Teamviewer und Co.: Es gibt einen Markt, der massiv vom Coronavirus profitiert
Anbieter von Videokonferenzen spüren einen drastischen Anstieg der Nachfrage. Verlegen Dax-Konzerne sogar ihre Hauptversammlungen ins Internet?
Die Hauptversammlungen der großen deutschen Aktiengesellschaften stehen vor der Tür. Aber angesichts der Ausbreitung des Coronavirus herrscht Unsicherheit, ob sie wie bisher geplant, stattfinden können. „Telekom und Daimler werden mit ihren Hauptversammlungen Ende März und Anfang April den Ton setzen“, sagt Jürgen Kurz von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW). „Werden die abgesagt, orientieren sich daran auch die Kleinen.“ Eine digitale Hauptversammlung kann aus Sicht der DSW indes eine Präsenzveranstaltung nicht ersetzen.
Doch ist das rechtlich überhaupt möglich? Sebastian Beyer, Experte für Aktien- und Kapitalmarktrecht bei der Kanzlei Taylor Wessing, sagt: „Die Überlegung, zusätzlich eine digitale Hauptversammlung anzubieten, sollte jeder Vorstand machen. Dass für die Aktionäre Desinfektionsmittelspender aufgestellt werden, reicht nicht.“
Gemäß Paragraf 118 Aktiengesetz kann die Satzung des Unternehmens festsetzen, „dass die Aktionäre an der Hauptversammlung auch ohne Anwesenheit an deren Ort und ohne einen Bevollmächtigten teilnehmen und sämtliche oder einzelne ihrer Rechte ganz oder teilweise im Wege elektronischer Kommunikation ausüben können“. Eine rein digitale Hauptversammlung sieht der deutsche Gesetzgeber noch nicht vor, auch im Zuge der Corona-Epidemie können Unternehmen diese also nur zusätzlich anbieten.
Die betroffenen Unternehmen stehen unter Druck
Da die Hauptversammlung in den ersten acht Monaten des Geschäftsjahres abgehalten werden muss, ist der Rahmen zum Verschieben eng. Das sieht auch Kurz von der DSW ein: „Solange die Hauptversammlung nicht über die Dividende abgestimmt hat, ist der Druck da, diese auch abzuhalten. Bei Corona ist ja derzeit kein Ende in Sicht.“
Doch Hauptversammlungen von Unternehmen sind nur ein Beispiel dafür, dass viele Veranstaltungen derzeit in den digitalen Raum verlegt werden müssen. Die Präsentationen vieler Autohersteller, die eigentlich im Genfer Autosalon ausstellen wollten, gehören dazu. Alltägliche Meetings und Konferenzen, die wegen der Reisewarnungen nicht mehr stattfinden können, ebenfalls.
Teamviewers Aktie steigt
Ein Unternehmen, das diesen Trend spürt, ist Teamviewer. Der M-Dax-Konzern aus Göppingen bietet Software für Fernwartung, Dateitransfer und Videokonferenzen kostenlos an, bei einer kommerziellen Nutzung fallen Gebühren an. „Homeoffice, also von zuhause auf den Rechner im Büro zugreifen zu können, ist das aktuell relevanteste Thema“, teilt Teamviewer auf Anfrage mit. „Wenn wir aufgrund der Nutzungsdaten eine kommerzielle Nutzung feststellen, dann bekommt der jeweilige Kunde einen entsprechenden Hinweis. In ganz China ist das aber derzeit ausgesetzt.“
Seit Ausbruch der Krise haben sich etwa in Wuhan die täglichen Zugriffe während der Arbeitszeit verdreifacht, im Rest von China haben sie sich verdoppelt. Fast könnte man meinen, dass es kaum besser laufen könnte. Doch so einfach ist es nicht. Von einem normalen Vertrieb kann derzeit nicht die Rede sein.
Den Wettbewerbern von Teamviewer geht es da nicht anders. Neben dem US-Unternehmen Zoom ist auch der IT-Konzern Cisco mit seiner Tochterfirma Webex im Markt für Videokonferenzen aktiv. Seit Beginn des Corona-Ausbruchs sind in China die Webex-Zugriffe um den Faktor 22 gestiegen. In Japan, Südkorea und Singapur registrierte der Konzern vier- bis fünfmal so viele Benutzer. Über Webex können sich Arbeitnehmer von der Videokonferenz bis hin zur Bildschirmfreigabe miteinander verbinden.
Gerade in den Risikogebieten steigen die Nutzerzahlen rasant
Als Antwort auf das Coronavirus hat das Unternehmen die kostenlosen Funktionen von Webex erweitert und stellt Firmen, die noch keine Webex-Kunden sind, für 90 Tage kostenlose Lizenzen zur Verfügung. „Wir arbeiten aktiv daran, die Bedürfnisse der Fernarbeiter in dieser beispiellosen Zeit zu unterstützen“, teilt das Unternehmen mit. Die Zahl der kostenlosen Anmeldungen ist in den betroffenen Ländern um das Siebenfache höher als vor dem Corona-Ausbruch.
Die ITB wusste sich in der Not zu helfen: Nachdem die Reisemesse abgesagt wurde, hat die Messe Berlin innerhalb weniger Tage den Launch von itb.com neu gedacht. Ursprünglich als Begleitprogramm gedacht, ermöglicht das Portal nun vom 5. bis 11. März virtuelle Konferenzen und hat eine Option für virtuelle Meetingräume. Zugang zum Travel Network haben alle registrierten Teilnehmer der ITB Berlin 2020 – neu ist, dass sich jetzt jeder Interessierte anmelden kann. In dem Zeitraum gibt es mehr als 20 Live-Streams, in denen Speaker der ITB die Themen der Branche diskutieren. Corona inklusive.
Katharina Horban