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Durchhalten: Für die Mitglieder und die Studios waren die Lockdowns eine große Herausforderung.
© Getty Images

Berliner Fitnessstudios wollen öffnen: Endlich wieder trainieren

Nach sieben Monaten Lockdown könnte es am Freitag wieder losgehen. Am Dienstag entscheidet der Senat. Zum Start gibt es Sonderangebote.

Einige drängeln seit Wochen. So wie die alte Dame, die schon im März mit ihrem gelben Impfbüchlein vor der Tür stand. „Alex“, sagte sie, „ich bin jetzt zwei Mal geimpft, du musst mich reinlassen“.

„Alex“, das ist Alexandra Backasch. Die 47-Jährige leitet das Elixia-Fitnessstudio in Lichterfelde Ost. Seit über zehn Jahren trainieren hier im Lio-Einkaufszentrum im Südwesten Berlins die Menschen aus der Nachbarschaft an Fitnessgeräten, dehnen sich beim Yoga oder ziehen ihre Bahnen im 25-Meter-Pool. Manch einer träumt beim Schwimmen von der Südsee, ein überlebensgroßes Panorama der Fidschi-Inseln ziert die Schwimmbad-Wand. Doch seit November hat niemand mehr im Pool gebadet. Die Sportgeräte sind unbenutzt, in den Kursräumen absolvieren die Trainerinnen und Trainer ihre Workout- und Pilates-Kurse allein, das Publikum sitzt zu Hause und turnt via Internet mit.

Probetraining: Alexandra Bakasch in ihrem Elixia-Studio in Lichterfelde Ost.
Probetraining: Alexandra Bakasch in ihrem Elixia-Studio in Lichterfelde Ost.
© Sven Darmer

Doch nun, wo die Coronazahlen sinken, ist auch in Berlin ein Ende des erzwungenen Stillstands in Sicht. Am Freitag könnten die Clubs wieder eröffnen. Genau weiß man das erst am Dienstag, wenn sich der Senat wieder trifft. Auch welche Auflagen die Betreiber beim Indoortraining beachten müssen, erfahren sie wohl erst dann. „Mit uns spricht doch keiner“, ärgert sich Backasch.

Keiner weiß, welche Auflagen bei der Öffnung gelten sollen

Tatsächlich gehört die Fitnessbranche zu den Nachzüglern der Corona-Lockerungen. Zu groß ist die Angst der Politik, die Menschen könnten sich beim Training anstecken, wenn sie sich beim Work-out auspowern oder in der Sauna gemeinsam schwitzen. Obwohl zahlreiche Untersuchungen belegen, dass das Infektionsrisiko auch beim Indoortraining verschwindend gering ist, gehören die Clubs stets zu den ersten, die im Lockdown schließen müssen, und zu den letzten, die wieder aufmachen dürfen.

Das könnte auch mit der Verbändelandschaft zusammenhängen. Statt ein starkes Sprachrohr zu haben wie die Gastronomie, teilen sich in der Fitnessbranche mehrere Verbände die Vertretung.

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Elf Millionen Menschen waren Mitglieder

Dabei ist die Branche wirtschaftlich durchaus ein Schwergewicht. Über 4,1 Milliarden Euro Umsatz erwirtschafteten die 7000 Studios im Vor-Corona-Jahr 2019, elf Millionen Menschen waren Mitglieder. Doch die zwei Lockdowns in der Coronakrise haben ihre Spuren hinterlassen. Bereits Ende des vergangenen Jahres lag der Mitgliederrückgang bei 11,6 Prozent, der Umsatz sank um ein Viertel, heißt es in einer Studie des Arbeitgeberverbands deutscher Fitness- und Gesundheits-Anlagen (DSSV).

Online-Training: Viele haben damit die Zeit überbrückt.
Online-Training: Viele haben damit die Zeit überbrückt.
© imago images/Cavan Images

Das Problem ist aber noch größer als es diese Zahlen vermuten lassen. Denn von Dezember bis März schließen die Studios traditionell 50 Prozent ihrer Neumitgliedschaften ab, „dies war aufgrund der Schließungsanordnungen nicht möglich“, sagt der stellvertretende Geschäftsführer des DSSV, Florian Kündgen.

