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Die Statue von Willy Brandt ist hinter einem Rednerpult mit der Aufschrift "Mitgliedervotum" in der SPD-Parteizentrale zu sehen.
© Kay Nietfeld/dpa
Update

Ergebnis des Mitgliedervotums: SPD-Mitglieder sind mehrheitlich für die Groko

Der Weg für Schwarz-Rot ist frei: 78 Prozent der SPD-Mitglieder stimmen ab, eine deutliche Mehrheit sagt "Ja" zur Groko mit CDU und CSU. Nicht alle sind darüber glücklich.

Mit großer Mehrheit haben die Mitglieder der SPD für den Koalitionsvertrag mit der Union gestimmt und damit den Weg frei für eine neue große Koalition aus CDU, CSU und SPD gemacht. 66,02 Prozent der Genossen, die eine gültige Stimme abgaben, stimmten mit "Ja", erklärte der SPD-Schatzmeister Dietmar Nietan am Sonntagvormittag in Berlin. Stimmberechtigt waren 463.722 SPD-Mitglieder.

Durch das Groko-Votum der SPD-Mitglieder zugunsten einer Neuauflage des Bündnisses kann sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am 14. März im Bundestag wieder zur Kanzlerin wählen lassen. Ein "Nein" der Genossen hätte über kurz oder lang wohl zu Neuwahlen geführt.

Das Öffnen der unter Polizeischutz eingetroffenen Wahlbriefe hatte am Samstagabend im Willy-Brandt-Haus begonnen, der SPD-Zentrale. Der nach dem Rücktritt von Martin Schulz kommissarische Parteichef Olaf Scholz sprach von einer sehr hohen Beteiligung an dem Entscheid. Rund 120 SPD-Mitglieder aus ganz Deutschland zählten die ganze Nacht über die Wahlbriefe aus. Damit das Wahlgeheimnis gewahrt bleibt, mussten die Helfer ihre Telefone abgeben. Die Glasfront des Willy-Brandt-Hauses war flächendeckend mit Sichtschutzfolie abgeklebt.

Freude und Enttäuschung bei den Genossen

Der Juso-Vorsitzende und entschiedene Gegner einer neuen großen Koalition, Kevin Kühnert, zeigte sich nach dem Votum enttäuscht. „Sind angetreten, um zu gewinnen. Daher erstmal: Enttäuschung“, schrieb er auf Twitter. „Kritik an Groko bleibt.“ Kühnert twitterte weiter: „Die SPD muss mehr sein, wie in den letzten Wochen und weniger, wie in den letzten Jahren. Dafür werden wir Jusos Sorge tragen - kein SPDerneuern ohne uns. Morgen geht's los.“ In einem anschließenden Pressestatement blickte Kühnert nach vorne. "Wir werden Kritik äußern, wenn wir es für richtig und notwendig halten", sagte er mit Blick auf die künftige schwarz-rote Koalition. Die SPD-Jugendorganisation werde bei den eigenen Leuten genau hinschauen, aber auch beim Koalitionspartner. Dies werden sich die Jusos nicht nehmen lassen, sagte Kühnert.

Die designierte SPD-Vorsitzende Andrea Nahles sprach dagegen von einem guten Ergebnis. "Ich bin froh, dass jetzt so gekommen ist", sagte die Fraktionsvorsitzende. Auch die stellvertretende SPD-Vorsitzende und Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, Malu Dreyer, zeigte sich zufrieden mit dem Ergebnis. „Das ist ein klares Ergebnis und ein starkes Signal“, sagte sie. Besonders hob sie die hohe Wahlbeteiligung von 78 Prozent bei dem Mitgliederentscheid hervor. „Ich denke, dieses Ergebnis gibt uns jetzt auch die Kraft nach dieser intensiven Diskussion, dass wir jetzt unsere Aufgaben in großer Geschlossenheit angehen werden.“

Das Ja der SPD zur großen Koalition gibt der Partei nach Worten von Parteichef Scholz Kraft für eine Erneuerung. Die Kritiker einer neuen großen Koalition mit der Union würden in der Erneuerungsdebatte aktiv mitwirken, sagte Scholz nach Bekanntgabe des Abstimmungsergebnisses der Parteibasis. Die SPD sei mit den Diskussionen über ein Eintreten in eine neue große Koalition in den vergangenen Wochen weiter zusammengewachsen.

Wie es jetzt bei der SPD weitergeht

Parallel zur Auszählung der Stimmen war der 45-köpfige Vorstand zu einer Klausurtagung zusammengekommen, um einen Erneuerungsprozess den ältesten Partei Deutschlands zu beraten. Da die SPD bei der Bundestagswahl auf 20,5 Prozent abgestürzt war, sähen viele Mitglieder die SPD lieber in der Opposition. Zudem werden die Bündnisse mit Merkel als Grund für Profilverlust verantwortlich gemacht. In einer Emnid-Umfrage sackte die SPD nun auf ein Allzeit-Tief ab. Im Sonntagstrend, den das Institut wöchentlich für die „Bild am Sonntag“ erhebt, verlor die Partei einen Punkt und kam nur noch auf 16 Prozent. Dies ist der Zeitung zufolge der schlechteste je von Emnid gemessene Wert für die SPD.

Nach dem Votum will die Parteispitze nun beraten und bis spätestens 12. März bekanntgeben, wer die sechs SPD-Ministerien besetzen soll. Die Posten sollen zur Hälfte mit Frauen und Männern besetzt werden, kündigte Scholz an. Die SPD werde sich in den kommenden Tagen Zeit für die Aufstellung ihrer Ministerliste nehmen. Unter den Ressortchefs werden laut Scholz einige Minister sei, die schon bisher amtierten, einige würde neu hinzukommen. Scholz selbst gilt als gesetzt für das Amt des Finanzministers und als Vizekanzler. Der wegen seiner Alleingänge intern umstrittene Außenminister Sigmar Gabriel muss hingegen mit seiner Ablösung rechnen. Als gesetzt gelten für das neue Kabinett neben Scholz der bisherige Justizminister Heiko Maas und die bisherige Familienministerin Katarina Barley. (mit dpa und Reuters)

Jakob Schulz

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