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Hans Jürgen Kerkhoff, vertritt seit April 2008 als Präsident Wirtschaftsvereinigung Stahl, die Interessen der heimischen Stahlproduzenten.
© Wirtschaftsvereinigung Stahl

Handelskrieg: "Europa zahlt die Rechnung für den Protektionismus der USA"

Die USA und auch China wollen die Handelsregeln umschreiben. Europa darf nicht tatenlos zusehen - meint der Präsident der Wirtschaftsvereinigung Stahl. Ein Kommentar.

US-Präsident Trump sendet wieder einmal Schockwellen durch die Welt der Wirtschaft. Der amerikanische Präsident will sein Land mit Zöllen von 25 Prozent gegen Stahlimporte abschotten. Die Folgen werden weltweit zu spüren sein, ganz besonders aber in Deutschland und Europa. Unternehmen, die bisher Stahl in die USA exportiert haben, werden sich Alternativen suchen. Und da richtet sich ihr erster Blick auf die Europäische Union. Hier gibt es keinerlei Importzölle oder andere Handelshemmnisse. Unter dem Strich bezahlt dann Europa die Rechnung für den amerikanischen Protektionismus.

Immerhin zeichnet sich jetzt in Berlin eine Regierungsbildung ab. Die Zeit drängt! Die Wirtschaft in Deutschland braucht eine Regierung, die Herausforderungen wie Trumps Protektionismus anpackt. Die Aufmerksamkeit muss sich richten auf die dynamischen auch technischen Veränderungen in der Industrie und ihrer Rolle als Basis für das erfolgreiche deutsche Geschäftsmodell. „Industry matters“, keiner will dies bestreiten, doch sollten die Interessen der Industrie und ihrer mehr als sieben Millionen Beschäftigten in Berlin mehr Raum bekommen. Deutschland braucht ein industriepolitisches Leitbild, das auch Antworten auf die globalen Herausforderungen der Zeit gibt.

Politik muss bei gutem Wetter das Haus bestellen

Mancher sagt schlicht: „Die Wirtschaft brummt doch!“ Und in der Tat, die wirtschaftliche Basis ist stark und steht konjunkturell in günstigen Winden. Doch die Politik darf sich nicht zurücklehnen. Bei gutem Wetter das Haus für die Zukunft zu bestellen ist Auftrag und Pflicht auch von Politik. Themen gibt es reichlich. Die Stahlindustrie spielt eine Schlüsselrolle als Ausgangspunkt von Wertschöpfungsketten, an deren Ende die Produkte stehen, die Deutschlands wirtschaftlichen Exporterfolg ausmachen: Fahrzeuge, Maschinen und vieles andere mehr. Daher spürt diese Branche wie ein Seismograph frühzeitig Veränderungen durch politische Vorgaben oder Erschütterungen im globalen Wirtschaftsgefüge. Und diese sollten in Berlin und Brüssel ernster genommen werden.

China bewegt sich immer weiter weg von marktwirtschaftlichen Strukturen und seine staatlich gelenkte Wirtschaftspolitik verzerrt nicht nur den Wettbewerb auf den Märkten, sondern muss fast schon als Kampfansage an das westliche Wirtschaftsmodell gesehen werden. Wie die neue Seidenstraße politisch durchgesetzt wird, kann niemanden gleichgültig lassen. Deutschland und die EU dürfen nicht abseits stehen, wenn der Versuch unternommen wird, die internationalen Spielregeln umzuschreiben. Die Frage des Investitionsschutzes liegt auf dem Tisch. In den USA hat nicht zuletzt die Industrievergessenheit der vergangenen Jahre dazu geführt, dass sich die Wähler für einen populistischen Kurs der Abschottung mit noch kaum abschätzbaren Folgen entschieden haben. Protektionismus kann und darf aber nicht die Antwort sein.

Die EU-Kommission muss rasch Gegenmaßnahmen ergreifen

Den europäischen Institutionen fehlt bisher die Kraft, aus den globalen Entwicklungen klare Schlüsse zu ziehen. Deutschland als industrielles Kernland sollte hier Initiative zeigen, wie zum Beispiel Frankreich, das sich offenbar wieder für ein stärkeres Europa engagiert. Ein starkes Europa zeichnet sich aber nicht durch noch mehr Kompetenzen und Geld für europäische Institutionen aus. Es braucht vielmehr zukunftsorientierte Antworten zum Beispiel auf den global zunehmenden Protektionismus und marktverzerrende Subventionen. Um solchen wachsenden Verwerfungen im internationalen Wettbewerb Rechnung zu tragen und den Handel fair zu gestalten, muss sich die EU als handlungsmächtig erweisen – gerade angesichts der aktuellen Zumutungen aus den USA.

Die Europäische Kommission muss rasch handeln und jetzt Gegenmaßnahmen ergreifen. Notwendig sind Schutzmaßnahmen, damit nicht bereits morgen Stahllieferungen auf den offenen europäischen Markt umgelenkt werden. Dabei müssen die in der Welthandelsorganisation WTO hierfür zur Verfügung stehenden Instrumente konsequent angewendet werden. Mit kraftvollem Handeln lässt sich auch neue Akzeptanz und Glaubwürdigkeit für die EU gewinnen.

Klima und Umweltpolitik ist vereinbar mit Wachstum

Auch eine Klimapolitik mit Weitblick braucht eine wettbewerbsstarke Industrie. Trotzdem leistet sich Europa weltweit einmalige Begrenzungen für CO2-Emissionen, die zurzeit kein einziges Stahlwerk in Europa mit seinen technischen Möglichkeiten erfüllen kann. Und das vor dem Hintergrund eines wachsenden Importdrucks durch anderswo subventionierten oder gedumpten Stahl, der mit weit größeren Umweltbelastungen hergestellt wurde. So drohen Verlagerungen der Produktion und letztlich der CO2-Emissionen, die auch dem Klimaschutz nicht dienen werden.

Es wäre fahrlässig, solche industriellen Wirklichkeiten zu ignorieren. Politik kann und muss unter Beweis stellen, dass sich eine ambitionierte Klima- und Umweltpolitik mit der Sicherung von Beschäftigung und Wachstum vereinbaren lässt. Deutschland und die EU können nur ein Vorbild für andere Regionen in der Welt sein, wenn sie nachweisen, dass sie Klimaziele erreichen können, ohne dass die Wettbewerbsfähigkeit ihrer Industrie dabei Schaden nimmt.

Die neuen Schockwellen aus den USA sind jedenfalls ein erneuter Weckruf für die Politik in Deutschland und Europa. Das globale Umfeld verändert sich gegenwärtig rasant. Die Zukunftsfähigkeit unserer industriellen Basis hängt davon ab, dass diesen Veränderungen Rechnung getragen wird.

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