Weil aber gleichzeitig Verträge gekündigt wurden oder ausgelaufen sind, sei die wahre Fluktuationsquote um ein Vielfaches höher. Vor allem kleine Studios leiden unter dem Mitgliederschwund. Zehn bis 40 Prozent der Mitglieder fehlen, je nachdem wie gut es ein Studio verstanden hat, die Kunden an Bord zu halten, weiß Botond Mezey vom Bundesverband Gesundheitsstudios Deutschland, der vor allem die kleinen Anbieter vertritt.

Die Einnahmen fehlen nicht nur jetzt, sondern auch in Zukunft

„Jeder Tag, an dem wir schließen müssen, kostet uns mindestens ein Mitglied“, gibt Benito Wegrad zu bedenken. Er ist Geschäftsführer der Elixia-Kette in Berlin. Drei Studios gehören dazu, der Club in Lichterfelde ist einer davon. Das Problem: Da Verträge mit Sportstudios meist ein oder zwei Jahre laufen, fehlen die Einnahmen nicht nur jetzt, sondern auch in Zukunft – es sei denn, es findet sich schnell Nachschub.

Zwangspause: Fitnessstudios mussten im November schließen.
Zwangspause: Fitnessstudios mussten im November schließen.
© ZB

Sonderangebote zum Neustart

Um neue Mitglieder zu werben, gibt es daher derzeit auch bei Clubs Sonderangebote, die solche Aktionen sonst ablehnen. Dazu gehört etwa das Clays in Berlin-Zehlendorf. Wer jetzt einen 24-Monats-Vertrag abschließt, trainiert ein halbes Jahr gratis.

McFit bietet monatlich kündbare Verträge für 19,90 Euro statt 29,90 Euro im Monat an. Fitness First erlaubt Neukunden, während der ersten 40 Tage des Vertrags gratis zu trainieren und auf Wunsch zum Ende der jeweiligen Testphase zu kündigen. Bei einem 12-Monats-Vertrag kann man innerhalb der ersten drei Monate kündigen, zudem erhalten Neukunden eine Corona-Garantie: Sie zahlen nur, wenn der Club geöffnet ist.

Beiträge zahlen, auch wenn das Studio geschlossen ist?

Bisher müssen Fitness-First-Mitglieder eine solche Beitragsfreiheit aktiv beantragen. Auch bei McFit laufen die Beiträge weiter, wenn man sich nicht rührt. Allerdings bekommen die Mitglieder dort die Zeit der Schließung beitragsfrei an die Vertragslaufzeit angehängt.

Andere Studios buchen von sich aus nicht ab. Dazu zählt das Clays genauso wie die Elixia-Studios, allerdings verlängert sich der Vertrag bei Elixia jeweils um die Monate, in denen die Clubs geschlossen waren. Julia Rehberg von der Verbraucherzentrale Hamburg bezweifelt, dass das rechtmäßig ist. Doch die Gerichte urteilen unterschiedlich. Clays verlängert dagegen nicht, wie man betont.

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Auch Alexandra Backasch fürchtet, dass sie Mitglieder verlieren wird. 4200 Menschen waren vor Corona in ihrem Studio angemeldet, jetzt dürfte es ein Viertel weniger sein, schätzt sie. Dennoch will sie nicht offensiv mit Sonderangeboten werben – aus Rücksicht auf ihre Stammkunden.

