unternehmen und sein persönliches Erbe gelebt. Als Enkel des Käfer-Konstrukteurs Ferdinand Porsche floss in Piëchs Adern von Geburt an Benzin. Daraus lässt sich in der Automobilindustrie viel machen: Die „Car Guys“, die Ingenieure und Schrauber haben es auch bei Daimler und BMW bis nach oben geschafft. Aber keiner ist wie Piëch. So kauzig, so hintersinnig und brutal operierte niemand, auch nicht so weitsichtig und starrköpfig.

Erst als Lehrling der Porsches, später bei Audi, dann an der Volkswagen-Spitze – Piëch kennt das Unternehmen so gut wie sein verstoßener Ziehsohn Martin Winterkorn. Zwei vom gleichen Schlage – bis das Band riss. „Ich bin auf Distanz zu Winterkorn.“ Der Satz wird in die Geschichte eingehen. Auch in die Chronik der Familien Porsche und Piëch, denen das Unternehmen gehört.

Was wird aus dem Standort Deutschland?

Wie geht es nun weiter? Martin Winterkorn hat ein paar wirklich harte Tage hinter sich, die den VW-Chef geschwächt haben. Er wird zeigen müssen, wie stark er geblieben ist – egal, mit wem er es an der Spitze des Aufsichtsrates künftig zu tun bekommt. Zwar sieht es so aus, als habe er den Machtkampf gewonnen. Doch Piëchs Strippenzieher werden es ihm nicht leicht machen. Nicht zu vergessen: Piëch bleibt Eigentümer. Er hatte die Baustellen des Autoherstellers erkannt. Sein Fehler war, sie nicht früher in Angriff genommen zu haben. Schließlich war er als oberster Kontrolleur Teil des Problems.

Die Führungskrise wirft die Frage auf, wie sich ein Unternehmen mit mehr als 100 Werken, einem Umsatz von 200 Milliarden Euro und mehr als einer halben Million Mitarbeiter steuern lässt. Deutlich geworden ist, dass vor allem bei der Kernmarke VW umgesteuert werden muss, der Säule des Konzerns, die zu wenig Geld verdient. VW macht zu viel selbst, macht es zu kompliziert und zu teuer. Verkauft werden Autos, für die niemand einen Premium-Preis bezahlen will – anders als bei BMW und Mercedes. Erst recht nicht, wenn die gleiche Technik noch preiswerter bei der VW-Tochter Skoda zu bekommen ist.

Damit steht der Standort Deutschland mit 270.000 Beschäftigten ganz oben auf der Aufgabenliste. Winterkorn wird die Zuständigkeit für die Marke VW an den ehemaligen BMW-Manager Herbert Diess abgeben – einen kompromisslosen Optimierer. Die Arbeitnehmer und ihr mächtiger Betriebsrat, das Land Niedersachsen – all jene, die man heute auf der Seite der Sieger wähnt –, könnten morgen Verlierer sein, wenn VW sparen muss. Schließlich gibt es auch in den USA und China viel zu tun. Es wird unruhig bleiben bei Volkswagen – auch nach dem vorläufigen Ende des Piëch-Dramas.

Henrik Mortsiefer

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