Die November-Hilfe kam erst im Mai

Umso wichtiger ist es aber für sie, dass es nun wieder losgeht. Denn die staatlichen Hilfen sind bisher nur zögerlich geflossen. Die November-Hilfe, erzählt die Clubchefin, hat sie vor zwei Wochen ausgezahlt bekommen, auf das Geld aus den anderen Programmen wartet sie noch heute. Bis dahin hält sie sich mit einem KfW-Kredit über Wasser. Und versucht zu sparen, wo es geht. Die meisten Mitarbeiter sind in Kurzarbeit, das Licht im Studio ist aus. Das Wasser im Pool darf sie aber nicht ablassen, es ist das Wasserreservoir für die Sprinkleranlage im Einkaufszentrum.

Sonderangebote: McFit und andere werben um neue Kunden.
Sonderangebote: McFit und andere werben um neue Kunden.
© Heike Jahberg

Während die Konkurrenz noch in Wartestellung ist, testet Branchenriese McFit die Grenzen des Erlaubten aus. In Berlin können Mitglieder bereits seit längerem wieder an sechs Standorten trainieren – outdoor. Die Fitnessgeräte stehen draußen auf dem Parkplatz, nachts werden sie von Security bewacht, bei Regen schützt sie eine Plane. „Wir möchten unseren Mitgliedern die Möglichkeit geben, die Zeit der Studioschließung mit einem sicheren Training an der frischen Luft zu überbrücken“, betont Hagen Wingertszahn, Geschäftsleiter von McFit Deutschland. Das Konzept sei gut angenommen worden. Die Corona-Krise hat McFit zudem zu einer Übernahme genutzt. Die angeschlagene US-Traditionskette Gold’s Gym ist jetzt Teil des McFit-Reichs, in Spandau eröffnet demnächst einer der drei deutschen Ableger.

In München oder Leipzig wird schon wieder trainiert

Anders als in Berlin sind in vielen anderen deutschen Großstädten die Studios auch für das Training drinnen bereits wieder geöffnet. Das betrifft etwa München, Leipzig, Frankfurt am Main oder Münster. Die Vorschriften sind unterschiedlich. Meist müssen Nicht-Geimpfte oder -Genesene einen negativen Coronatest vorlegen, Trainingsslots müssen vorher gebucht werden – sowohl für Kurse als auch die Fläche.

Studiobetreiber in Berlin rechnen mit einer Neuauflage des vergangenen Jahres, als zunächst Umkleidekabinen, Duschen, Saunen und Schwimmbäder geschlossen blieben und die Zahl der Besucher begrenzt war. Moritz Kreppel, Chef von Urban Sports Club, ärgert sich über den „Flickenteppich“ der Regelungen. „Wir sind in sieben europäischen Ländern vertreten, und es läuft im Ausland besser als in Deutschland“, sagt er.

Endlich wieder trainieren: In vielen Städten geht das schon.
Endlich wieder trainieren: In vielen Städten geht das schon.
© imago images/Rupert Oberhäuser

Drei Tage Vorlauf, das ist kurz

Auch jetzt holpert es wieder in Berlin. „Die Fitnessstudios in Berlin brauchen klare Vorgaben, wann sie wieder öffnen dürfen, und ausreichend Vorlauf“, betont Krepper. „Man muss die Mitarbeiter aus der Kurzarbeit zurückholen und neue Kurspläne erstellen, das geht nicht von heute auf morgen.“

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Putzen, putzen, putzen: Hygiene ist wichtig.
Putzen, putzen, putzen: Hygiene ist wichtig.
© dpa

Auch Alexandra Backasch hat nun ganz praktische Probleme. Sie weiß nicht, ob sie Aqua-Fitness-Kurse einplanen darf. Und sie muss jetzt Gerätschaften von den Kunden zurückholen. Im November hat sie ihre Hanteln und andere Trimmgeräte verliehen, damit die Menschen zu Hause trainieren können.

Doch für die meisten war das kein Ersatz für das Studio, sagt Backasch. Viele ihrer Mitglieder sind älter, für sie ist das gesellige Beisammensein, der soziale Kontakt genauso wichtig wie das Training. Selbst im Lockdown. „Die Kunden stehen vor der Tür und wollen Kaffee trinken“, erzählt Backasch. Zeit, dass es wieder losgeht.

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